Was alles zur irischen Kultur dazu gehört
"Sind die Iren nicht wunderbar?" Chrissi berichtet von irischer Nationalität und irischen Eingenarten, die sie selber hautnah miterleben durfte.
Sind die Iren nicht wunderbar? Sie sind entspannt, immer freundlich, lassen sich Zeit, hetzen nicht, sehen alles nicht so eng, Alt und Jung gehen gemeinsam in den Pub und was immer wieder auffällt, Jeder kennt Jeden – eine fröhliche und liebevolle Gemeinschaft, in der es noch ein echtes Gemeinschaftsleben gibt, Fremde mit offenen Armen oder zumindest mit freundlichem Lächeln empfangen werden, die Welt noch eine gewisse Ordnung hat und die Menschen eine nationale Identität bewahren.
Die nationale Identität ist jedoch mehr Schein als Sein, denn traditionell sind die Iren eher eine kleinteilige Stammesgesellschaft, die sich von Dorf zu Dorf, sogar von Stadtteil zu Stadtteil mit Misstrauen und Zurückhaltung begegnet.
Das sieht man in meiner Gegend und in Ballybeg, wo ich arbeite. In Ballybeg gehen sich die Northsider und die Southsider aus dem Weg. Sie wollen nichts miteinander zu tun haben.
Irland ist als Nation noch ein sehr junges Land. Seit fast einem Jahrhundert ist Irland nach der britischen Herrschaft unabhängig und scheint noch heute mit einer einheitlichen nationalen Identität zu kämpfen.
Irisch sein ist ein guter Grund sehr stolz zu sein. Stets wird überall hervorgerufen, was die Iren alles in der Welt geleistet haben, ob es nun um den ermordeten US-amerikanischen Präsidenten J.F Kennedy ist oder jener Fernsehsuperstar, der wenigstens eine irische Großmutter nachweisen kann.
Irische Musik, irische Schriftsteller, irische Tänze oder irische Märchen – alle sind ein Teil des nationalen Eigentums.
Dabei sind die Iren englischer als sie es selbst wahrhaben wollen.
Ihre eigene Sprache, das Gälische, wird kaum noch gesprochen. Fast ausgestorben.
In der Schule wird die Sprache den Kindern noch beigebracht. Aber mehr als „Ciamar a tha thu? (gesprochen: Konnesatatu), „Tha gu math“ (gesprochen: tahaguma) oder „Sláinte!“ (gesprochen: slantje), was man in den Pubs lernt, behält sich eh keiner im Kopf.
Nur noch im Westen wird es teils in kleineren urigeren Orten gesprochen.
Mehr als die Hälfte des Lebensstils ist englisch.
Zum Frühstück isst man leidenschaftlich Scones. Vor kurzem dachte ich noch, dass Scones typisch irisch seien, aber das war ein Irrtum, sie sind britisch.
Fish and Chips sind sehr beliebt. Ja, so ziemlich alle Take-away Ketten sind entweder englischen oder amerikanischen Ursprungs.
Und, wenn man abends den Fernseher einschaltet, kommen nach zwei oder drei irischen Hauptsendern, etwa so wie ARD und ZDF, eine enorme Reihe englischer Sender.
In der Männerwelt ist man Fan von Liverpool, ManUnited, Chelsea oder Arsenal, alles englische Fussballclubs.
Allerdings gibt es Ausnahmen.
Irish Stew, eine beliebte Hausmannskost der Iren (sehr lecker), sowie Hurling und Gaelic Football, die irische Version des amerikanischen Footballs, sind ein absolutes Muss in der irischen Gesellschaft. Die Iren hängen mit Leib und Seele an diesen drei alten Traditionen.
Leider sind die zauberhafte irische Musik und der weltweit bekannte Stepptanz der Iren in die Vergangenheit geraten. Nur noch die alte irische Generation wagt es sich mit ihrer Gitarre der alten Melodie zu folgen und beim Tanzen das Bein zu schwingen.
Und dann gibt es noch die Traveller…
Wer das ist? Gute Frage!
Man sieht sie gelegentlich an Straßenrändern kampieren, mehrere Wohnwagen aneinander gereiht, Kinder, Hunde, manchmal noch Pferde drumherum und oft sehr viel Müll.
Es handelt sich um eine Art zigeunerorientierte Lebensgemeinschaft, die Traveller, wie sie politisch korrekt heißen.
Von der sesshaften Bevölkerung werden sie oft auch als Pavee oder Tinker bezeichnet.
