Wie radikal ist Veganismus?
Veganismus ist wahrscheinlich eine der kontroversesten Ernährungsgewohnheiten: Sobald ich auch nur zufällig erwähne, dass ich mich vegan ernähre, erhalte ich Unmengen an Fachwissen über Mangelkrankheiten, blöde Kommentare oder moralische Argumente. Mit meiner Reportage möchte ich dieses Phänomen reflektieren - Wie radikal ist es, vegan zu leben?
,Nach langen Jahren als Vegetarierin versuche ich nun, vegan zu leben und so meine Ethik und Ansicht zur gesunden Ernährung umzusetzen. Damit versuche ich nicht aktiv, andere Menschen zu überzeugen, trotzdem werde ich in der Regel sehr misstrauisch beäugt. Insbesondere, wenn ich meine „Uni-Blase“ verlasse und in anderen gesellschaftlichen Kreisen unterwegs bin. Dabei ist es wirklich wahnsinnig interessant, dass sich auf einmal wildfremde Menschen um meine Gesundheit sorgen oder um die meiner potentiellen Kinder - Obwohl es niemanden interessieren würde, wenn ich mich ausschließlich von Junk-Food ernähren würde.
An sich bedeutet eine vegane Ernährung zwar nur eine Ernährung ohne tierische Produkte, da sie aber so häufig moralisch und ethisch motiviert ist wird sie von anderen Menschen kritisch gesehen. Veganismus erscheint in Zeiten des uneingeschränkten Massenkonsums fast wie eine Kriegserklärung, zumindest eine Absage an die gesellschaftliche Normalität. Man klingt sich tatsächlich weitestgehend aus: Im Supermarkt kauft man nur sehr wenige, spezielle Produkte ein, bei anderen Menschen zu Gast bringt man sich selber etwas mit oder muss die Gastgeber*in vorher darauf hinweisen und man geht in spezifische Restaurants. Dies löst sich mittlerweile etwas auf, insbesondere in Städten und in bestimmten sozialen Gruppen, da Veganismus immer populärer wird.
Veganismus ist aber mehr als ein Trend: Erst kürzlich wurden Tierrechtsaktivist*innen in Frankreich verurteilt, weil sie 15 Metzgereien in Nordfrankreich verwüsteten und in Brand setzten. Das sind sehr radikale Akte, die beweisen, wie weit manche Menschen für diese Ideale gehen. Ob man diese gewaltvolle Art des Protestes unterstützt oder nicht, der Alarmismus ist verständlich: Denn auch wenn es immer mehr vegetarische oder vegane Produkte gibt, löst dies die großen Probleme wenig: Die Massentierhaltung ist brutaler denn je und wird, mit wachsenden Appetit auf Fleisch immer weiter ausgebaut. Der ökologische Impact von Fleisch und tierischen Produkten schadet massiv dem Klimawandel und der Umwelt. Außerdem verschärft der Konsum von tierischen Erzeugnissen die globale Hungersnot - Schließlich wird der Mais oder das Getreide, welchen unterernährte Menschen auch zu sich nehmen könnten, an die ganze Tierhaltung verfüttert.
Eine sachliche Diskussion ist über das Thema leider häufig nicht möglich: Denn unsere Ernährung ist so sehr mit unseren Traditionen, Wert-Vorstellungen und mit Überzeugen verbunden, dass rationale Argumente selten überzeugen. Dabei wäre es gerade in Anbetracht des drohenden Klimawandels und nicht-erreichbarer Klimaziele unglaublich wichtig, über Veganismus im Alltag zu reden. Ein einziger Veggie-Tag könnte so viele Kilo CO2 einsparen, man könnte auch anfangen, vegane, gesunde Produkte zu subventionieren anstatt der Fleisch-Industrie. Wenn ich diese Aspekte thematisiere, rede ich mich auch häufig in Rage, wahrscheinlich weil dies Themen sind, die mir sehr am Herzen liegen. Für einen konstruktiven Diskurs allerdings ist das weniger nützlich: Das habe ich insbesondere in den Gesprächen gemerkt, die ich mit Kolleg*innen und Freund*innen hier in Südspanien geführt habe. Wie in ganz Spanien ist hier Vegetarismus oder Veganismus wenig verbreitet und dementsprechend gibt es wenig Möglichkeiten für mich, unkompliziert auswärts zu essen. Meine Ernährungsgewohnheit wird hier immer wieder zum Thema und ich suche daher Methoden, diese richtig zu kommunizieren.
Zum Glück bin ich dabei nicht alleine: Gerade junge Menschen in Spanien konsumieren Fleisch immer bewusster, einige (1,5% der Bevölkerung) ernähren sich sogar vegetarisch oder vegan. Gerade die großen spanischen Städte, Madrid, Barcelona aber auch Sevilla haben eine wachsende vegane Szene und innovative neue Restaurants und Cafés. Das Wichtigste ist ein offener Dialog und weniger Dogmatismus auf beiden Seiten, so kann eine „Radikalisierung“ von Veganer*innen vermeiden werden und gleichzeitig effektiv mehr für die ökologischen und moralischen Ziele getan werden!
Quellen und Links:
https://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_politik/article191509891/Krieg-der-Veganer.html
https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/klima-mythen-wer-rad-faehrt-darf-steak-essen-a-1064779.html
https://utopia.de/studie-vegane-ernaehrung-klimaschutz-15078/
Ein kleiner veganer Food-Guide für Barcelona: http://averyveganlife.de/2013/08/vegan-in-barcelona-spanien/ und ganz Spanien: https://www.thenomadicvegan.com/the-ultimate-vegan-guide-to-spain/
Veganismus in Spanien :https://elpais.com/elpais/2019/02/07/inenglish/1549556881_820642.html
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