Zwischen Arbeit und Schlaf gibt es so viel zu erleben!
Was ich in den letzten 2 Wochen auf einem kleinen Festival, einer Foto-Expo, im Kino, auf Denkmaltagen und mit den anderen SVE angestellt habe, auch wenn eine Erkältung dazwischenfunken wollte.
Nach kleiner Pause melde ich mich auch mal wieder aus meinem neuen Zuhause. Denn Zuhause fühle ich mich nach den vergangenen 4 Wochen tatsächlich schon. Zu meiner Entschuldigung für die "lange" Pause, in der ich auch immer wieder nach Neuigkeiten gefragt wurde, habe ich vorzubringen, dass wir hier einige Probleme mit dem Internet hatten und ich danach einfach ständig beschäftigt war. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, streiken die WLAN-Router immer mal wieder, weil sich eine Ölschicht darauf gebildet hat. Die Schuld wird gerne im Spaß einer ehemaligen Freiwilligen gegeben, die mit viel Öl gekocht hat, aber es ist schlicht auch einfach nicht so sinnvoll, Elektrik direkt über dem Herd anzubringen... A propos Internetzwangspause - eigentlich fand ich es wirklich total befreiend, mal ohne ständige Verbindung überall hin zu sein, aber für die Urlaubsplanung war es einfach nur nervig. Jetzt möchte ich euch aber lieber erzählen, was ich die letzten zwei Wochen erlebt habe!
Auf der Arbeit in der Clarté finde ich mich immer besser zurecht. Ich kenne nun den Großteil der Schüler und einige der Kollegen mit Namen, wobei das teilweise immer noch eine große Herausforderung für mich darstellt. Mit den meisten habe ich nur mittwochs mehr zu tun, es gibt mehr "professionels" als Jugendliche und manche französische Namen klingen noch sehr ungewohnt für mich, sodass es mir schwer fällt, sie mir zu merken.
Wie ich schonmal erwähnt habe, bin ich auch immer mal wieder mit einem Teil der Klasse alleine und habe dabei nicht nur Aufgaben mit ihnen zu bearbeiten, sondern auch schon viele Freiheiten für mein erstes kleines Projekt. Das klappt im großen Ganzen zwar ganz gut und die Schüler freuen sich, mit mir an etwas zu arbeiten, doch gerade in der letzten Woche habe ich auch immer mal wieder Schwierigkeiten erlebt. Noch finde ich es zwar ganz lustig, wenn ich wegen der sprachlichen Ebene nicht mal mitkriege, dass ein Schüler, der sich gerade über etwas aufregt und meinen Versuch einzugreifen nicht gut findet, ein nicht so nettes Wort zu mir sagt und sich anschließend entschuldigt. Aber auf Dauer muss ich definitiv noch ein besseres Gefühl dafür entwickelt, bis zu welchem Punkt ich Streitereien einfach nur im Auge behalten muss ohne einzugreifen und wann ich wie reagieren sollte. Damit werde ich zum Glück nicht alleine dastehen, denn neben meiner Tutorin gibt es auch immer "éducateurs" oder Lehrer, die mir praktische Tipps geben. Éducateurs, das sind alle diejenigen, die sich außerhalb des Unterrichts um die Schüler kümmern; also bei den Mahlzeiten, in den Ateliers und im persönlichen Bereich für die im Internat lebenden Schüler. Wörtlich übersetzt wäre das Erzieher, aber ich finde das passt in meiner Struktur nicht so gut. Überhaupt sind wirklich alle Kollegen sehr nett, unterhalten sich einfach mal so mit mir und helfen mir immer weiter. Besonders mittwochs stehe ich noch gelegentlich planlos irgendwo rum, weil an diesem Tag statt Unterricht verschiedene Freizeitbeschäftigungen und Lernangebote wie Sport, in die Stadt gehen, Musik oder Makaton (eine Gebärden und Zeichensprache; mega interessant! Damit möchte ich mich während meines SVE auch näher befassen) stattfinden. Und da ich in den ersten Wochen alles erst mal kennenlernen soll und möchte, ist das teilweise noch ein bisschen unstrukturiert für mich. Ich bin aber sicher, dass sich das bald geben wird und ich vor allem auch in dieser Zeit viele Möglichkeiten haben werde, mich einzubringen.
