Viele neue Orte und immer noch neue Erkenntnisse über das estnische Volk
Wohin ich im Februar gereist bin und warum ein Tag im Februar ein besonderer Tag ist für Esten....
Hallöchen!
Ich lass dann auch mal wieder was von mir hören ;)
Mir geht es gut. Wie immer eigentlich. Ich genieße meine Zeit hier, mittlerweile leider schon immer mit dem Blick auf das Ende meines EVS, denn am 6.3. verbleiben nur noch drei Monate hier in Estland. Und diese drei Monate sind schon total zugeplant. Fast jedes Wochenende habe ich schon etwas zu tun. Sei es Reisen, der Besuch meiner Eltern, vielleicht mal ein freies Wochenende oder irgendwelche anderen Verpflichtungen.
Aber ich schreibe ja den Blog, um zu berichten, was ich in der Vergangenheit gemacht habe.
Im letzten Artikel habe ich mit dem letzten Januarwochenende aufgehört. Am Wochenende danach, vom 31.1. bis zum 3.2. hatte ich dann nun schon mein Mid-Term Training. Es ist ebenso wie das On-Arrival von der Nationalagentur organisiert und man bekommt lecker Essen und Sauna. Jedoch geht es beim Mid-Term Training darum, seine bisherigen Erfahrungen zu evaluieren und für die Zukunft neue Ziele zu stecken. Es ist auch nicht so starr wie das On-Arrival, denn man redet weniger über sein Projekt und macht viel mehr Aktivitäten.
Wir sind also Skifahren gegangen. Das erste Mal in meinem Leben stand ich auf Skiern. Da es in Estland keine Berge gibt (die größte Erhebung ist der „Große Eierberg“ mit 318 m), haben wir Langlaufski gemacht. Ich bin oft hingefallen und es war unheimlich anstrengend, aber es hat super Spaß gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, in Zukunft noch öfter mal Langlaufski zu fahren.
(Ein kleiner Exkurs zum Wetter: wir hatten geschlagene drei Wochen Winter! Wooooow! Letztes Jahr war der Winter fünf Monate lang und es gab Schnee bis Anfang Mai. Und wir hatten Winter ganz genau vom 11.1. bis zum 2.2. und seit Anfang Februar sind es immer um null Grad, der Schnee ist fast komplett weg, es regnet manchmal und es ist einfach immer Grau. Schrecklich. Entweder richtiger Winter oder Frühling, aber kein Grau bitte!)
Weiterhin haben wir beim Mid-Term sehr viel gegessen und sind jeden Abend in die Sauna gegangen. Einen Abend haben die Männer ein Eisloch in den See geschlagen und wir sind von der Rauchsauna ins Eisloch gesprungen. Das hat Spaß gemacht! Für alle, die sich fragen, ob wir denn verrückt seien: wenn man direkt von der Sauna ins Eiswasser springt, fühlt es sich nicht kalt an. Eher etwas erfrischend.
Da die Esten Handarbeit lieben, war auch das Filzen ein Bestandteil des Mid-Term Trainings. Ich habe versucht, eine Handytasche zu filzen, aber mangels Zeit und Material sieht sie eher etwas krüppelig aus.
Übrigens fand das Mid-Term mitten im Wald in einem Gasthaus namens Leppoja statt. Wir sind mit unserem Privatbus eine halbe Stunde in den Wald hinein gefahren, um zu dem Haus zu kommen. Dort lebt eine kleine Familie, die die Gäste betreut. Sie sind noch nicht mal ans Stromnetz angeschlossen, so einsam und ländlich ist es dort!
Am Wochenende des achten und neunten Februars hatten wir bei uns mal wieder eine kleine Party, dieses mal aber wirklich klein. Anas und meine Arbeitskollegen und ein paar Freiwillige. Da es mir aber an dem Wochenende nicht so gut ging, bin ich später nicht mehr mit in die Altstadt gegangen.
Am Sonntagabend habe ich dafür mit Eva, Ana und Diana eine Kreuzfahrt nach Stockholm gemacht. Das sieht folgendermaßen aus: abends um sechs geht es in Tallinn los, morgens um zehn ist mal in Stockholm, man verbringt ganze 7 ¾ Stunden in Stockholm und abends geht es wieder zurück nach Tallinn, so dass man am nächsten Morgen um zehn wieder da ist. Man verbringt also 30 Stunden auf dem Schiff, um dann noch nicht einmal acht Stunden in Stockholm zu sein. Aber für neun Euro pro Person für die gesamte Reise kann man nicht meckern ;)
Stockholm ist wirklich eine wunderschöne Stadt. Auf Schären gebaut, mit Altstadt, vielen sportlichen Menschen (die man in Tallinn überhaupt nicht sieht, hier fährt keiner Fahrrad), und hohen Preisen natürlich. Auch die Fahrt auf dem Schiff war interessant. Es hat ganz schön geschaukelt und es gab eine coole Abendshow.
