Von echten Bretonen und Warmblütern
So war der Sommer auf Jomfruland
Um euch ganz auf dem Laufenden zu halten: Es wurde nur Hamar und leider nichts aus Bergen, aber der Regen hatte nicht nur das regengewöhnte Bergen, sondern ganz Norwegen fest im Griff. Also haben wir uns entschieden, das Wochenende nur bei Oma Kari in Hamar zu verbringen, die es im Ischiasnerv hatte, und ihr Gesellschaft geleistet. Aber hauptsächlich hatte sie ja Geburtstag, ihren 78.! Wir, das waren Karianne, Marit, Timo und ich. Bjørn hatte ein Partywochenende vor sich mit Klassenfest und allem drum und dran.
Das Wetter war in Hamar wie gesagt auch nicht gerade das beste, aber es reichte für einen Besuch auf dem Flohmarkt einer Steinarskole (so etwas wie eine Waldorfschule) und des Kirsten-Flagstad-Museums in Hamar, einer wohl weltbekannten norwegischen Wagnerinterpretin, von der ich zuvor noch nie etwas gehört hatte, meine Oma Gudrun dagegen ganz sicher - na ja, damit war dann auch diese Kultur- bzw. Wissenslücke gefüllt.
Die darauf folgende Woche wurde sehr kurz aufgrund des Christi Himmelfahrttages. In Norwegen ist es üblich, dass daraus ein langes Wochenende wird, und dies nicht nur für die Schulkinder, sondern für die gesamte arbeitende Bevölkerung. Eine Ausnahme bildet hier wie immer natürlich mein Chef Per Nymoen.
Ich nahm das Wochenende auch als ein solches war und begab mich mit Bjørn und Karianne nach Jomfruland, einer Insel südlich von Oslo vor Kragerø. Marit hatte eigentlich vor, nach Nissedal zu einer Bekannten zu fahren, aber ihr Ehrgeiz in Sachen Terrasse-Instandsetzen siegte, sodass sie sich ruhmreich das ganze Wochenende zu Hause betätigte.
Wir drei machten uns also ohne Marit und auch ohne Timo nach Valle auf, wo die Fähre nach Jomfruland ablegt. Timo steht nämlich auf Kriegsfuß mit dem Tilou, dem Hund von Bjørns Freund Tom-Øystein, der mit Familie ebenfalls am selben Tag anreiste. Jetzt muss ich überhaupt erst einmal den Inselnamen übersetzen: Jomfruland bedeutet soviel wie Jungfrauland. Ob das an den Nonnen liegt, die hier vor Hunderten von Jahren ein Kloster hatten, ist nicht geklärt. Bjørns Familie besitzt dort jedenfalls eine Hütte bzw. ein kleines Häuschen, die auf der Ostseite der Insel, also auf der zum Meer offenen Seite liegt, an der Stelle, wo "Saltstein" (Salzstein) liegt (die dort vorgelagerten Felsen wurden früher zur Salzgewinnung genutzt).
Nach Jomfruland gelangt man jedenfalls nur mit dem sogenannten taxibåt oder skyssbåt, ein max. 12 Personen fassendes Boot, mit Gepäckplatz. Schon der Abfahrtssteg für die Fähre lag in einer Landschaft ähnlich den schwedischen Schärengebieten. Das Boot bahnte sich dann seinen Weg durch laute große und kleine Inseln, viele hätten einem guten Bouldergebiet alle Ehre gemacht. Jomfruland liegt ja nun ganz außen, ist ca. 7,5km lange und max. 1,1km breit. Die Insel kennt man vor allem aufgrund der Vogelstation, ich war später auch auf solch einem Vogelbeobachtungsturm.
Vom Fähranleger auf der Westseite der Insel mit Sandstrand mussten wir dann noch ca. 20 Minuten zur Hütte laufen, schwer beladen mit Essbeuteln. Die Ostküste ist gänzlich Stein"strand", aber man kann dort trotzdem gut baden, wenn man weiß, wo. Karianne und ich ergriffen gleich die Chance und badeten im "badekar" (Badewanne) und ich muss schon sagen, im Wasser zeigt sich immer, was ein echter Bretone ist: Bjørn nahm ja auch immer täglich sein Morgenbad, aber das, was er als Bad bezeichnete, war eine Runde à 5m und zurück! Tja, und so war ich dann die Einzige, die nach 20min im Wasser immer noch versuchte, jemanden zum Baden zu überzeugen. Laut Bjørns Definition gehöre ich wohl den Warmblütern an, aha!
