Wer Punk sein will, muss leiden
Euer Lieblingsgespenst hat in dieser Woche wieder Großstadtluft geschnuppert und sich auf den weiten Weg ins wunderschöne Krakau gemacht!
Einen schönen Montagabend! Hinter mir liegt eine recht ereignisreiche Woche. Mit dem OKiB will ich mich diesmal kurzfassen.
Erwähnenswert sind die einhundertachtzig Teller, ja, ich musste das ausschreiben, die ich am Dienstag aus ihren Pappkartons und von ihren Etiketten befreien und spülen sollte. So kann man einen Tag auch verbringen. Mittwoch war Basia wieder da, worüber ich mich sehr gefreut habe. Die anderen Mitarbeiter sind wirklich nett und ich bin auch in den zwei Wochen mit den Brocken Polnisch, Deutsch und Englisch klargekommen, mit denen wir uns verständigen können, aber auch abgesehen von der Sprache bringt sie sofort gute Laune in das Ganze.
Am Donnerstag stand mein erster Besuch in der Berufsschule in Żary an! Durch Zufall hatte eine Deutschlehrerin mich angesprochen, ob ich nicht mal Lust hätte, als Muttersprachlerin in den Unterricht zu kommen. Auch Lisa hat das letztes Jahr einmal im Monat gemacht und scheinbar hat es gut funktioniert. Ich hatte zunächst ziemlich Respekt vor der Arbeit mit Jugendlichen, Gleichaltrige sind mir dann vor allem in einem Umfeld, in dem sie nicht unbedingt freiwillig ihre Zeit verbringen würden, irgendwie suspekt. Aber schließlich habe ich zugesagt und bin sehr froh darüber! Leider hatte die Lehrerin selbst an diesem Tag keine Zeit, ich bin also drei Stunden mit zu ihrer Vertretung und eine Stunde in den Englischunterricht gegangen. Vorher wurde ich mehrfach gewarnt, dass die Schüler trotz jahrelangen Unterrichts meistens kaum sprechen können, weil im polnischen Schulsystem hauptsächlich Wert auf das Schreiben gelegt wird. Leider hat sich das zumindest im Deutschunterricht bestätigt, wir konnten uns wirklich kaum unterhalten. Etwas leichter war es, als uns die Lehrerin auch erlaubt hat, Englisch zu sprechen, aber selbst da gab es noch Probleme.
Insgesamt ging es hauptsächlich darum, dass ich mich vorstellte und die Schüler mir dann Fragen stellen beziehungsweise sich selbst vorstellen konnten. Teilweise ging es auch um schwierige deutsche Wörter (der Klassiker: "Jetzt sagt mal alle Eichhörnchen") und meine Polnischkenntnisse ("was kannst du denn schon so auf Polnisch?" Keine Ahnung? Soll ich Gemüsearten aufzählen?). Die Schüler waren zumindest interessiert und ein paar lebhaftere waren immer dabei. Zwei der Klassen waren zukünftige Friseure und dementsprechen ausschließlich weiblich und auch bei den anderen waren jeweils nur zwei bis drei Jungs dabei. Da kommen doch die Erinnerungen an meine Mädchenschule zurück! Highlight des Tages war aber der Englischunterricht, was einmal meiner Begeisterung für die englische Sprache, der größeren Bereitschaft der Schüler und vor allem dem Lehrer zuzuschreiben ist. Die erste Aufgabe war, etwas über meinen Heimatort zu erzählen und dabei einige Lügen einzubauen, die die Schüler (oder eher der Lehrer) danach entlarven sollten.
Er hat mir tatsächlich nicht geglaubt, dass wir die Protagonisten sämtlicher deutschlandweiter Witze sind. So ist das Ostfriesenleben. Die Deutschlehrerin war nicht schlecht, aber sie hat den Unterricht hauptsächlich den Schülern und mir überlassen, die alle etwas damit überfordert waren. Hier hatte der Lehrer aber tatsächlich einen Plan für das Ganze, was die Jugendlichen schließlich auch motiviert hat. Und ich durfte eine Stunde lang ganz viel Englisch reden. Herrlich! Nächsten Monat bin ich auf jeden Fall wieder mit dabei. Unsere Zumba-Aktion entwickelt sich so langsam echt zu einem Witz.
Donnerstagnachmittag hatten wir uns extra an der Bushaltestelle mit Kasia verabredet, damit sie uns den Weg zeigen kann. Wir gehen gerade los, da bekomme ich eine SMS von ihr, dass wegen des Sturms, von dem ihr wahrscheinlich auch etwas mitbekommen habt, der Strom in Trzebiel ausgefallen ist und es deshalb nicht stattfindet. Wie sich herausgestellt hat, ist der Strom bis mindestens heute weg. Erfahren habe ich das erst, als ich Freitag schon im OKiB war und die anderen im Dunkeln saßen. Weil auch die Computer natürlich nicht angingen, haben sie mich dann mit dem nächsten Bus wieder nach Hause geschickt. So etwas scheint in Trzebiel wohl öfter vorzukommen, sie schienen es mit mehr Fassung zu tragen als ich. Aber letztendlich kann ich mich über einen freien Tag auch nicht beschweren. Jetzt kommen wir zum eigentlichen Highlight der Woche, meinem Besuch bei Krzysztof in Krakau!
