Trampen in Finnland - fast unmöglich
... haben sie mir gesagt. Naja, manche. Ein kurzer Bericht über meine Herbstferien.
Ferien sind vorbei! Morgen geht's weiter. Ich habe die Zeit aber perfekt genutzt, bei minimalem finanziellen Aufwand. :)
Wie im letzten Blogeintrag erwähnt, habe ich mich am Freitag nach der Schule auf den Weg gemacht. Schwer bepackt mit meiner gesamten Trampingausrüstung, also Rucksack inklusive Schlafsack, Zelt, Isomatte, kleinem Campingkocher, Klamotten und so weiter. Ich war auf alles vorbereitet, würde ich behaupten. Habe also ausgekundschaftet, von wo aus es sich aus Paimio möglicherweise am besten zum 150km entfernten Janakkala trampen lassen würde, und bin dorthin Richtung Ortsausgang gelaufen. Ein Pappschild mit einer Aufschrift hatte ich (natürlich) vergessen, also stand ich einfach so da und wartete auf einen Lift, verzweifelt in die verwirrten Gesichter der in den vorbeirauschenden Autos sitzenden Fahrer blickend. Ist der Daumen oben, wird man dich loben. Nach etwa einer Dreiviertelstunde (oder etwas mehr) hielt tatsächlich eine Frau an und nahm mich mit! Als wäre es ganz normal. Haha. Spaß beiseite. Es lief also! Ich brauchte nur einen zweiten Lift und kam nach ca. 3 Stunden Reisezeit in Janakkala bei Margot und Antonina an. :D Mit Ihnen und Janina, einer anderen Freiwilligen (die vegan ist!!), verbrachte ich das Wochenende: Kochen, Reden, Umherlaufen, einen Sumpf begutachten (der war cool), Filme ansehen.... und sowas alles. Es war echt toll, die drei wiederzusehen.
Am Montagmorgen habe ich mich dann auf den Weg nach Ylivieska gemacht... knapp 500 Kilometer Strecke von Janakkala. Ich zerschnitt einen Karton, um Pappschilder für Städtenamen oder Richtungen dabei zu haben. Um 9 Uhr ging es los, ich hatte unterschiedlich lange Wartezeiten (10-60min), fing zwischendurch an, auf finnisch die vorbeifahrenden, nicht-anhaltenden Autos zu zählen (Rekord war 111) und habe mich mit einigen meiner Lifts auch nett unterhalten. Ein LKW-Fahrer nahm mich über 300km weit mit, da er am Montag von Turku nach Oulu fuhr. Die letzten 90km von der E75 Richtung Nordwesten nach Ylivieska waren dann nochmal eine Herausforderung, ein Kampf gegen den Sonnenuntergang. Ich bin schließlich in Finnland! Hatte nach Einbruch der Dunkelheit mit einer Tramping-Erfolgsquote unterhalb der Nachweisgrenze gerechnet. Und so kam es, dass ich gegen 19 Uhr in der Dunkelheit stand - mitten im nichts, etwa 50 km von Ylivieska entfernt. Dann kam es ein weiteres Mal zu dem, was man wohl als Anfängerglück bezeichnet: Zwei junge Frauen hielten an, fuhren bis nach Ylivieska und brachten mich bis zu Lisas Haustür. Pünktlich um 20 Uhr war ich angekommen und konnte noch gar nicht so richtig fassen, wie das eigentlich alles innerhalb eines Tages passiert ist. Gut, für erfahrene Tramper oder Tramper auf dem europäischen Festland sind 500 km an einem Tag wahrscheinlich keine besondere Hürde, aber ich hatte in Finnland eher mit 2-3 Tagen gerechnet. Also war ich glücklich, da zu sein!
