Zugfahren in Tschechien,Geschichten einer Hassliebe
Reisen mit der tschechischen Bahn war immer wieder ein mehr oder weniger schönes Erlebnis. Es ist eben ein bisschen komplizierter mit der České dráhy.
Ohne die tschechische Zuggesellschaft (České dráhy) wäre mein Jahr hier vermutlich zumindest in Teilen ganz anders gewesen.
Doch So oft ich mich in meinen Artikeln auch über sie beschwert habe, Bahnen erfolglos hinterhergerannt bin, Stunden an Bahnhöfen totgeschlagen habe und einmal auch einfach die letzten Kilometer gelaufen bin, weil die Bahn mal wieder Verspätung und ich einfach keine Lust mehr hatte zu warten, so, auch wenn mich die tschechische Bahn viel eigentlich nicht eingeplante Zeit und Nerven gekostet hat, gibt es einige Gründe weswegen ich trotzdem immer wieder gerne mitgereist bin.
Denn was mich an Tschechien jedes Mal wieder aufs Neue fasziniert ist die atemberaubende Natur.
Es ist ein Land der Berge, aber auch eines der Flüsse, der tiefen Wälder und weiten Felder.
Im Sommer laden der Anblick saftiger grüner Wiesen, gespickt mit roten Mohntupfern und bunten Wildblumen, im Sonnenschein glitzernder Flüsse und nicht enden wollender sonnengelber Rapsfelder einen dazu ein, für Stunden an der Fensterscheibe kleben zu bleiben.Im Herbst sind es die bunten Kleider der Mischwälder, der geheimnisvolle Nebel, welcher jeden Morgen aufs Neue die
Berge einhüllt, sie in eine ganz mystische Welt verwandelt und der Raureif welcher sich über alles legt.
Im Winter ist es der Frost welcher Land und Wiesen in ein Märchenland der Eiskristalle und Bäume in Eiskulpturen verwandelt, dicke Schollen auf den Flüssen treiben lässt und manchmal die Welt um einen herum in eine dicke Schneeschicht einpackt. Im Frühling kann man beobachten wie die Berghänge langsam aber sicher immer grüner werden und sich die ersten zarten Blättchen und Blüten aus den Knospen trauen.
Diese geballte Kraft der vier Jahreszeiten kriegt man zu spüren, wenn man mit dem Zug mitten hindurch tuckert, abseits von Städten und Autobahnen.
Die Fahrt war für mich auch immer eine kulturelle Erfahrung, wo ich viel über Land und Leute gelernt habe.
Wie zum Beispiel, das beim berühmten Wegbier hier nicht die kleine 0,5er sondern die 2 Liter Flasche Standard ist.
Die Atmosphäre ist auch ganz anders als in der deutschen Bahn. Es wird viel mehr laut gelacht und geredet und wenn man mal wieder für eine Stunde irgendwo in der Pampa im Zug festhängt, versorgt man sich gegenseitig mit Informationen und atmet auf, wenn es dann endlich weitergeht. Aber vor allem versucht man entspannt zu bleiben, weil es einfach normal ist, dass die Bahn immer Verspätung hat und wieso sollte man sich da noch groß aufregen wenn man sowieso nichts dagegen machen kann.
Wahrscheinlich liegt es an den Preisen und daran dass man dadurch die Bahn häufiger benutzt und sie einem einfach vertrauter ist, dass die Stimmung hier anders ist. In Deutschland ist Bahnfahren irgendwie immer sowas Besonderes, weil es ja teuer ist und dann soll ja bloß niemand gestört werden. In Tschechien sind auch die ICEs ganz normale öffentliche Transportmittel wie jede andere U-Bahn auch, weil es eben sehr viel billiger ist sie zu benutzen. Abgerechnet wird nach Kilometer, die man tatsächlich gefahren ist . Für eine dreistündige ICE-Fahrt wird man grade mal 8€ los. Fahrkarten kann man im Zug beim Schaffner kaufen. Wenn man sie am Schalter kauft, zum selben Preis, sind sie sogar ohne Zugbindung, was bei den ganzen Verspätungen echt eine Erleichterung ist. verpasst man einen Zug, nimmt man einfach den nächsten ohne das Ticket irgendwie groß umbuchen zu müssen.
Durchs Zugfahren wird man hier immer wieder 50 Jahre zurückversetzt, viele der kleineren Züge auf dem Land haben schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel und sehen auch so aus. Beim Zuckeln durch die Landschaft wird man richtig durchgeschüttelt in den abgewetzten Sitzen. Klimaanlagen im Sommer sind da futuristisches Hirngespinst, das nur im Winter Realität wird. In der warmen Zeit klappt man einfach das Fenster runter und lässt sich die frische Luft um die Nase wehen, das ist auch natürlicher als sich bei draußen eigentlichen 30 Grad im Schatten bei gefühlten Kühlschranktemperaturen totzufrieren.
Es gibt nochh in jedem größeren Zug einen Speisewagen, das ein Restaurant beherbergt indem wirklich gekocht und nicht nur aufgewärmt wird. Und man merkt dass die Leute die bei der Bahn arbeiten dies mit Leidenschaft tun.
Und auch wenn die Erfahrungen mal wieder nicht so positiv waren wie ich sie hier beschrieben habe, habe ich daraus immer viele Dinge lernen können, die mich auch in meinem Leben weiterbringen. Wie zum Beispiel geduldiger zu sein, einfach mal zu relaxen und nicht gleich in Panik zu verfallen, da mir das in den Momenten sowieso nichts gebracht hätte.
Am Ende bin ich ja trotzdem irgendwann selbst im winzigsten Dorf angekommen, habe nur weil die Schaffnerin höchstpersönlich einen meiner Koffer zum Schienenersatzverkehr geschleppt hat den Bus bekommen und nur an der richtigen Station aussteigen können, weil mich ein Mitarbeiter noch mal an der falschen Station reingelassen hat obwohl er den Zug eigentlich schon abgepfiffen hatte.
Die České dráhy und ich, das ist eben eine echte Hassliebe.