Stadtführerin oder selbst Touristin?
In den letzten Wochen hatte ich viel Besuch und konnte Gdańsk dadurch aus einem anderem Blickwinkel betrachten. Daneben war ich selbst auch wieder viel in Polen unterwegs
Es ist Sommer in Gdańsk. Das bedeutet immer mal wieder ein paar richtig warme Tage, kurze Nächte (die Sonne geht um halb 4 auf!) und definitiv weniger zu tun auf der Arbeit. In meinem Workshop vertreiben wir uns die Wochen bis zu den Sommerferien damit, Regale auszumisten, im Garten zu arbeiten oder Notizbücher zu basteln. Es ist allerdings auch die Zeit, in der viele andere Dinge neben der alltäglichen Arbeit passieren.
Wir haben den “Neighbours Day” in unserem Viertel Brzezno gefeiert, ich habe meinen Kurzfilm darüber, wie man Papier schöpft fertiggestellt und zwei verschiedene Kulturpräsentationen gehalten. Für die erste bin ich zu einer Schule in Kwidzyn, einer Kleinstadt nicht weit von hier, gefahren. Zusammen mit Freiwilligen aus Armenien, Frankreich, der Ukraine und Portugal haben wir anlässlich des Europatages jeweils unsere Herkunftsländer vorgestellt und danach eine passende Aktivität angeboten. Wir hatten nur wenige Minuten Zeit für die Präsentation und trotzdem saß ich lange daran, sie vorzubereiten. Was ist für Kinder in diesem Alter interessant? Wie kann ich sie miteinbeziehen? Und kann ich das schon auf Polnisch ausdrücken? Es lief schließlich alles gut, doch die aufwändigere Präsentation stand mir noch bevor.
Da das Haus, in dem wir wohnen und in dem ich auch arbeite, gleichzeitig ein Nachbarschaftshaus ist, gibt es regelmäßig Veranstaltungen für die Nachbarschaft. So zum Beispiel die Kulturpräsentationen von uns Freiwilligen. Im Mai waren dann Michal und ich mit Deutschland dran. Wir nahmen uns einen Tag frei, um an den Inhalten zu arbeiten. Dabei versuchten wir viele verschiedene Themen abzudecken: Von Vorurteilen über Deutsche und ihrem Wahrheitsgehalt, über traditionelle Feste und bekannte Persönlichkeiten bis zu Deutschland als Einwanderungsland. Ich spielte einige Lieder auf der Querflöte, wir verkleideten uns mit Socken in Sandalen für Michal und einem Dirndl aus einem polnischen Second-Hand-Shop für mich und schließlich gab es noch ein Buffet mit Brezeln, veganem Christstollen, Kässpätzle und einer Auswahl von Fritz Kola.
Im Mai und Juli konnte ich mich außerdem über Besuch aus Deutschland freuen! Mit Udo, Luisa sowie mit Dirk konnte ich Gdańsk auf dem Rad und bei Sonnenschein erkunden. Es hat Spaß gemacht, ihnen meine Stadt zu zeigen und gleichzeitig neue Sachen zu entdecken. Durch Udos Begeisterung ist mir die Schönheit der Altstadt wieder bewusster geworden. Mit Luisa konnte ich einen rosafarbenen Sonnenaufgang am Strand bewundern und mit Dirk habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Mittsommer gefeiert. Die Hauptelemente dieses Festes waren ein großes Feuer, geflochtene Blumenkränze, die dann ins Wasser geworfen wurden und unzählige Instrumente, die in einer Jam Session zusammenfanden.
