Von Mühlen, Gottesdiensten und Orchesterproben
Ich habe in der letzten Woche so viel erlebt, dass ich darüber vermutlich ein ganzes Buch darüber schreiben könnte- hier ist nun der Versuch die wichtigsten Ereignisse kurz zusammenzufassen. Achtung- es sind trotzdem mehr als 1500 Wörter geworden ;)
Der größte Fortschritt in der letzten Woche begann am Donnerstag mit einem ganz normalen Gespräch mit einer meiner Kolleginnen. Sie fragte mich, wie ich denn die Arbeitszeiten finde. Ich meinte, dass es mit den Arbeitszeiten etwas schwierig sei, einen Verein zu finden. Daraufhin fragte sie mich, ob ich denn auf der Suche nach etwas wäre und ich meinte ja. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt vielleicht zu einem Schwimmclub zu gehen und dort zu trainieren.
So wirklich konzentriert konnte man meine Suche aber nicht nennen und ich war selbst ein bisschen überrascht über meine Antwort. Aber gesagt war gesagt und so nahm ich auf dem Rückweg mein Smartphone in die Hand und googelte alle möglichen Schwimmvereine, die die Region so zu bieten hat- aber Fehlanzeige. Die Trainingszeiten waren alle unerreichbar für mich. Doch dann kam mir der Gedanke, dass ich ja gar nicht unbedingt Sport machen muss (das tue ich ja sowieso jeden Morgen), sondern dass ich auch in ein Orchester gehen könnte- wozu spielt man schon Klarinette? Und siehe da: meine Suche ergab in Lunteren (!) ein Blasorchester, das am Donnerstag mitten im Zentrum von Lunteren keine drei Gehminuten von mir entfernt probt.
Da es zufällig Donnerstag war, entschied ich spontan vorbeizuschauen und zu fragen ob ich mit meiner Klarinette mitspielen darf. Mein Durchforsten der Website hatte bis dahin lediglich ergeben, dass Blechbläser, Schlagzeug und Saxophone in diesem Orchester mitspielten. Vor dem Probenraum blieb ich dann einige Minuten stehen und genoss den Sound des zu der Zeit probenden Jugendorchester und merkte, dass ich das Spielen in einem Orchester echt vermisse. Nach ca. 5 Minuten tauchte dann ein Herr mittleren Alters zum Rauchen in einer der Türen auf. Nach kurzem Zögern überwand ich mich ihn einfach auf das Orchester anzusprechen (einfach drauflosreden ist immer noch nicht wirklich meine Stärke im Niederländischen). Er war super nett, musste mir aber sagen, dass Klarinetten nicht in dem Orchester mitspielen dürfen. Ich unterhielt mich noch mit ihm warum ich hier bin und was ich so mache und er erzählte mir, dass es in Ede und Barneveld auch Orchester gäbe und das ich da ja mal vorbeischauen könnte.
Ich war zwar ein bisschen enttäuscht darüber, dass diese anscheinend perfekte Lösung doch nicht funktionierte, gab mich aber nicht geschlagen. Ich googelte Orchester in Ede und fand sogar zwei Blasorchester, denen ich beiden schrieb, ob ich vorbeischauen dürfe. Die Übungszeiten lagen auf wundersame Weise beide in einem für mich machbaren Rahmen und an unterschiedlichen Tagen. Beide Orchester antworteten mir und luden mich ein mitzuspielen. Das Harmonieorkest meinte ich könne bereits am nächsten Montag kommen, bei dem Ede orkest muss ich mich noch bis zum 10. November gedulden- aber ich war wahnsinnig froh über diese Entwicklung. So konnte das Wochenende starten. Der Freitag war dann ziemlich langweilig- der language course ist für mich viel zu leicht und unser Lehrer legt leider auch keine allzu große Motivation an den Tag. Den Nachmittag verbrachte ich damit, ein paar Aufgaben auf meiner To-do Liste abzuhaken, inklusive meiner Bewerbung bei der Uni Utrecht. Abends schaute ich dann einen belgischen Krimi auf Flämisch mit Niederländischen Untertiteln. Das ist von den Sprachähnlichkeiten ungefähr so, als würde man einen bayrischen Film mit deutschen Untertiteln bringen- also echt komisch.
