Von einer Knochenkapelle und anderen Kuriositäten.
Wer immer zu Hause sitzt und wartet, dass das Leben mit all seinen Seltsamkeiten von selbst zu einem kommt, kann lange warten. Daher: hinausgehen, Menschen treffen und etwas erleben! Langweilig wird es nur, wenn du die Langeweile zulässt!
Letztes Wochenende war es einmal wieder so weit. Mein geliebtes Prag rief mich. So brach ich am Samstagmorgen, da Karfreitag hier, in dem „konfessionslosten“ Land Europas, kein Feiertag ist, mit Johanna, einer deutschen Freiwilligen aus Breslau, auf.
Eine Stunde von Prag entfernt legten wir einen Zwischenstopp in Kutná Hora ein. Hier liegt eine der touristischen Hauptattraktionen des Prager Umlands: das Beinhaus Sedlec. Diese kleine Friedhofskapelle beherbergt 40.000 Skelette. Nein, nich etwa unter der Friedhofserde verscharrt, sondern als Wanddekoration, als Kronleuchter und als Wappen der Familie Schwarzenberg verarbeitet und im Inneren der Kapelle präsentiert. Obwohl diese Tatsache eher Würgreiz auslösen sollte, war es für mich seltsamerweise kein Problem, mich recht emotionslos umzuschauen. Um es salopp zu sagen: mit dem bloßen Auge kann ja auch kein Unterschied zwischen diesen Knochen und denen, in der Geisterbahn des Europaparks, festgestellt werden. Und der Umstand, dass sich eigentlich 40.000 tote Menschen um einen befinden, hinter denen alle eine persönliche Lebensgeschichte liegt, ist absurd. Das ging über mein Vorstellungsvermögen. Für mich, unvorstellbar!
Um die Eigenartigkeit dieses Ortes zu verstärken, trafen wir auf ein amerikanisches Paar (so wie es im Buche steht). Bevor es überhaupt zu ihrem Hauptanliegen, nach dem Weg zur Kapelle zu fragen, kam, stellte sich die Frau erst einmal vor: „Hey, I'm Jozie. We are spending our honeymoon here in the Czech Republic. But actually just because there's a great hospital in Brno, where our embryo is waiting for us. Jack has alreday done his part and in two days it will be finally my turn.“ … aha …
Abends trafen wir dann endlich in unserem Hostel in Prag ein und wurden lautstark von unseren singenden und herumtanzenden Mitbewohnern aus Isreal begrüßt. Später gesellten sich dann noch ein Finne, der uns versuchte, über seine Mafia-Geschäfte aufzuklären, und zwei Engländer hinzu, deren Aussprache uns aufgrund ihres „Geordie“-Dialektes stark an das „österreichische Deutsch“ erinnerte. Mit dieser Besatzung verbrachten wir zwei sehr witzige Abende und tagsüber schlenderten wir über den Frühlingsmarkt (Ja! Julia, Lisa, Miri & Wiwi! Den, den wir bereits letztes Jahr besuchten!), bestiegen den Laurenziberg, von dem aus man einen wunderschönen Blick auf die Prager Altstadt hat, und kämpften gegen die Zeitumstellung, die unseren Schlafrhythmus irgendwie total durcheinander brachte.
Fazit: Wer immer zu Hause sitzt und wartet, dass das Leben mit all seinen Seltsamkeiten von selbst zu einem kommt, kann lange warten. Daher: hinausgehen, Menschen treffen und etwas erleben! Langweilig wird es nur, wenn du die Langeweile zulässt!
So, und jetzt bin ich wieder daheim in Třinec. Habe inzwischen eine 15minütige, TSCHECHISCHE Osterpräsentation gehalten, war auf einem unglaublich guten Konzert, auf dem eine tschechische Jazz-Band auftrat, bin mit Coline meiner Lieblingsbeschäftigung des „Kaffee&Kuchen“ nachgegangen (ein neuer (ja, ich habe dieses Wort gegoogelt) Germanismus in Colines französischem Wortschatz) und habe das 149cm-Stück des Maßbandes abgeschnitten, das ich bei meiner Verabschiedungsparty geschenkt bekommen habe. Das bedeutet, dass heute bereits der 148. letzte Tag vor meiner Abreise ist. Irgendwie beängstigend, wie schnell die Zeit vergeht. Eine meiner Omas, Paní Javorková, traf den Nagel auf den Kopf: „Čas je tak rychlý jako kůň!“
= Die Zeit ist so schnell wie ein Pferd!
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