Karianne und ich bezogen dann zusammen mit Tom-Øysteins Töchtern Caroline, Maud und Alice den Schlafsaal im Obergeschoß, in dem sich auch noch ein Schlafzimmer für 2 befand, genau wie im Erdgeschoß. Dann gab es in einem kleinen Anbau noch mal 2 Schlafplätze. Die Mutter der 3 Mädels ist Christine, eine nach Norwegen eingewanderte Normannin (also aus der Normandie), aber von den Kindern kann eigentlich nur Caroline so richtig Französisch sprechen und ich bin auch nicht so richtig zum Sprechen gekommen, war schade. Kontakt zu den Mädels war auch schwer, weil vor allem die zwei ältesten sich immer im Haus verkrochen, wenn draußen die Sonne schien, vor ihren Computern saßen, Musik hörten oder schliefen. Das kann ich auch zu Hause machen, aber nicht, wenn ich direkt am Meer wohne und das Wetter sich so traumhaft zeigt.
Nun ja, am nächsten Tag stießen am Nachmittag noch Bjørns Freund (und wie Tom-Øystein auch Arbeitskollege von ihm) Marc samt Frau Helen und den Kindern Carmen (5) und Caspar (3) dazu. Der Tag war bis dahin sehr entspannt, um nicht zu sagen, träg, verlaufen. Baden, lesen, einfach nur draußen sitzen, am Meer, auf dem Trampolin springen (denn es gab auch ein in Norwegen oft zu sehendes großes, breites um nicht zu sagen haußwaldsches Trampolin). Nach dem Abendbrot unternahmen Bjørn, Karianne und ich noch eine Wanderung zum Vogelbeobachtungsturm an der Nordspitze der Insel, über das "Kuhfladenstadion", einer Wiese, die man vor lauter Fladen fast nicht betreten kann, etwas überspitzt gesagt.
Der Samstag war wie schon die Tage zuvor mit viel Sonne ausgestattet, aber mir war es leider nicht mehr möglich, zu baden, was mir sehr leid tat, tags zuvor hatte ich immerhin 3 Mal gebadet! Alle, außer den 2 Mädels, machten sich auf zu einer kleinen Wanderung, hier und da gab es kleine Ausstellungen und Bjørn, Karianne und ich stiegen auch auf den alten Leuchtturm, der seit dem Bau des neuen nicht mehr in Betrieb ist. Der Rest vergnügte sich am Sandstrand, während wir noch zum nahe gelegenen Teich Tårntjern (Turmteich) flanierten und von dort wieder zurück. Für meine Tour zur Inselsüdspitze konnte ich leider keine Anhänger finden, dabei wären es nur max. 5km gewesen.
Der Sonntag glich sich schon eher den bretonischen Verhältnissen an, graue Wolken, stürmischer Wind und eine schäumende See! Bjørn musste lange nach einem geeigneten Badeplatz suchen, denn der Sturm hatte auch ungebetene Gäste wie Feuerquallen in Richtung Strand gespült und auch in die "Badewanne". Ungewöhnlich früh, meinte Bjørn, die Quallen wären dann den ganzen Sommer über da.
Die norwegischen Franzosen machten sich dann auch schon ziemlich früh auf den Nachhauseweg, während wir mit Marc und Anhang den Tag gemütlich angingen. Marc hat auch eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich, der Vater aus dem Iran, die Mutter Türkin. Geboren ist er in Teheran, beherrscht gerade so etwas Farsi und Türkisch, wohnte dann 2 Jahre in Frankreich (spricht daher sehr gut Französisch) mit der Familie und zog schließlich nach Norwegen, wo er seit fast 20 Jahren lebt. Für ihn ist die Frage nach der Heimat nicht so einfach zu beantworten wie für mich.
Wir haben dann noch gemeinsam Lunsj gegessen, der mehr an ein deutsches Mittagessen erinnerte, die Hütte aufgeräumt und sind dann gefahren. Zum Glück standen wir nicht allzu lange im Stau zurück, es ging nur teilweise recht schleppend, stand aber nie still. Letzteres hatten wir auf der Hinfahrt erlebt, als es einen Unfall im Tunnel gab, es stand alles vollkommen still, aber als es dann wieder rollte, war von dem Unfall merkwürdigerweise nichts mehr zu sehen, vielleicht haben sie erst alles blitzblank geputzt, bevor sie die Fahrbahn wieder freigegeben haben. Und das war die "Autobahn"...
Am Montag war ich schon wieder auf Arbeit und heute müssen Per und ich uns an die Fertigstellung des Youthpasses machen, einem Zertifikat für alle Freiwilligen des Europäischen Freiwilligendienstes. Danach bin ich bei meiner Freundin und Kollegin Else-Marthe Sørlie Lybekk (spielte mal beim HC Leipzig und in der norwegischen Handballnationalmannschaft) zum Essen eingeladen.
Und am Donnerstag lautet dann das Motto: Alle Wege führen nach Rom, zu meiner lieben Freundin Pattl!
Bis denne, ken bremaik,
eure Henni