Wenn das Neue nichts mehr Neues ist
Nach zwei Monaten- Diverse Gefühle
Wenn die fünf Minuten Busfahrt zur Arbeit schon zu viel sind.
Wenn der Bus am Morgen mal wieder zu früh kommt und ich mit meiner deutschen Pünktlichkeit damit nicht gerechnet habe.
Wenn schon wieder eine Woche vergangen ist.
Wenn die Zeit zu einem der wertvollsten Güter wird.
Wenn mir zwei Monate gleichzeitig lang als auch kurz vorkommen, lang, da ich so viel erlebt habe und kurz, da das Ende des Jahres immer näher rückt.
Wenn ich so müde nach jedem Tag bin, obwohl ich ausreichend schlafe.
Wenn ich mir tausend Sachen vornheme, aber nur zwei davon schaffe.
Wenn meine Motivation schwindet, da ich von anderen in das Tief mitgerissen werde.
Wenn ich versuche, trotzdem die anderen zu motivieren und nur ein schwaches Lächeln als Antwort bekomme.
Wenn die Frage nach dem Grund in meinem Kopf herumschwebt und mich benebelt.
Wenn ich in anderen Momenten die Gründe ganz klar vor meinen Augen sehe.
Wenn ich mich verhaspel in der doch so einfach klingenden Sprache.
Wenn ich das Gefühl habe, mit dem Französisch-Fortschritt auf der Stelle zu treten, obwohl ich Stunden in das Erlernen der Sprache investiere.
Wenn ich ein Wort dreimal nachschlagen muss, da ich es schon wieder vergessen habe (#sauvage).
Wenn mir all die netten Worterklärungen nicht weiterhelfen, da ich die Synonyme auch nicht kenne.
Wenn ich nur still lächle, weil ich keine Worte finde, obwohl ich doch so viel zu sagen habe!
Wenn wir in der WG anfangen, Französisch zu sprechen.
Wenn ich einen 23-Jährigen Tandempartner gefunden habe, nachdem ich es mit einem 70-Jährigem versucht habe.
Wenn ich einige Aktionen begonnen habe und das Resultat bezaubernd ist.
Wenn die Leute nach meinem ersten Theater-Improvisationskurs mit einem großen Strahlen aus dem Raume gehen und die anderen mich regelrecht reservieren wollen für ihren eigenen Kurs.
Wenn die Skepsis auf den Gesichtern der Lehrer immer kleiner wird.
und der Mut in den Augen der Schüler immer größer.
Wenn der Fluss in der Stadt überläuft und man nach einem kurzen Aufenthalt vor der Tür aus allen Ritzen trieft.
Wenn die Toilettentür endlich nicht mehr kahl ist.
Wenn plötzlich unsere zwei Fahrräder aus dem Keller verschwinden.
Wenn die Entscheidung getroffen wird, nur noch einmal in der Woche auf dem Markt einzukaufen.
Wenn zu Halloween das komplette MPT zu einem Mordgeschehen vor hundert Jahren umgestaltet wird und wir dafür wochenlang die Requisiten vorbereiten.
Wenn die alten Damen des Quarties mir bei der nächsten Aktion stolz alle deutschen Schriftstücke zeigen, die sie noch aus alten Zeiten in ihrer Wohnung finden konnten.
Wenn ein Mülleimer mitten auf der Straße angezündet wird.
Wenn drei Autos auf einem Parkplatz in Flammen stehen, deren Besitzer ich persönlich kenne.
Wenn sich die Polizei einen Dreck um die Brandstifter schert.
Wenn die Jugendlichen während eines Rap-Konzertes auf einmal alle aus dem Saal stürmen, weil draußen mal wieder eine Prügelei stattfindet.
Wenn ich keinerlei Sehnsucht nach Deutschland oder den Menschen dort habe.
Wenn ich mich an diesem Platz sowas von richtig fühle.
Wenn ich doch Sehnsucht nach mir selbst habe.
Dann bin ich mitten im turbulenten Alltag, dem zu entfliehen wünschbar wäre.
Wenn das Neue zu Bekanntem wird.
Wenn das Spannende keinen Reiz mehr hat.
Wenn das lang Ersehnte eingetroffen ist und doch nicht 100% zufrieden macht.
Dann liegt es an einem selbst, es zu ändern!
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