Warum denn Polen?
Warum denn eigentlich nicht? Polen zeigt uns am Ende mehr, als wir vermuten.
Diese Frage wurde mir in den letzten Monaten schon ein Dutzend Mal gestellt. Beim ersten Mal, viel mir die Antwort leicht: Ich bin halb Polin wurde aber nie zweisprachig erzogen und das Projekt hat mich sofort angesprochen. Aber je häufiger diese Frage gestellt wurde, desto mehr wurde mir bewusst, dass es den Menschen nicht um den Ort ging, sondern vielmehr wollten sie einfach nur wissen:
„Warum denn ausgerechnet dieses gottverdammte Land Polen, während es so viele schönere Länder gibt und dazu noch welche die weiter entfernt sind anstatt direkt nebenan? “
Das stand diesen Menschen ins Gesicht geschrieben und irgendwann kam bei mir dann das Bedürfnis auf zu fragen: Ja warum denn eigentlich nicht Polen? Was hast du denn dagegen?
Mir fiel mit der Zeit auf, dass das Denken der Menschen über Polen immer noch von den Bildern der Nachkriegszeit geprägt ist. Polen das Land, welches zwischen zwei Fronten lag, den meisten Verlust erlitt und nach dem Krieg in Armut wortwörtlich versank.
Auch während meiner Schulzeit war der Gedanke nach Polen zu fahren für meine meisten Mitschüler undenkbar langweilig. Eine Klasse begab sich dennoch auf die Reise, was mit einem unsäglichen Gejammer einher ging. Wären diese Schüler nach Russland gereist, sähe die Reaktion vielleicht schon ganz anders aus. Aber vielleicht irre ich mich auch.
Dennoch viele Menschen untergraben den Aufstieg den Polen in den letzten Jahren hinbekommen hat. Die Restaurierungen in vielen Städten und den stetigen Aufbau. Und viele untergraben auch die Notwendigkeit der Ruinen und zerstörten Häuser. Was wenn nicht Polen zeigt, was Krieg in einem Land ausrichten kann? Was es für eine Wirtschaft bedeutet? Und für die Menschen, die in diesem Land leben?
Selbst unser ehemaliger Bundespräsident, Richard von Weizäcker, erklärte in seiner berühmten Rede vom 08. Mai 1985, dass „wir die Kraft [haben], der Wahrheit so gut wir es können ins Auge zu sehen, ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit“.
Er appellierte dabei vor allem an die Jugend: „Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten.“
Aber genau das haben wir aus den Augen verloren. Wir möchten uns nicht erinnern, wir möchten uns nicht ändern und ganz sicher möchten wir nicht über Dinge nachdenken, die uns nicht mehr betreffen. Und man kann es uns auch nicht vorhalten, oder? Was geschehen ist, ist geschehen, heißt es doch so schön? Aber das Leben ist nicht dazu da um sich zurückzulehnen.
Verständlicherweise sieht man also mehr denn je, den Aufstieg von Faschisten, Terroristen und Rechtsradikalen. Es wirkt so, als könnten wir das Innere in uns nicht bekämpfen, das Monster bricht immer wieder aus uns hervor und doch hofft man innigst, dass es mehr Gute Menschen als Schlechte gibt, mehr Menschen, die Harmonie suchen, mehr Menschen, die gegen das menschliche Paradoxon kämpfen.
Am Ende haben wir alle etwas Gutes und Böses in uns, aber es kommt darauf an, was wir daraus machen und wie wir uns von anderen unterscheiden nicht was wir mit ihnen gemein haben.
Also ja, ich fahre nach Polen.
Warum?
Darum.
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