Falls es euch nervt, diesen Namen ständig zu lesen und nicht zu wissen, wie man ihn ausspricht: Kschischtof kommt dem Ganzen schon sehr nahe. Oder bleibt einfach beim deutschen Christoph, das tut der Großteil meiner Familie und Freunde auch. Freitagnachmittag ging es los, natürlich hatte der Zug eine Stunde Verspätung, weshalb ich meinen Bus in Breslau verpasste und natürlich konnte man sein Busticket nach hinten verschieben, es sei denn, man hatte es am Schalter gekauft, was ich natürlich letzte Woche in Breslau gemacht hatte, weil ich das online nicht hinbekommen hatte.
Zum Glück konnte Krzysztof das für mich regeln und hat mir einfach ein neues Ticket gekauft. Nochmal 35 zł, aber was soll man machen? Zwanzig vor zwölf bin ich schließlich müde in Krakau angekommen. Da mussten wir aber noch einer Freundin von ihm bei ihrer Arbeit an der Garderobe eines Clubs einen Besuch abstatten, weil sie am Samstag Geburtstag hatte. Irgendwie witzig, dass ich sie tatsächlich genau um Mitternacht kennenlernte ("Hi, nice to meet you! Is it Happy Birthday already? Happy Birthday!"). Wir unterhielten uns kurz und ich hatte die Möglichkeit, das Schminktalent polnischer Mädchen zu bewundern. Meinen Respekt, wirklich.
Noch ein Abstecher zu McDonalds und Biedronka, der natürlich in Krakau nicht wie bei uns um 21 Uhr schließt, mal wieder gefühlt fünfzig Freunde von Krzysztof auf der Straße getroffen und dann ab nach Hause. Dazu muss man sagen, dass er normalerweise Freitag- und Samstagnacht auf den Straßen im Stadtzentrum arbeitet und Werbung für einen Club verteilt und außerdem ein ausgesprochen kommunikativer Mensch ist. Am Samstag waren wir zunächst faul, haben dann aber in dem Restaurant gegessen, in dem seine Mutter seit einigen Tagen arbeitet. Kostenlose Pierogi, ja Freunde, ich sehe euren Neid. Heute waren wir da übrigens nochmal und ich kann es nur empfehlen. Für den Abend war der eigentliche Anlass meines Besuches geplant, ein Konzert der Band Strachy na Lachy. Sagt euch jetzt natürlich nichts, ist aber in Polen durchaus bekannt.
Hingegangen sind wir mit seinen Freunden, die nachmittags schon auf ein Bier zu ihm kamen. Ich war etwas aufgeregt, weil ich die meisten von ihnen zum ersten Mal traf und wir, nun ja, ziemlich unterschiedlich sind. Einer ist ein waschechter Punk mit beeindruckender Frisur, die anderen sind etwas "normaler", aber ich durfte mir wie befürchtet eine ganze Reihe Naziwitze anhören. Na gut, eigentlich bestanden sie aus Namen und Begriffen des Dritten Reiches, die sie wohl in der Schule gelernt hatten. Aber gut, das ist als Deutsche in Polen eben so.
Ansonsten waren sie wirklich nett und konnten sogar besser Englisch als erwartet. Am besten habe ich mich mit Nikola verstanden, die tatsächlich super Deutsch spricht, obwohl sie das erst seit drei Jahren lernt. Schaut euch das an, Schüler aus Żary! Unsere Freunde waren etwas irritiert von unserer "Geheimsprache", aber hey, so hab ich mich den ganzen Abend gefühlt. Auch abgesehen davon war sie einfach richtig süß und wir sind sofort beste Freundinnen geworden, wie Mädchen das eben so machen. Eigentlich wollten mir die Jungs ein richtiges Punk-Makeover verpassen.
Letztendlich lief es auf ein Deep Purple-Shirt von Krzysztof und ziemlich coolen gepanzerten Stiefeln von seiner Mutter hinaus. Die waren einerseits, wie sich herausstellte, im vorderen Bereich des Publikums, der ein einziges Herumgeschubse war, sehr nützlich. Andererseits war ich ziemlich unfähig, in ihnen zu laufen und hab sofort Blasen an beiden Füßen bekommen, was durch den ziemlich langen Rückweg nicht besser wurde. Das Konzert an sich war einfach toll. Ich hatte vorher schon fleißig die Musik der Band gehört, weshalb ich tatsächlich viele Titel kannte, aber natürlich nicht mitsingen konnte. Die Größe des Ganzen überraschte mich, es fand einfach in einem normalen Club statt und war nicht mal überfüllt. In den vorderen Teil wagte ich mich nur selten, da ging es schon ziemlich wild zu, ich war aber hinten bei Krzysztof und Nikola bestens aufgehoben. Schließlich konnten mich die anderen sogar zum Crowdsurfing überzeugen, was befremdlich war, aber echt Spaß gemacht hat. Danach hat sich die Gruppe langsam aufgelöst, aber nicht bevor auf dem Heimweg noch ein Plakat von einer Wand geklaut wurde.
In diesem Moment sprach das jüngste und mindestens zweitpunkigste Mitglied der Gruppe seine einzigen Worte des ganzen Abends zu mir: "See, this is Poland." Sinn für Humor haben sie also, auch wenn es nicht unbedingt meiner ist. So, ich hab schon viel zu lange geschrieben und es ist fast Mitternacht. Von den Plänen für diese Woche und einem erneuten missglückten Zumbaversuch heute erfahrt ihr beim nächsten Mal. Eine schöne Woche!