Wochenenden im Wald
Anstatt am Freitag zu überlegen, auf welche Party es am Wochenende gehen soll, leihen wir uns einen Wagen, rufen die Vermieterin eines Waldhauses in sehr wackeligem Estnisch an und erstellen eine Playlist für die Autofahrt. Mit jedem Wochenende, das wir in einer kleinen Hütte im Wald verbringen werden wir geübter im Feuer machen und kommen besser ohne fließendes Wasser aus.
Estland ist übersät mit einfachen aber sehr schönen und gepflegten Hütten im Wald, die man für wenig Geld von der nationalen Forstwirtschaft Organisation (RMK) mieten kann. Diese werden liebevoll in Stand gehalten und von vielen Esten sehr wertgeschätzt. Seitdem die Tage wieder länger, wärmer und heller werden, verbringe ich die Wochenenden am liebsten in einer dieser Waldhütten mit den anderen freiwilligen Lena, Romara, Olivier und Carlos und genieße das einfache Leben.
Dieses Wochenende fiel die Wahl unseres Ausflugsziels auf Saaremaa, eine Insel im baltischen Meer. Es sollte das erste Frühlingswochenende werden und die versprochenen 15° C und Sonne konnten wir kaum glauben. Die Autofahrt verkürzen wir uns damit, zu erraten, wer von uns welches Lied auf die Playlist hinzugefügt hat und so den Musikgeschmack der anderen kennenzulernen. Auf der Fähre überkam uns dann ein richtiges Sommerferien Gefühl. Auf Saaremaa angekommen, verständigten wir uns mithilfe unseren wenigen Sätzen Estnisch mit der Vermieterin des Waldhauses, die uns einen sehr großen und schweren Schlüssel in die Hand drückte und uns zeigte wo wir Holz, Wasser und die Sauna finden. In unserem Haus kann man vom Schlafzimmer, durch die Stube, über den Arbeitsraum voller Spinnräder und Heugabeln bis in den ehemaligen Viehstall durchgehen. Die Kaminfeuer brannten bald und jeder hatte seinen Lieblingsplatz gefunden. Den Rest des Tages wanderten wir bis es dunkel wurde über die Insel und kamen hungrig und müde nach Hause. Während die Sauna warm wurde, haben wir uns ein Abendessen gekocht, das auf einem altmodischen, mit Feuer beheiztem Herd noch besser schmeckte. Wir mussten über uns selbst lachen, als wir versuchten mitten im Wald eine gute Internetverbindung zu bekommen um zu Googlen, mit welchen herkömmlichen Produkten man Spülmittel ersetzen kann. Nachdem wir alle Schwierigkeiten beim Abwasch ohne fließendes Wasser überwunden hatten, war die Sauna endlich warm genug. Statt einer Dusche haben wir uns Eimer mit Wasser in die Sauna genommen um sie aufzuwärmen und uns über den Kopf gekippt. Den nächsten Tag haben wir mit frisch gebackenen Pfannkuchen und Kaffee aus eine alten Kaffeekanne begonnen. Ich haben herausgefunden, dass mir dieses rustikal, romantische Leben in einer kleinen Hütte in der Natur in seiner Einfachheit aber Gemütlichkeit sehr gefällt. Während des Wochenendes konnten wir alle fünf zu Ruhe kommen und jeder seinen Gedanken nachhängen.
All das klingt übertrieben idyllisch, fast schon kitschig. Aber hier ist es eine ganz normale Art und Weise sein Wochenende zu verbringen. Estnische Kinder gehen bereits in den Waldkindergarten und für viele der Esten, die ich kenne, ist es das höchste Glück freie Tage in der Natur zu verbringen und Beeren und Pilze zu sammeln. Durch unsere Wochenenden im Wald habe ich das Gefühl, der estnischen Kultur um einiges näher gekommen zu sein.
Falls jemand vorhaben sollte nach Estland zu kommen und etwas wirklich landesübliches erleben möchte, ist hier der Link zu den Waldhäusern: http://loodusegakoos.ee/booking
Bilder von Lena Pucarevic
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