Mein Leben in Redon besteht aber nicht nur aus Arbeit und gelangweilt zu Hause sitzen - ganz im Gegenteil! Während der letzten beiden Wochenenden haben wir nicht nur einmal abends lange mit mehr oder weniger allen SVE zusammen gesessen, gegessen, Wein getrunken, geredet und bis spät in die Nacht UNO gespielt. Da wir von Elise (bzw. deren Kollegin) eine wirklich riesige Zucchini bekommen haben, haben wir freitagsabends spontan Quiche und Salat vorbereitet. Dieses Wochenende gab es dann Crêpes von den Jungs und gestern sogar halbwegs gelungenen Kaiserschmarrn von mir. Solche Abende sind nicht nur einfach super lustig, sondern auch sehr schön um sich besser kennenzulernen. Den Altersunteschied von meinen 19 zu den (unter anderem) 23, 25 oder 29 Jahren der anderen bemerke ich quasi gar nicht, in der italienisch-deutsch-finnisch-türkisch-polnischen Mischung fühle ich mich im Moment wirklich wohl und wir verstehen uns gut. Auch wenn damit gerade eine kleine italienische Mehrheit herrscht ;-) , ist es für mich auch sehr interessant, dass ein ehemaliger Freiwilliger, der jetzt in der Nähe einen Service Civique macht, unsere Runde ergänzt. So kommen nochmal andere Erfahrungen und Alltagsgeschichten in die Runde, da sonst ja nur die andere Deutsche und der Pole schon länger als drei Monate hier sind. Alles in allem also momentan eine absolut tolle Gruppe, in der sich alle gut miteinander verstehen!
Kleines brainstorming zu "besonderen" Abenden der letzten Zeit:
- letzten Samstag eine Art kleines Festival mit eher regionalen Musikgruppen. Das Ganze nennt sich "Le salon", wird soweit ich das verstanden habe von einem gemeinnützigen Verein organisiert, weshalb es nichts kostet, und trotz vorheriger Erzählung von Alkistis (der ehemaligen SVE im Kino) habe ich etwas ganz anderes erwartet. Nachdem alle Anderen etwas unentschlossen waren, bin ich am frühen Abend mit Tiina in Richtung der Gemeinde Bains-sur-Ouest geradelt, wo uns schon Warnschilder auf der Straße "Fête!" zeigten, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Neben Spielen für Kinder, einer Gratiferieazone (wo man gratis Sachen mitnehmen kann, die andere nicht mehr brauchen) und einer kleinen Bar gab es gleich zwei Bühnen draußen und viele Menschen aller Altersgruppen. Später kamen überraschend doch noch fast alle anderen SVE dazu. Wir hatten sehr viel Spaß, haben geredet, Freunde der schon länger anwesenden Freiwilligen getroffen und viel getanzt.