Da ich mein Jahr in Polen auch dazu nutzen möchte, möglichst viele Orte in Polen kennenzulernen, konnte ich Łódź nicht auslassen. Die drittgrößte Stadt im Lande hat keinen besonders guten Ruf. Da gibt es doch Nichts, es ist hässlich und gefährlich -das waren die Kommentare die Tako und ich von den Autofahren hörten, die uns beim Trampen auf dem Weg dorthin mitnahmen. Mit einer niedrigen Erwartungshaltung gefallen einem aber auch kleinen Dinge sehr gut. Die Hauptstraße „Piotrkowska“ ist sehr schön, es gibt tolle Secondhand-Läden und in der Museumsnacht konnten wir Bananenschalen tätowieren. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass Łódź eine Stadt im Wandel ist. Trotzdem hat uns ein Wochenende dort gereicht.
Als nächstes stand Kraków an. Diese Stadt wird wiederum hochgelobt und von den Polen geliebt. Wir hatten mit der Stiftung einen Trip dahin geplant. In einem großen Reisebus fanden 40 Reisende, darunter alle Freiwilligen, BetreuerInnen, viele TeilnehmerInnen und manche Eltern Platz. Nach 10 Stunden mit Zwischenstopp in Częstochowa, wo Polens heiligste Reliquie, die Ikone der Schwarzen Madonna, und deshalb unzählige Pilgerer zu finden sind, erreichten wir Krakau. In nur zweieinhalb Tagen besichtigten wir das Wawel-Schloss, die Wieliczka-Salzminen, die Altstadt und machten eine Bootstour. Es hat Spaß gemacht, doch gleichzeitig war es ehr intensiv. Ich war pani Teresa, die Knieprobleme hat, als Gehbegleitung zugeteilt worden. Während wir zum Schloss hochwanderten oder in die Salzminen runter, redete ich ihr also die ganze Zeit ermunternd zu. Doch sie war irgendwann wirklich müde und beschwerte sich viel. Erst als Michal sie dann bei der Hand nahm, kam ein Lächeln auf ihr Gesicht zurück. Die Reisegruppe fuhr am Mittwoch nach Gdańsk zurück, ich blieb aber in Krakau und traf mich dort mit Estefania, die an dem Tag angekommen war. Zusammen genossen wir noch den Rest der Woche in Krakau und verbrachten die Zeit in Kazimierz, dem jüdischen Viertel, bei Free Walking Tours, in Museen und in einer ehemaligen Tabakfabrik, die sich jetzt zu einem Ausgehviertel wandelt. Ein Besuch Krakaus kann ich wirklich empfehlen!
Gestern kam ich von meiner letzten Reise, in die Kaschubei, zurück. Dort war eine Studienreise für uns Freiwillige zu verschiedenen anderen Einrichtungen der Stiftung organisiert. Wir besuchten jeden Tag einen anderen Ort und versuchten uns dort an für uns neuen Handwerkstechniken, wie mit Glas, Holz und Stoff zu arbeiten. Es war sehr interessant zu sehen, wie solche Einrichtungen auf dem Land funktionieren. Dort wird zum Beispiel im gleichen Gebäude auch Logopädie und Physiotherapie für behinderte Kinder angeboten. In Kościerzyna haben sie großen Erfolg bei der Vermittlung der TeilnehmerInnen an Arbeitsplätze. Sie arbeiten dann zum Beispiel in Fabriken, die Keramik oder aber das Papier für Kassenzettel herstellen, die wir ebenfalls besichtigt haben. Außerdem hat uns die Woche als Freiwillige enger zusammen gebracht und wir haben viel zusammen gekocht, geredet und gelacht.
Von meinem Alltag kann ich berichten, dass es wie gesagt auf meiner Arbeit nicht allzu viel zu tun gibt. Die polnischen Sprache lerne ich aber immer weiter und mittlerweile macht es mir richtig Spaß, mich mit den Leuten auf polnisch zu unterhalten (solange es nicht zu kompliziert wird :D). Außerdem macht sich das Ende bemerkbar. Im Juli und August werden wir 4 Wochen Ferien haben, davor und danach jeweils noch zwei Wochen in den Workshops. Bei zwei Unis habe ich mich mittlerweile beworben und in den Ferien möchte ich noch in das Tatra-Gebirge, zum Woodstock- Festival und vielleicht Kajak fahren in den Masuren.