We're in the endgame now
Ich melde mich nach fast einem halben Jahr und zurück und erzähle was die Gewissheit, dass mein ESK bald vorbei ist, mit mir macht
Es ist einige Zeit her seitdem ich hier das letzte Mal was geschrieben habe und es ist genug passiert, um 30 Blogeinträge zu füllen.
Als kleiner Auffrischer, was mein Projekt ist: Ich arbeite auf einem Kinderbauernhof am Rande der flämischen Ardennen. Meine Aufgaben sind klassische Bauernhofarbeiten, aber auch Kinderbetreuung, Erstellen von Promomaterial und Mitplanung von Projekten wie einer Crowdfundingkampagne oder die Bewerbungsphase des neuen ESK-Projekts. Sowieso kommt aber noch so ziemlich alles andere, was auf einem Bauernhof eben notwendig sein kann, dass es jemand tut, hinzu.
Um ein wenig zusammenzufassen, was seit Januar passiert ist: Das Hauptgeschehnis war sicherlich, dass ich umziehen musste, da meine frühere Vermieterin einen absoluten Schaden hatte und weder ich, noch mein deutscher Mitbewohner, sich dort noch wohl gefühlt haben. Jetzt lebe ich bei einer Gastfamilie und muss dafür zwar einen noch größeren Umweg zur Farm auf mich nehmen (Ich sitze täglich ungefähr vier Stunden in Bus und Bahn), aber wie der Flame sagen würde: „het valt mee“.
Was mein ESK-Projekt betrifft, bin ich immer noch genau gleich glücklich, wie in den ersten Blogs, aber es ist inzwischen schon so, dass ich so gesehen alle Levels durchgespielt habe. Das soll heißen, ich genieße es zwar immer noch, aber ich habe alles, was in meinem Projekt möglich ist, eigentlich schon gemacht.
Der Lerneffekt vom Beginn ist einfach nicht mehr so präsent, aber vielleicht ist das nach so langer Zeit auch normal. Immerhin bin ich hier schon neun Monate, was mich zum nächsten Punkt bringt: das baldige Ende.
So wirklich vorstellen kann ich es mir noch nicht, aber am 08. September werde ich mit meinem, vermutlich viel zu schwerem, Gepäck zu einer unchristlich frühen Uhrzeit am Bahnhof Gent-Sint-Pieters stehen und meine Reise zurück nach Hause antreten. So sehr ich mich auf die Heimat, meine Familie und die neuen Herausforderungen (Geographiestudium, yeah) auch freue, so unwirklich weit weg ist das alles noch. Ich bin einfach schon viel zu routiniert in meiner Tätigkeit und hab ich mich hier so gut eingelebt, dass es fast schon surreal erscheint, dass das alles nach einem Jahr wieder vorbei sein soll. Auch wenn ich meine Farm auf jeden Fall mindestens ein mal pro Jahr in der Zukunft besuchen möchte, werde ich dieses Jahr so nie wieder rekonstruieren können.
Ich bin mir sehr darüber bewusst, dass mein ESK das ist, was ich in Zukunft, in Erinnerungen schwelgend, als „die gute alte Zeit“ bezeichnen werde. Gerade jetzt wo es dem Ende immer schneller zu geht, probiere ich jeden Tag umso mehr auszunutzen, doch trotzdem kommt manchmal eben dieses Bewusstsein hoch, dass das hier alles leider endlich ist. Zumindest fürs Erste.
Natürlich weiß ich, dass die Zeit nach dem ESK auch toll sein wird. Dass ich auch da neue Freunde finden werde, neue Dinge entdecken, die mich interessieren und beschäftigen und neue Herausforderungen. Dafür sind wir Menschen, das liegt in unserer Natur, anders wär‘s ja auch langweilig. Was aber eben genauso menschlich ist, ist einen guten Moment manchmal nicht ganz auskosten zu können, weil man eben weiß, dass er auch wieder vorbei sein wird. Ich bin momentan im Prozess, indem ich lernen muss, damit umzugehen.
Dass ich aus all den Projekten, die es gibt und von all denen, wo ich mich beworben habe, genau hier gelandet bin, ist wirklich ein einziger Glücksfall.
Ich war früher schon immer gerne in der Natur und habe auch ab und an gerne körperlich gearbeitet, aber im Zweifelsfall habe ich, eine Nacht mit 4L Eistee und sehr vielen Tüten Chips bis in die Morgenstunden am PC durchzuzocken, Genanntem dann doch vorgezogen.
Natürlich nicht wortwörtlich, aber schon so in diesem Sinne, dass ich eigentlich nicht so viel Erfahrung mit Farmarbeit habe, habe ich dann auch in meine Bewerbung geschrieben und war dementsprechend überrascht, als darauf die Antwort meiner Organisation kam, dass man interessiert an meiner Bewerbung sei und ich in der zweiten Runde bin.
Als ich dann letztendlich hier war im September 2018, habe ich schnell gemerkt, dass das genau der richtige Ort für mich ist. Ich habe bei niemandem das Gefühl, nicht auf einer Wellenlänge zu sein. Das Projekt wird getragen durch unfassbar viele, wahnsinnig motivierte Freiwillige, die ganze Wochenenden und Urlaube aufopfern, um bspw. Baumaßnahmen durchzuführen, für die sonst kein Geld da wäre und das Beste ist, ich kann hier unter diesen Leuten genau so sein, wie ich will. Ich muss nie befürchten, dass ein Witz nicht ankommt, dass mich jemand schief anschaut für meine zugegeben vielen Eigenarten oder dass jemand meine Ideen schlechtredet. Ich bin einfach wirklich in ein Becken von Menschen gefallen, mit denen ich problemlos zurecht komme. Und das habe ich so noch nicht erlebt.
Von daher ist es eben auch für mich klar, dass ich hier jedes Jahr zurückkommen will. In den letzten drei Monaten stehen für mich nur noch das Abschließen meines Miniprojekts, der Bau eines Fußballtors aus Holz (auch wenn Belgien gute Fußballer hat, muss jemand denen dringend mal Fußballkultur beibringen - Nur der SCF!) und als abschließendes Großevent das alljährliche Farmfest an, das sein 45. Jubiläum feiert.
Das wird alles vermutlich viel schneller vorbei gehen, als mir lieb ist, aber ich probier einfach es zu genießen. Das Farmfest wird übrigens richtig gut. Es kommen Bands, es gibt für Freiwillige (also auch mich) die ganze Zeit kostenlos Essen und Trinken (ab dem Punkt muss ich eigentlich keine weiteren Vorteile mehr erwähnen) und es wird ein Quiz mit um die 200 Teilnehmer geben, wo ich auch Fragevideos erstellen darf. Dazu noch viel Weiteres von einem Spieldorf für Kinder über Theateraufführungen bis Silent Disco usw.. Und es ist auch der Moment, wo alle nochmal zusammen kommen und somit ein perfekter Abschiedsmoment, denn eine Woche danach bin ich auch schon weg.
Nächste Woche ist mein Geburtstag, dann krieg ich richtig viel Kuchen. Das wird auch gut.