Samstag entschlossen Nathalie und ich uns kurzfristig nach Haarlem in der Nähe von Amsterdam zu fahren. Das Wetter war ziemlich bescheiden, aber wir haben ja das Zugticket und wir hatten Zeit, also fuhren wir trotzdem los. Haarlem ist eine schöne niederländische Stadt- an sich nicht wirklich besonders, bis auf die vielen superniedlichen Cafes, Restaurants und Shops. Außerdem soll es wohl in der Kirche eine wunderschöne Orgel geben, aber wir entschieden uns lieber eine Mühle zu besichtigen. Und das war eine ziemlich gute Entscheidung- wir hatten eine fast Privatführung zusammen mit einem Pärchen aus Freiburg. Ich hätte die Führung ja gerne auf Niederländisch gehabt, aber die Freiburger bevorzugten deutsch und Nathalie war auch ganz froh darüber. So erzählte uns unser Führer ca. eine Stunde in beinahe perfektem Deutsch (mit lustigem Akzent) über die Bedeutung der Stellung der Flügel, die unterschiedlichen Mühlenarten, die Geschichte dieser Mühle und vieles mehr. Es war wahnsinnig informativ und am Schluss konnten wir noch sehen, wie der Müller die Stoffbahnen von den Flügeln holte und sie so fertig für die Nacht machte. Der Himmel klarte zum Schluss auch noch etwas auf, so dass wir einen schönen Blick über Haarlem von der Mühle aus genießen konnten. Zurück in Lunteren startete ich dann zusammen mit Katia(Griechenland) und David(Deutschland) einen spontanen Filmeabend. Im Nachhinein kann ich sagen, dass die Kombination Inception und The Truman Show doch etwas gewöhnungsbedürftig ist, weil ich bei der Truman Show ständig das Gefühl hatte, alles wäre nur ein Traum. Gegen halb zwei Uhr morgens waren wir dann fertig und mir war klar, dass ich das ganze am nächsten Morgen sicherlich bereuen würde. Dort hatte ich nämlich mit Katia verabredeten nach Utrecht zu fahren. Sie wollte erst in einen griechisch-orthodoxen Gottesdienst gehen und ich schloss mich ihr an, um danach dann gemeinsam durch Utrecht zu bummeln.
Um sieben Uhr stand ich also schlaftrunken auf, nahm um acht die Bahn und befand mich um halb zehn zum ersten Mal in meinem Leben in einem griechisch-orthodoxen Gottesdienst. Für jemanden, der vor seinem Freiwilligendienst noch nie in einem Gottesdienst gewesen ist, bin ich nun schon fast Stammgast in irgendwelche Kirchen. Der Gottesdienst in Utrecht war aber vollkommen anders als alles, was ich vorher gesehen hatte. Erstens kann jeder kommen wann er möchte- die Kirche war als wir kamen mit ganzen 6 Leuten gefüllt, zum Schluss waren es über vierzig. Dann gibt es einen ganz eigenartigen Singsang auf Altgriechisch, der fast die ganze Zeit über erschallt. Jeder steht auf wenn er Lust dazu hat und jeder bekreuzigt sich wenn er Lust dazu hat- insgesamt aber ca. alle 5 Minuten. Für mich, die ich weder alt- noch neu griechisch spreche und in dem Singsang auch bei den niederländischen Stellen nur wenige Worte ausmachen konnte war das ganze doch ein wenig ermüdend. Belastend trug dazu bei, dass die Kirche einigermaßen warm und relativ dunkel war und ich wie bereits erwähnt gerade einmal fünf Stunden geschlafen hatte. Nach mehr als zwei Stunden Gottesdienst war ich doch ganz froh das Sonnenlicht wieder zu erblicken. Der Unterschied von der Kirche zu draußen war im wahrsten Sinne des Wortes wie Tag und Nacht- die Sonne schien und es war kein Wölkchen am Himmel zu sehen.