- Die "Journées du Patrimoine" waren auch letztes Wochenende. Das sind sozusagen Tage des Denkmals/Kulturerbes, wo überall in der Stadt Angebote waren - eine super Gelegenheit, ein bisschen mehr über meinen neuen Wohnort kennenzulernen! Ich nutzte die Gelegenheit und schaute mir das "Monastère des Calvariennes" an, ein Kloster das direkt an die Clarté grenzt, eine kleine Kirche besitzt, sich um die Pilgerherberge kümmert und gerade eine Ausstellung über den Jakobsweg als "Weg ins Unbekannte" zeigte. Außerdem bekam ich eine kleine persönliche Führung im Theater von Redon und geriet mehr oder weniger unfreiwillig in eine einstündige Führung allein über die Orgel der Kirche St.Sauveur. Eigentlich wollte ich mir den Untergrund anschauen, bin aber dafür in das falsche Gebäude gelaufen. Auf die Frage, ob ich an der gerade beginnenden Führung teilnehmen möchte antwortete ich einfach ja gerne, ohne wirklich verstanden zu haben, was genau das Thema war. So fand ich mich dann auf der kleinen Empore, wo die Orgel war. :D Das war auch wirklich sehr interessant, aber nach einer halben Stunde bedankte und verabschiedete ich mich höflich, weil die Erklärung der Mechanik dieser Orgel meine Physik- und Sprachkenntnisse in dem Moment weit überstieg und sich auch ein gewisses Halsweh in der stehenden Kirchenluft bemerkbar machte. Dadurch kam ich dann aber noch bei strahlendem Sonnenschein am Kino vorbei, wo hinter Absperrgittern viele Teenies und Erwachsene auf den von teuren Autos und rotem Teppich abgeholten Star "Kev Adams" warteten. Der war nämlich im Ciné Manivel, um mit dem Regisseur bei einer Vorpremiere den neuen Film Aladin vorzustellen. Da mir der Name bisher rein gar nichts gesagt hat, habe ich auch nur kurz die Sonne genossen und mich dann Tiina und Nicola (dem ex-SVE) angeschlossen, die zufällig auf dem Weg zum Flohmarkt vorbeikamen.
- Nachdem wir vorletzte Woche schon zu zweit bei einem der "bezahlten" Kinomitarbeitern waren, um uns über das bénévolat zu informieren und einem ersten Arbeits-"Versuch" am Dienstag bin ich seit gestern offiziell "bénévole" im Kino von Redon. Das ist nämlich kein gewöhnliches Kino, sondern eher ein Verein, der sich großteils durch die Arbeit von Freiwilligen trägt. Es gibt nicht nur die aktuellen Kino-Hits, sondern auch gelegentlich ältere Filme im Programm, Diskussionen mit Regisseuren oder einen Stummfilm von 1928 mit Live-Musikern um nur einige Beispiele zu nennen, sowie ein angeschlossenes Café, das auch Raum für Konzerte oder andere "Animationen" und Projekte gibt. Das zehnköpfige Angestellten-Team wird gerade von etwa 115 bénévoles ergänzt - und eine davon bin nun ich! :) Das heißt, dass ich ab sofort zwei mal im Monat im Ciné arbeite, Tickets abreiße und die Säle kontrolliere, mich in die Planung von Aktionen einbringen kann und jederzeit kostenlos in alle Filme gehen kann. Ich finde, das ist eine super Möglichkeit, nicht um Geld zu sparen, sondern vor allem um Menschen kennenzulernen, mehr über das "Hinter-den-Kulissen" im Kino zu erfahren, mich in einer etwas anderen Umgebung als sonst zu probieren und mich vielleicht auch in einigen Wochen wirklich in irgendeiner Hinsicht einbringen zu können. Was ich bisher erfahren habe, sind alle dort wirklich sehr offen und der "Geist" geht weit über die reine Vorführung von Filmen hinaus. Ich bin schon gespannt, was ich alles erleben werde.
