Übers Wasser gehen
Wer am 09. Juli 2017 die tschechische Google-Startseite besuchte, der blickte womöglich erstaunt auf. Irgendwie kam einem die abgebildete Brücke doch vertraut vor.
Ließ man den Mauszeiger über ihr schweben, las man: „Karlův most slaví 660. výročí“. Karlův most ist entgegen erster Vermutungen kein Obstwein. Brückenbögen wie bei einem Aquädukt, auf ihr die Figuren, links und rechts die Türme – unverkennbar die Prager Karlsbrücke. Am 09. Juli 2017 feierten wir ihren 660. Geburtstag.
Wie der Name bereits erahnen lässt, ist die Karlsbrücke benannt nach Kaiser Karl IV., der im Jahre 1357 den Grundstein legte. Es ist nicht endgültig geklärt, wer der Architekt war. Lange ging man davon aus, dass es der aus Schwäbisch Gmünd stammende Peter Parler war. Eine Theorie aus dem Jahre 2007 geht hingegen davon aus, dass es ein Prager Steinmetz namens „Otto“ war. Die Arbeiten an der Brücke und den Türmen wurden jedenfalls nachweislich von Peter Parler koordiniert.
Die Karlsbrücke ist eine Bogenbrücke mit sechzehn Bögen, die die Prager Altstadt mit der Kleinseite unter der Prager Burg verbindet. Mit einer Länge von 516 Metern ist sie die längste gotische Brücke Europas. Allerdings ist sie außerordentlich schmal mit einer Breite von rund zehn Metern, die von Straßenhändlern und Musikern nochmals erheblich verringert wird, sodass im Idealfall ein Korridor von wenigen Metern bleibt, in dem es von Touristen nur so wimmelt.
Es geht das Gerücht um, dass bei der Erbauung dem Mörtel Eier beigemischt wurden, um die Brücke stabiler zu machen. Dies konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Wissenschaftlich belegt ist jedoch, dass Quark und Wein zum Einsatz kamen, um sogenannten „römischen Mörtel“ zu erhalten, was dem lateinischen Satz „In vino veritas“ eine ganz neue Bedeutung zukommen lässt. Früher war die Karlsbrücke bedeutend für den Handel zwischen Ost- und Westeuropa. Heute ist sie es vielleicht noch für den Handel mit Porträts und Souvenirs, ihre historische Relevanz für den Warentransit ist nicht mehr gegeben.
Gegen Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wurden auf der Brücke dreißig Skulpturen errichtet. Die Originale stehen heute im Nationalmuseum. Auf der Brücke befinden sich Nachbildungen. Die mehrheitlich im barocken Stil gestalteten Skulpturen zeigen größtenteils Heilige, von denen Johannes Nepomuk die älteste ist. Johannes Nepomuk war ein Märtyrer aus Böhmen, der nach der Überlieferung 1393 an dieser Stelle ertränkt wurde. Nur die heilige Maria und er werden mit einem Sternenkranz dargestellt. Seine Statue ist die einzige Bronzestatue auf der Brücke – die anderen Statuen sind aus Stein.
Ab dem Jahre 1965 wurde die Brücke für fünfzig Millionen Euro saniert, weil Risse festgestellt wurden. Seitdem darf die Brücke auch nicht mehr für den Straßenverkehr genutzt werden. Bei der Beleuchtung gab es eine Rückbesinnung auf alte Technik. So wurde das elektrische Licht von Gasleuchten ersetzt, die ein natürlicheres Licht emittieren. Es gibt auch wieder Nachtwächter mit Hellebarde und Handlaterne auf der Brücke.
An den Enden der Brücke gibt es mehrere Türme – den Altstädter Brückenturm und die Kleinseitner Brückentürme. Der Altstädter Brückenturm hat eine umtriebige Vergangenheit. Erbaut wurde der etwa vierzig Meter hohe Turm zwischen 1370 und 1380 über dem ersten Brückenpfeiler. Nach dem Aufstand von 1618 gegen die Habsburger wurden die Köpfe von 27 Hingerichteten hergenommen und zur Abschreckung zehn Jahre lang am Turm ausgestellt. Diese Idee könnte glatt von König Joffrey höchstpersönlich stammen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Prag von den Schweden belagert. Diese beschossen den Altstädter Turm von der Kleinseite her. Das zerstörte den Fassadenschmuck der Westseite, jedoch nicht den ganzen Turm, wieso auch heute noch wichtige Plastiken betrachtet werden können, so auch die des Namensgebers Karl IV.
Heutzutage überquert man die Brücke meist mit einer gewissen Nonchalance. Wer dagegen ihren Hintergrund kennt, begegnet ihr mit einer ganz neuen Wertschätzung.
Quellen:
http://prag.sehenswuerdigkeiten-online.de/sehenswuerdigkeiten/karlsbruecke.html
http://www.prague.eu/de/objekt/orte/197/altstadter-bruckenturm-staromestska-mostecka-vez
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