Wohl bekomm’s!
In Italien isst man Pizza, in Frankreich Eclair, doch was aßen und essen die Leute in Tschechien eigentlich? Mehr als nur Knödel, Gulasch und Wurst, soviel sei verraten.
Die Landwirtschaft und Viehzucht waren der Nährboden, auf dem die tschechische Küche gedeihen konnte. In den Wäldern gab es außerdem Wild; Obst und Gemüse waren dagegen rar. Brot wurde zum Eckpfeiler der altböhmischen Küche. Es wurde mit Käse und Milch gegessen. Weizen, Hirse und Roggen wuchsen auf den Feldern einwandfrei, sodass es viele verschiedene Brotsorten gab. Aus dem Getreide wurde auch Brei gekocht. Fleisch war überdies ein wichtiger Baustein der Ernährung. Primär wurden Schweinefleisch und Rindfleisch verzehrt, doch auch Geflügel und Wild kamen auf den Teller. Gerne wurde auch Wurst in geräucherter, gekochter, gebratener oder roher Form verspeist.
Im sechzehnten Jahrhundert wurde die Esskultur um Speisen aus England, Frankreich, Italien und Spanien ergänzt. Für die Leute damals war das ein großes Novum. Sie wussten nicht, wie mit den neuen Früchten und Gewürzen wie Pfeffer oder Zimt umzugehen ist. Kochbücher halfen, das Einsatzspektrum dieser Zutaten zu erkunden. Ein Jahrhundert später drifteten die Esskulturen immer weiter auseinander. Während die Oberschicht Fasan, Trüffelpastete und Torte aß, ernährte sich die Landbevölkerung vermehrt pflanzlich. Aus dieser Zeit stammt auch der Hefeknödel. Die Tschechen haben ihn ursprünglich von den Tiroler Bauern übernommen. Bis er jedoch zu seiner heutigen Popularität gelangte, war es ein langer Weg. An erster Stelle stand nämlich die Kartoffel. Bis heute wird sie – zum Leidwesen mancher Leute – mit allen möglichen Gerichten kombiniert. Im zwanzigsten Jahrhundert kristallisierte sich langsam die tschechische Küche heraus, wie wir sie heute kennen.
Sie ist recht getreide- und fleischlastig. Schweinebraten (Vepřová pečeně), Lendenbraten (Svíčková ) und Gulasch (Guláš) gehören zu den beliebtesten Speisen. Was neben den typischen Gerichten auffällt, ist die eigenwillige Art der Würzung. Es wird viel Knoblauch und Kümmel eingesetzt. Letzteren findet man quasi überall: im Brot, Kraut, bei den Kartoffeln und in Saucen.
Beachtenswert ist die Bedeutung der Suppe. Sie ist die Standardvorspeise in Kantinen, Restaurants und Hotels. Vor allem Gulaschsuppe (Gulášová polévka), Kartoffelsuppe (Bramboračka) und Knoblauchsuppe (Česnečka) sind typisch. Wie wichtig Suppen für die Tschechen sind, bekam ich zu spüren, als ich mit einer tschechischen Lehrerkollegin darüber sprach, dass manche Schüler keine Suppe aßen. Sie führte das sofort auf ein schlechtes Elternhaus und unzureichende Erziehung zurück. Suppenkasper sind in Tschechien nicht gern gesehen.
Böhmische Knödel (Houskové knedlíky) und Kartoffelknödel (Bramborové knedlíky) sind neben der Kartoffel die gängigsten Beilagen. Da sie alleine recht trocken sind, wird reichlich Sauce dazu gereicht. Es ist aufgrunddessen nicht vonnöten, eine Sauciere voll Sauce zu bestellen. Nicht zu allen Speisen wird jedoch Sauce serviert. Schnitzel (Řizek) bekommt man in der Regel mit Remoulade.
Nudeln sind nicht so verbreitet wie in anderen Ländern. Was hingegen oft zum Einsatz kommt, sind Getreideerzeugnisse wie Graupen oder Buchweizen. Von Gerichten wie Risotto sollte man lieber die Finger lassen. Einmal war ich mit zwei Italienern tschechisches Risotto essen. Mit italienischem Risotto hatte das nicht mehr viel zu tun, was die Italiener verständlicherweise nicht unkommentiert stehen ließen.
Ein Alleinstellungsmerkmal der tschechischen Küche ist die fast vollständige Absenz jeglichen Gemüses. Man kann zwischen Kraut, Kartoffeln und Spinat auswählen. Blattsalat, Paprika und Tomaten findet man dagegen wenn überhaupt, dann als Dekoration am Tellerrand. Salate sind unüblich. Gemüse hat sich in Tschechien einfach noch nicht etabliert. Mit ein Grund, warum die Ernährung als einseitig gilt. Beim Obst ist das Angebot größer. Es wird in Form von Marmelade gerne als Füllung für Knödel oder in Gebäck verwendet. Beliebte Süßspeisen sind Buchteln (Buchty), Kolatschen (Koláče) und Zwetschgenknödel (Knedle).
Eine Sonderrolle kommt dem Karpfen (Kapr) zu. Als Binnenland hat Tschechien nur eingeschränkten Zugang zu Fisch. Karpfen kann man hingegen auch in Teichen großziehen. Traditionell wird er an Weihnachten gegessen. Wer als Kind die Serie „Pan Tau“ angesehen hat, wird sich zudem an den sprechenden Karpfen in der Badewanne erinnern. Im Rahmen eines Wettkampfes an meiner tschechischen Schule konnte sich der Sieger über einen lebenden Karpfen als Preis freuen. Als ich kurz vor Weihnachten in Prag war, standen auf dem Gehweg außerdem ein paar Verkäufer, die lebende Karpfen anboten, sie auf Wunsch aber auch mit einem dumpfen Hammerschlag auf den Kopf töteten. Makaber anzusehen, aber offenbar typisch tschechisch.
Trotz der vielen Veränderungen, die die tschechische Küche durchmachte, ist sie eigenwillig geblieben. Sie unterscheidet sich stark von der deutschen, französischen oder italienischen Küche, und bietet dem gemüsemüden Gaumen die ein oder andere cholesterinreiche Köstlichkeit.
Quellen:
http://www.czech.cz/de/98910-die-geschichte-der-tschechischen-gastronomie
https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6hmische_K%C3%BCche
Zehn Monate Schlemmerei
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