Doch es sind durch und durch Iren.
Das fahrende Volk Irlands, deren romantischste Erinnerungen die bunt bemahlten Pferdewagen sind, hatte noch nie ein romantisches Dasein. Die Wagen wurden damals benutzt, um ganz ursprünglich durchs Land zu reisen. Heute werden sie gerne von Touristen gemietet.
Auch die modernen Wohnwagen, die manchmal mit allem Luxus-Pipapo ausgestattet sind oder sich manchmal aber als kleine und feuchte Behausungen erweisen, haben kaum etwas mit Romantik zu tun.
Etwa 22 000 dieser Traveller leben zurzeit in Irland. Schätzungsweise lebt ein Drittel in Wohnwagen am Straßenrand. Aber selbst viele von denen, die mittlerweile in Häusern oder Wohnungen leben, sind längst noch nicht in die irische Gesellschaft integriert.
Sie sind ein Menschenschlag für sich, der nicht zu integrieren zu sein scheint.
Ein Großteil der Iren hat viele Vorurteile gegen sie. Leider werden diese auch oft bestätigt.
Wenn sich die Travellerfamilien einmal versammeln, wie z.B. bei Hochzeiten und Beerdigungen, dann endet es oft mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Traveller-Clans. In Waterford wurde sogar letzten Jahres ein Mädchen dabei versehentlich angeschossen. Dort, wo Traveller wohnen, ist oft auch nicht weit die Polizei entfernt. In Ballybeg ist die Travellergemeinde sehr groß. Ab und zu fahren Polizisten deshalb Streife.
Generell haben die Männer und Frauen dieser soziokulturellen Gruppe eine leicht aggressive Haltung. Die Atmosphäre ist meist misstrauisch bis feindselig.
Wann und wie die Travellerkultur entstanden ist, weiß ich nicht. Es liegt nahe, dass sie ihren Lebensunterhalt damals durchs Reisen verdienten. Heute, nachdem sich die Meisten dieser Gemeinde angesiedelt haben, handeln viele mit Altmetall, Trödel oder Antiquitäten. Oft ist auch der Schwarzmarkt im Spiel.
In der Travellergemeinschaft ist nichts wichtiger als die Familie. Die Frauen werden sehr jung verheiratet. Noch unverheiratet und im Kindesalter, sind die jungen Mädchen sehr aufreizend gekleidet und geschminkt. Ich habe sogar 10 jährige Mädchen getroffen, die noch mehr geschminkt waren, als wenn meine Wenigkeit aufgestylt in die Disko geht. Die Geschlechterrolle hinkt sehr der Vergangenheit her: die Frau kümmert sich um den Haushalt und die Kinder und der Mann geht arbeiten.
Wird sich das schlechte Verhältnis zwischen den sesshaften Iren und den Travellern jemals ändern?
Ein Großteil der Traveller möchte sicherlich ein friedliches Leben mit den Iren führen, ohne dabei eigene Traditionen aufgeben zu müssen.
Die irische Gemeinde hingegen misstraut der gesamten Traveller-Gemeinde, aufgrund schlechter Erlebnisse und möchte diesen auch weiterhin aus dem Weg gehen.
Eine Brücke, die die Kulturen miteinander verbindet, ist immer noch weit entfernt.
In einem meiner Bücher habe ich vor kurzem eine Alterspyramide der Traveller entdeckt, wovon Rentenversicherungen nur träumen können.
„Von den rund 22 000 Travellern sind nur gut 700 über 65 Jahre, dagegen knapp 10 000 unter 14 Jahren“. Das ist doch Wahnsinn. Die katholische Kirche lässt grüßen!
Das Reisen für die Traveller ist in der heutigen Zeit schwieriger geworden. Frei campen ist verboten und so stellen sie ihren Wohnwagen dorthin, wo noch Platz ist. Meistens ohne fließend Wasser oder ohne sanitäre Einrichtungen vor Ort.
In vielen Städten wurden extra Siedlungen für die Traveller eingerichtet. Meistens sind diese Siedlungen oft verlassene und verkommene Gegenden.
Zwei unterschiedliche irische Kulturen prallen aufeinander und kommen trotz gelegentlicher beiderseitiger Bemühungen nicht zueinander.
Liebe Grüße an Alle!
Christina
Ps. Was ich noch unbedingt erwähnen wollte, geht alle am 7. Juni wählen! Die Europawahl betrifft euern Alltag! Jede Stimme zählt und jeder kann etwas bewirken!
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