Wir nutzten also das gute Wetter und setzten uns in ein Cafe und unterhielten uns über die Arbeit und was uns gerade so beschäftigt. Danach spaziertem wir durch Utrecht und bei dem Domtoren (der höchste Turm Utrechts) konnten wir uns nicht bremsen und kauften Tickets für den Turmaufgang um halb vier. Bis dahin hatten wir noch gute zwei Stunden Zeit und die verbrachten wir an einer Gracht entlangwandernd, die um das historische Stadtzentrum von Utrecht führt. Die Aussicht von dem Turm war wunderschön. Am Rande Utrechts konnte ich die medizinische Fakultät der Uni samt Krankenhaus ausmachen. Die Stadt Utrecht scheint mir tatsächlich wunderschön zum Studieren zu sein - es gibt tolle Cafes und Restaurants und natürliche die Oudegracht, an der man seien Füße ins Wasser baumeln lassen kann, wenn es die Temperaturen zulassen. Nach der Turmbesteigung entschieden wir uns nach Hause zu fahren, denn ich war von dem wenigen Schaf und der vielen frischen Luft doch ein bisschen geschlaucht. Außerdem wollte ich noch für Montag ein bisschen Klarinette üben. Dies tat ich dann auch und fühlte mich ganz gut vorbereitet für den folgenden Tag. Dort kreisten meine Gedanken auf Arbeit die ganze Zeit nur um die folgende Orchesterprobe.
Um sechs Uhr verließ ich den Hartenkoning sechs und machte mich auf den Weg. Bis Ede-Wageningen fuhr ich wie gewöhnlich mit der Bahn und dann lief ich drei Kilometer zu dem Haus des Orchesters. Dort wurde ich total lieb empfangen und die Sekretärin zeigte mir wo ich auspacken konnte und erklärte mir wie die Probe ablaufen würde. Ich war ziemlich überrascht, dass auch sehr viele junge Menschen mitspielten. Meine Sitznachbarin an der zweiten Klarinette heißt Maureen(wie passend) und studiert Logopädie in Nijmegen. Aber auch alle andern waren total nett und fragte was ich machen würde, warum ich da bin und lobten mein Niederländisch. Dann begann die Probe und ich versuchte so gut wie möglich zu folgen. Die Stücke sind sehr viel schwerer als das, was ich vom SOS gewöhnt bin, aber ich wusste immerhin wo wir waren und setzte bei zu schweren Stellen kurz aus und dann wieder ein.( Schummeln kann ich Herr Meißner ;)) Nach ein paar Minuten spielen hatte ich dann auch kapiert, dass maat Takt heißt und ein b gleich dem deutschen h ist und bes ein b. Insgesamt schlug ich mich glaube ich ganz passabel und ich versprach wiederzukommen. Außerdem bekam ich alle Noten (so ca. 25 Seiten) um beim nächsten Mal komplett mitspielen zu können. Maureen brachte mich dann noch zum Bahnhof. Ich fuhr total erschöpft nach Hause, war aber überglücklich ein Orchester gefunden zu haben.
Heute(Freitag) habe ich mich einmal an die Stücke gesetzt und Klarinette geübt und bin inzwischen zwar einigermaßen verzweifelt, wie ich das jemals beherrschen soll, aber trotzdem fest entschlossen nicht aufzugeben. Mal schauen wie die nächste Probe wird.
Das soll es dann auch wieder von den Entwicklungen der letzten Woche gewesen sein- irgendwie kann ich mich immer nicht mehr stoppen, wenn ich einmal angefangen habe zu schreiben ^^.
Liebe Grüße
Mareen
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