Vom finnischen Sommer und Juhannus
Es ist ein Tag, der das Licht zelebriert, der den Sommer, die Wärme und das Grün feiert. Er lässt die Erinnerungen an den kalten, dunklen und vor allem langen Winter verblassen und die Gedanken im nun so bunten Blumenparadies weilen. Juhannus, ein Fest des Lichts, auf Deutsch auch Mittsommer genannt, ist einer der wichtigsten Feiertage in Finnland. Es ist das Fest, welches die Finnen endgültig aus ihrer Winterstarre erwachen lässt und in ihnen neue Energie und Lebensfreude freisetzt.
Traditionelle Juhannusrituale
Es ist die „yötön yö“, die nachtlose Nacht, in der die nicht untergehende Sonne die Menschen verzaubert. Es wird das sogenannte „kokko“, ein großes Feuer, in jeder Stadt, in jedem Dorf und in jeder noch so kleinen Ortschaft entfacht. Ein ursprünglich aus Ostfinnland und Karelien stammendes Ritual, das sich heute als fester Bestandteil der Juhannustradition in ganz Finnland etabliert hat. Es soll laut altem Volksglauben die bösen Geister von den Feierlichkeiten zu Ehren des Lichts fernhalten.
Zu der Juhannustradition zählen auch der gemeinschaftliche Saunagang sowie das Essen. Es werden Frühkartoffeln mit diversen Fischgerichten und Dillsahnesoße serviert. Dazu gibt es oft Salat oder anderes Gemüse. Während Weihnachten ein Fest der Familie ist, feiert man Juhannus häufig auch mit guten Freunden und Bekannten. Es geht eher laut und freudig als still und besinnlich zu. Viele Finnen fahren hinaus aufs Land in ihr „mökki“ (Sommerhaus), laden dorthin Gäste ein und zelebrieren zusammen den längsten Tag des Jahres. Der große Ansturm auf Finnlands Straßen verursacht jedes Jahr aufs Neue eine Reihe von Verkehrsstaus auf den sonst so leeren und verlassenen Landstraßen. Doch ist man erst einmal am Ziel der Reise angekommen und lässt den Blick in die Ferne über Seen und Wälder schweifen, so ist jeglicher Groll, den die Automassen auf den Straßen verursacht haben, vergessen. Es wird gelacht, gesungen und getanzt. Vielerorts werden die sogenannten „lavatanssit“ (Tanzveranstaltungen im Freien) organisiert. Diese Tänze werden in großen Holzhäusern aufgeführt, die alten Scheunen ähneln. Zu den beliebtesten Tänzen, die auf einer „lava“ (Bühne) aufgeführt werden, gehören der finnische Tango sowie Foxtrott und Walzer. Natürlich können auch weniger Tanzerprobte das Tanzbein schwingen und sich unter das im Takt drehende, springende oder auch taumelnde Volk auf der Tanzfläche mischen. Die Stimmung ist heiter und ausgelassen. Eine lebensbejahende Stimmung wie man sie sonst nur selten unter den meist zurückhaltenden Finnen findet. An Juhannus ist alles anders. Die finnische Flagge wird gehisst und darf über die gesamte Nacht vor weißem Himmel im Winde wehen. Eine Besonderheit, denn Juhannus ist die einzige Nacht des Jahres, in der die finnische Flagge gehisst bleiben darf.
Die Natur spricht…
Die weißen Nächte des finnischen Sommers geben Anlass zu vielseitigen Außenaktivitäten. Schwimmen im nahegelegenen See, Angeln im nächsten Tümpel, Beeren sammeln im Wald, Blumen pflücken auf den Feldern. Im Sommer ist die Beziehung zwischen Mensch und Natur sehr intensiv. An Juhannus, dem Höhepunkt des finnischen Sommers, ist diese Intensität deutlich spürbar. Die Häuser werden mit Blumen verziert und mit Birkenzweigen geschmückt. Viele Bräuche, vor allem für junge Mädchen, hängen eng mit der Natur zusammen. So muss ein unverheiratetes Mädchen laut altem Glaube 7 verschiedene Blumen pflücken und sie über Nacht unter ihr Kopfkissen legen. In ihren Träumen erscheint dann ihr zukünftiger Ehemann.
Manche Finnen entwickeln auch ihre eigenen Bräuche. Ob diese sich irgendwann durchsetzen und in die Reihe der Juhannusrituale aufgenommen werden, wird die Zeit zeigen. Im Vordergrund steht nur der Spaß. An Juhannus werden Fremde zu Freunden. Man spricht über mehr als nur das Wetter und schließt neue Bekanntschaften. Mittsommer wird übrigens nicht nur in Finnland, sondern in ganz Skandinavien und im Baltikum gefeiert. Die Bräuche sind oft dieselben.
Juhannus, eine Nacht des Lichts, eine Nacht des Rausches?
Leider hat das Juhannusfest auch seine Schattenseite. Es wird viel Alkohol unter den Finnen konsumiert. Medien machen immer wieder gezielt vor dem Juhannusabend darauf aufmerksam, Vorsicht walten zu lassen, die Selbstbeherrschung zu bewahren und trunkene Freunde nicht sich selbst zu überlassen. Denn im Rausch überschätzen sich viele. Verkehrsunfälle häufen sich an diesem einen Abend. Doch nicht nur die Straße fordert ihre Opfer. Laut YLE, der finnischen Nachrichtenagentur, kamen 4 Menschen dieses Jahr am Juhannusabend durch Ertrinken ums Leben. Insgesamt wird die Zahl der Todesopfer an diesem so freudigen Ereignis auf 14 geschätzt. Traurig aber wahr, so gehört auch dies bereits zur Juhannustradition.