- In "La Gacilly", einem etwa 10 km entfernten Ort, findet jedes Jahr ein großes Foto-Festival statt, das größte in Frankreich und wenn ich mich richtig erinnere das zweitgrößte Europas. Am Samstag profitierte ich nochmal vom super schönen Spätsommerwetter und fuhr gemeinsam mit Stefania und Tiina mit dem Centre Social von Redon, also noch ein paar Menschen mehr ;-) , dort hin. Der Ort an sich ist schon super schön, es gibt viele Blumen und was bedeutend interessanter ist - sehr viele Handwerksbetriebe, die in alten, schönen Häusern ihre Arbeit zeigen. Von Metallkunst, über Farben und Spiele haben wir schon ein bisschen etwas gesehen, ohne wirklich viel Zeit dort zu verbringen. Außerdem ist in La Gacilly ein wichtiger Standpunkt der Pflanzen, die von Yves Rocher verarbeitet werden. Ein Großteil dieser Produkte hat also einen französischen Ursprung, vielleicht denkt ihr ja dran, wenn ihr das nächste Mal dort vorbeikommt. Das interessanteste war am mit Abstand die Foto-Expo dort. Wir hatten die Chance einer Führung, die uns natürlich bei Weitem nicht alle der Werke vorstellen konnte, aber wirklich super viele spannende Infos mitgeben konnte. Wen es interessiert, der findet auf der Internetseite des "Festival photo La Gacilly" zumindest die Namen der ausgestellten Fotografen und einige Bilder. Ich kann mich zwar gerade nicht auf ein absolutes Highlight festlegen, aber besonders aufweckend fand ich eine Fotoserie von George Steinmetz über die Bedingungen der Intensiv-Agriculture (ein großes Thema dieses Jahr war auch die Ernährungssituation) und Tierhaltung/-verarbeitung, auch wenn ich mich schon länger mit diesem Thema beschäftigt habe. Ausdrucksstark war eine Reihe Tierbilder, die in den nördlichen Ländern auf der Suche nach dem Polarwolf aufgenommen wurden, erschreckend die Aufnahmen von Familien verschiedener Länder mit ihrem wöchentlichen Nahrungsmittelkonsum, irgendwie bewegend die Mischung aus Zirkus- und Kriegsthematik und einfach nur sehr eindrucksvoll, was es sonst an Landschaften, Menschen und historischen Orten zu sehen gab. Ich habe etwas mit 600 Fotos im Kopf, und wir haben weit nicht alles sehen können, aber was wir gesehen haben war absolut schön und ausdrucksstark. Kann ich jedem nur empfehlen, der im Sommer mal in die Bretagne kommt!
Zu guter letzt bleibt mir nur noch zu bemerken, dass ich nebenbei auch noch mehr oder eher weniger fleißig am Planen für die erste kleine Reise bin. Hier kommt dann auch eine scheinbar typisch klischee-deutsche Eigenschaft vor, die die anderen mir herzlich "vorwerfen": dass ich gerne das Bedürfnis habe, alles zu organisieren. Aber allein aufgrund Zeitmangel und weil ich meine Freizeit auch sehr gerne einfach nur zum Reden mit den anderen Freiwilligen nutze, ist gar nicht soooo viel durchgeplant. Ich habe Unterkünfte gebucht, Karten für die Wege vom Bahnhof zum Hostel und Office de Tourisme abfotografiert und ein paar Dinge rausgeschrieben, die ich sehen will. Was wir genau wann machen, können wir dann spontan entscheiden und uns einfach ein bisschen treiben lassen, viel Zeit am gleichen Ort bleibt eh nicht.
Nächsten Samstag geht es früh morgens los: Ich fahre mit Sera zusammen nach Bordeaux, wo wir einen Tag verbringen, Sonntag geht es weiter nach Toulouse. Am Montag Morgen mache ich mich, vermutlich zusammen mit Tiina, recht früh auf den Weg, um mir zumindest im Schnellverfahren tourimäßig Carcassonne anzuschauen, bevor das On-arrival-Seminar beginnt. Bis Freitag werden wir also mit vielen anderen neuen SVE "aus" ganz Frankreich in Narbonne sein. Freitag Nachmittag fahre ich dann alleine weiter nach Sète, wo ich den Rest dieses kleinen "Urlaubs" beginne, ehe es mit dem Nachtzug Samstagabend wieder Richtung Redon geht. Ich freue mich schon total, andere Städte ein kleines bisschen kennenzulernen und auch auf das Seminar mit allen Leuten dort!