Szia Pécs!
Erste Eindrücke aus Pécs, Ungarn.
Ungarn ist es also geworden, damit hätte wohl keine*r gerechnet. Aber das Leben bis ins Detail zu planen funktioniert ja generell nicht so, wie ich mir das wünschen würde.
Wie kommt man da denn überhaupt hin nach Pécs? Der Umwelt zuliebe fahre ich mit dem Zug, ob diese es mir je danken wird, ich bezweifle es. Nun ja, dann hoffen wir erst mal, dass die Deutsche Bahn nicht wieder streikt. Tatsächlich habe ich Glück, denn einige Tage vor meiner Abreise einigen sich Gewerkschaft und Deutsche Bahn und ich kann am 17.09 pünktlich in den Zug nach Budapest einsteigen. Das Weinen im Zug über den Abschied muss man dann auch recht bald sein lassen, denn das verträgt sich mit dem Maske-Tragen wirklich außerordentlich schlecht.
Na gut, dann ist eben Vorfreude angesagt, die steigert sich, indem ich in dem Ungarn-Reiseführer blättere. Die Landschaft wird schöner, sobald man Deutschland verlässt und die tschechische Grenze überquert. Direkt nehme ich mir vor, hier einmal Urlaub zu machen und wandern zu gehen. Eine Sache, die mir auffällt, ist etwas, was fehlt: Windräder. In Deutschland prägen sie das Landschaftsbild in Ungarn, Tschechien und der Slowakei sucht man sie vergeblich. Ich genieße die Zugfahrt. In dem wirklich sehr charmanten Bordbistro esse ich etwas zu Abend und bezahle erstmals mit Forint und bekomme gleich den ersten Schock als ich die Höhe der Rechnung sehe.
An Rechnungen von mehreren Tausenden muss man sich wirklich gewöhnen. Kurze Panik bleibt auch nach drei Wochen noch erhalten, wenn man ein Stück Kuchen gegessen hat und plötzlich 1.300 zahlen muss. Doch dann sind es glücklicherweise nur Forint. So richtig ernstnehmen kann ich diese Währung immer noch nicht, es fühlt sich an als würde man konstant Monopoly spielen. Eine weitere spaßige Angelegenheit in Bezug auf das Geld ist: „Áfá-s Számlát, szeretnék kérni“. Wenn man diesen Satz sagt, sieht man direkt alle Freude aus den Augen der Kassierer*in weichen. Denn Rechnungen auf den Namen unserer Organisation auszustellen bedeutet einfach nur einen riesen Stress für alle Beteiligten.
Mit etwas Aufregung komme ich jedenfalls elf Stunden später in Budapest an und löse das Rätsel der Codes, mit denen ich in mein „Hotel“-Zimmer komme. Denn da nach 19:45Uhr kein Zug mehr weiter nach Pécs fährt muss ich eine Nacht in Budapest bleiben. Nachdem es wirklich so unfassbar kompliziert war in dieses Gebäude und Zimmer hinein zukommen konnte ich dann ohne Angst einschlafen, denn das würde kein Einbrecher schaffen.
Am nächsten Morgen soll es dann weiter nach Pécs gehen. Praktischerweise hat sich Budapest nicht einen, sondern 4 Hauptbahnhöfe, die alle sehr schlecht miteinander verbunden sind. Also muss ich erst einmal quer durch die Stadt fahren, um zu meinen Zug nach Pécs zu kommen. U-Bahn fahren in Budapest ist ein wahres Abenteuer, denn uiui geht es tief unter die Erde und uiui sind die Rolltreppen schnell, das ist besonders angenehm, wenn man so viel Gepäck hat. Doch auch das ist gemeistert und ich schaffe es zu meinem Zug. Die Fahrt vergeht recht schnell und in Pécs werde ich von meinem Mentor sehr lieb empfangen, der mich in mein neues Zuhause für die nächsten 10 Monate fährt.
Am Tag meiner Ankunft in Pécs findet die allererste Pride außerhalb von Budapest in Ungarn überhaupt statt. Doch uns wurde direkt abgeraten, dort hinzugehen, da es nicht sicher sei. Naja, immerhin gibt es hier eine organisierte queer-freundliche Community, sowie eine Stadt, die das zulässt, das ist in Ungarn ja schon mal etwas. Politisch spannend sind auch die Vorwahlen, die aktuell zu den Halbjahreswahlen abgehalten werden. Über die politischen Entwicklungen in Ungarn erfährt man dann aber doch nur über deutsche Medien, denn freie Presse ist hier ein Fremdwort. Wobei Politik wirklich immer wieder Thema ist allen voran Viktor Orbán.
Das Wetter ist die ersten zwei Wochen sehr schön und warm, wir gehen viel raus und laufen durch die Stadt. Die Innenstadt ist sehr schön restauriert und wirklich niedlich. Die Outskirkts zeigen aber doch recht deutlich, dass hier mal Ostblock war, aber es hat Charme. Ich lebe mit vier anderen Freiwilligen in einem Einfamilienhaus. Hier ist es sehr ruhig und entspannt, das Haus hat einen 60er Jahre Charme.
Die Waldorfschule gefällt mir wirklich gut. Hier kann man Kind sein, denke ich mir jeden Tag! Zum Beispiel beginnt der Montag damit, dass die 1. und 2. Klässler*innen für drei Stunden durch den Wald toben können, der direkt hinter der Schule liegt und wirklich wunderschön ist. Es macht viel Spaß, mit kleinen Kindern zu arbeiten, die einen auf Ungarisch zu texten und mit den etwas Größeren dann schon richtig auf Englisch zu sprechen. Zum Schulalltag gehört Gärtnern, Backen, Handwerken und Handarbeiten, das ist einfach toll.
In Pécs kann man tatsächlich auch etwas abends erleben, gemeinsam mit meinen Mitbewohnerinnen und den anderen Freiwilligen in Pécs waren wir zum Beispiel auf einem Open Air ungarischen Rock Konzert, in einer Karaoke Bar und hier wurde ein „Festival of Lights“ veranstaltet. Alles wirklich schön, doch die Ungarn sind jetzt nicht gerade das Völkchen, das seine Freude offen kundtut. Wir waren in einem Nachbarort, Villany, auf einem Weinfestival, das war echt ulkig. Sonst waren wir im Kino und haben den neuen James Bond Film geschaut. Da war es immer ein Erfolgserlebnis ein Wort der ungarischen Untertitel zu verstehen. Denn Ungarisch lernen ist wirklich eine lustige Angelegenheit. Ähnlichkeiten mit irgendeiner anderen Sprache hat das Ungarische nämlich nicht, wäre ja auch zu einfach. Anfangs dachte ich sehr viele Kinder hießen Bocsi bis ich verstanden habe, das Bocsi einfach nur Sorry auf ungarisch heißt und Borcsi mit „r“ ein ungarischer Name ist. Naja. Man muss einmal ganz neu sprechen lernen. Mein Gehirn völlig verwirrt davon von Englisch, Deutsch, Spanisch und Ungarisch konstant umgeben zu sein.
Jetzt ist erstmal noch zwei Wochen arbeiten angesagt und dann sind Herbstferien. In den Herbstferien dann fahre ich gemeinsam mit anderen Freiwilligen nach Wien und Bratislava.
Karlin!
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