Am Wochenende danach war ja eigentlich der vier-tägige Trip nach Finnland geplant, aber dann ist Eva leider krank geworden und wir haben die Reise auf Ende März verschoben. Dann hatte ich also ein freies Wochenende.
Es gab wieder einmal Party, sowohl bei uns als auch bei anderen und am Sonntag bin ich nach Keila-Joa gefahren. Dort ist ein Wasserfall. Und obwohl es zu dem Zeitpunkt schon seit Wochen keine extremen Minusgrade waren, war der Wasserfall immer noch größtenteils gefroren! Das sah wirklich spektakulär aus. Solche riesigen Eismassen einfach stillstehend.
Am Wochenende des 22./23. sind dann mein Bruder und seine Freundin nach Tallinn gekommen. Es war so schön, Besuch von zu Hause zu bekommen und ihnen meine neue Heimat zu zeigen. Wir haben ganz viel gesehen in den vier Tagen und selbst ich habe noch neue Orte gesehen und war in Pubs, in denen ich vorher noch nicht war.
Und als sie wieder fahren mussten, war es ein komisches Gefühl, wieder „alleine“ in der Stadt zu sein. Deswegen freue ich mich schon, wenn Mama und Papa kommen :)
Der 24.2. ist der wichtigste Tag im ganzen Jahr: der estnische Unabhängigkeitstag! Die Esten sind ein durchaus patriotisches Volk und es war neu für mich, den Staatsfeiertag so feierlich zu erleben. Die deutschen sind ja nicht so patriotisch und der 3.10. ist meistens doch eher mehr ein freier Tag als ein Feiertag.
In Tallinn sind also die Taxis und Busse mit kleinen Estland-Fähnchen (blau-schwarz-weiß, est.: sini-must-valge) herumgefahren, so wie wir es in Deutschland während der WM oder EM tun und jedes Haus hatte eine große Fahne an der Wand. In Pärnu war eine Prozession mit großem Militäraufgebot und in Tallinn war bei Sonnenaufgang die Fahnenhissung. Leider konnte ich nicht dabei sein, denn mein Besuch ist an dem Tag gefahren und ich wollte mich viel lieber vernünftig verabschieden.
Selbst bei der Arbeit haben wir den Unabhängigkeitstag gefeiert. Am Dienstag waren alle schick angezogen, es gab Kuchen beim Mittagessen, eine Feier, wo Gedichte vorgetragen wurden, natürlich die Nationalhymne gesungen wurde und ein Mann von der Luftwaffe von seiner Arbeit berichtet hat.
Die Esten feiern ihre Unabhängigkeit natürlich so sehr, weil sie erst seit 1991 so richtig unabhängig sind. Zwar wurde am 24.2. die 96-Jahre lange Unabhängigkeit gefeiert, denn nach dem ersten Weltkrieg war Estland für einige Zeit zum ersten Mal unabhängig, doch dann kamen die Nazis und dann die Sowiets und Estland war für lange, lange Zeit besetzt. Und nun sind sie sehr stolz, ein freies Land zu sein.
Und man hat so viele Menschen und so viele Familien mit ihren Kindern auf den Straßen gesehen, unglaublich..... Es scheint wohl wirklich ein besonderer Tag für die Esten zu sein.
Und nun komme ich zum letzten Wochenende, ebenso die letzten Tage im Februar. Ich habe mir gedacht: ein freies bzw. bislang noch nicht besetztes Wochenende lass ich nicht einfach so verstreichen und liege faul im Bett, ich will reisen! Ich habe mir also Gesellschaft gesucht und bin mit Nena aus Slowenien für vier Tage nach Lettland gereist. Wir haben uns zwei Tage lang Riga angeschaut und haben jeweils Tagesausflüge nach Liepaja und Sigulda gemacht.
Riga ist eine schöne Stadt und größer als Tallinn, aber auch ärmer. Allgemein ist Lettland ärmer als Estland. Es gab viele alte und kranke Menschen auf der Straße.