Lisa musste unter der Woche arbeiten, also entschloss ich mich kurzerhand, mir ihr Projekt auch mal anzuschauen und mitzuhelfen: Das "Jugendzentrum" (merkwürdiges Wort) in Ylivieska. Fast jeden Tag/Abend offen für Jugendliche und junge Erwachsene und auch irgendwie andauernd besondere Aktionen von Movie Monday über Animal oder Girls Day bis hin zum Coffee Evening oder International Cooking Evening. Weil es mir Spaß gemacht hat, ich super gerne mit Lisa gekocht, geredet und auch in ihrem Projekt gearbeitet habe, bin ich bis Samstagmorgen geblieben, bevor ich mich wieder auf den Weg machte. Vorher waren wir am Freitag noch mit Niina (Lisas Vorgesetzte) und Ismael (Lisas Mitfreiwilliger) in Kalajoki, der nordwestlich von Ylivieska gelegenen Küstenstadt, um dort ein gerade renoviertes Jugendzentrum und den nur kurzzeitig im Herbst stattfindenden Markt zu besuchen, was tatsächlich auch ganz spannend war :) Außerdem waren wir an der Küste des Pohjanlahti (bottnischer Meerbusen) und in einem kleinen fancy Süßigkeitenshop, der von einer Familie mit hausgemachten Süßigkeiten betrieben wird.
Am Samstagmorgen habe ich mich wieder auf den Rückweg gemacht, diesmal nicht durch das Landesinnere über Tampere und Jyväskylä, sondern an der Küste entlang, über Kokkola, Vaasa und Pori. 580 km. Wieder die Frage, ob ich es am Samstag schaffe. Die längste Wartezeit betrug zwischendurch etwa 50 Minuten bzw. 135 vorbeifahrende Fahrzeuge kurz vor Kokkola, aber irgendwie hatte ich dann doch wieder "Anfängerglück" (Heißt das überhaupt so?!). In Vaasa hat mich ein vielbeschäftigter Vertreter/Agent einer Elektronikfirma aufgesammelt und einfach, weil er gerade nichts zutun hatte, an eine bessere Stelle zum Weitertrampen gebracht, von wo aus mich zwei Bosnier etwa 80km bis nach Närpiö mitnahmen (und mir einen Kaffee spendierten!). Dort stand ich dann etwa eine halbe Stunde und wartete, als ein OnniBus (finnischer Fernbus) vorbeikam. Von Oulu über Turku bis nach Helsinki. Etwa 10 Minuten habe ich gezögert, aber er stand noch immer an der Haltestelle. Also ging ich doch hin und fragte nach, ob man mich mitnehmen könnte. Der Fahrer konnte kein Englisch. Naja, genug Englisch, um mir zu sagen, dass es 20 Euro kosten würde. Das war mir dann doch etwas zu teuer; eigentlich 20 Euro zu teuer, um genau zu sein, also wollte ich gerade wieder gehen. Da kam eine Frau von weiter hinten und erklärte, dass sie ein Ticket zu viel hätte, mit dem ich ja mitfahren könnte. Der Fahrer lachte leise auf, schüttelte verzweifelt den Kopf, verstaute aber mein Gepäck im Kofferraum und ließ mich tatsächlich einsteigen. Ich war wieder mal glücklich. Samstagabend um 19 Uhr war ich in Turku angekommen. Dann noch eben bei Lidl den Wocheneinkauf gemacht und mit dem Bus ab nach Paimio. Für mich absolut gelungene Herbstferien, auch wenn ich mein Zelt gar nicht hätte mitnehmen müssen.
Ach ja... etwas längere Geschichte, aber am Mittwoch vor den Ferien wurde ich in der Makeup-Klasse in einen alten Mann verwandelt. Da ich davon so begeistert war, behielt ich die Maske für den Rest des Tages, fuhr also auch nach Turku zum Sprachkurs. Die verstörten Gesichter der vorbeilaufenden Menschen waren unbezahlbar, und auch die Lehrerin des Sprachkurses hielt mich für die ersten paar Minuten für einen neuen Schüler. Bis sie es dann merkte und mich darauf ansprach, was mit mir passiert sei. Es war lustig :) Und das Bild dazu möchte ich natürlich niemandem vorenthalten.