Aber natürlich viele Kirchen und meinen Lieblingsort: den Zentralmarkt. Ein wirklich riesengroßer Markt (kennt man so gar nicht von den kleinen baltischen Ländern), auf dem man alles bekommen kann, und zudem auch noch zu Spottpreisen. Für vielleicht drei Euro pro Person haben wir uns mit Essen für den ganzen Tag eingedeckt. Brot, Käse, getrocknete Früchte, süßes Gebäck. Alles, was das Herz begehrt. Es gab viele Gemüsestände, viel Fleich, Käse, Kekse und Bonbons, Kleidung, Schuhe, Holzartikel, Wollartikel, dies und das, zwei Supermärkte und so viel mehr. Ich hätte mich den ganzen Tag dort aufhalten können und mich durch alle Käsesorten durchprobieren können ;) Ein wunderbarer Ort und jedem absolut zu empfehlen, der nach Riga kommt.
Liepaja war dann so ein kleines Loch in unserer Tour. Der schwarze-Schaf-Tag. Erstmal sind wir Ewigkeiten gelaufen, um zu dem Ort zu gelangen, wo wir hinwollten: Karosta. Im Reiseführer stand, dass man dort auf jeden Fall hinmuss. Karosta ist ein alter, sowjetischer Militärhafen, der nach 1991 umgebaut wurde, so dass dort Menschen wohnen können. Oder besser gesagt: überleben können. Diese ganzen, alten, hässlichen Plattenbauten sahen so schrecklich und heruntergekommen aus, dass mir davon schon schlecht geworden ist. Überall waren noch Platten, die nicht einmal fertiggestellt wurden. So viele Katzen, die auf der Straße leben, und alles doch so verlassen, als würde keiner dort wohnen. Und mittendrin eine prunkvolle, russisch-orthodoxe Kirche. Typisch eben....
Im Reiseführer stand auch, dass Liepaja aus zwei Teilen bestehen würde: die eigentliche Stadt und Karosta. Jedoch fand ich, dass die restliche Stadt auch nicht viel besser aussah als Karosta. Liepaja: hässlich, alt, grau. Kein Ort, um sein Leben zu verbringen und auch eigentlich nichts für Touristen. Ich bin froh, dass ich dort war, aber ich muss nicht wieder hin.
Dafür wurden wir jedoch für unsere Mühen des Kilometerlangen Laufens am Sonntag belohnt: Sigulda. Wunderschön, Holzhäuser, noch billiger als Riga (in einem Cafe für Pfannkuchen und super leckerem Kakao ungefähr 1,60 Euro bezahlt!), grün, und viele Burgruinen. Zuerst sind wir zur Burgruine in Sigulda gelaufen. Nichts besonderes eigentlich, aber Sigulda ist im Gauja-Nationalpark, der den Bereich um das Gauja-Valley einschließt. Man konnte also wunderbar von der Ruine über das Flusstal zur anderen Seite blicken, wo eine weitere Burgruine inmitten von Bäumen stand.
Von der Ruine sind wir dann zur Seilbahn gelaufen. Für vier Euro durften wir in einer kleinen, orangen Gondel die kurze Fahrt über das Tal genießen. Von dort haben wir dann irgendwie den Weg zur Gutmanis-Höhle gefunden. Darauf habe ich mich auch richtig gefreut. Und als wir dann endlich angekommen sind, dachten wir: wo ist denn die Höhle? Wir hatten eine große Touristenattraktion erwartet, wo man auch weit in die Höhle hineingehen kann. Aber nichts da, es war eher eine Einbuchtung in den Sandstein. Kleines Baltikum eben, hätte uns auch in Estland passieren können.
Angeblich ist die Höhle eine der ältesten Touristenattraktion im ganzen Baltikum. Das einzig interessante dort waren jedoch die Inschriften im Sandstein. Die älteste, heute noch sichtbare stammt von 1667. Alt stimmt also, aber spektakulär nicht ;)
Von der Höhle sind wir dann zwanzig Minuten den Berg wieder hochgewandert zur dritten Attraktion des Tages: Turaida-Castle. Dieses ist immer noch sehr gut erhalten und in einem Freilichtmuseum gelegen. Leider hatten wir nur noch eine halbe Stunde Zeit, uns die Burg anzusehen, denn dann mussten wir mit dem Bus zurück nach Sigulda, von Sigulda nach Riga, und dann noch von Riga nach Tallinn.
Wie genau meine Füße diese vier Tage durchgehalten habe, weiß ich nicht. Wir sind jeden Tag mindestens zehn Kilometer gelaufen, meistens ohne große Pause. Ich habe jetzt mit Sicherheit super-Mukkis in meinen Beinen xD
So, das wars dann erst mal. Ich wünsche euch eine schöne Zeit bis zum nächsten Eintrag.
Bis dann!