Staatsangehörigkeit und Unzufriedenheit - Teil 3
1. Was läuft gerade schief in Rumänien?
2. Was veranlasst dich auszuwandern?
3. Was veranlasst dich im Land zu bleiben?
4. Glaubst du an eine zeitnahe Verbesserung der aktuellen Zustände?
Corina – hat ihren Bachelor in Translationswissenshaft in Rumänien abgeschlossen und wird im Herbst nach Wien umziehen um ihren Master im gleichen Bereich weiter zu machen.
1. Als rumänische Bürgerin, die in Rumänien lebt, muss ich sagen, dass ich die Tendenz habe, die Frage ironisch zu betrachten und mich über die ganze Situation lustig mache. Ich habe das Gefühl, dass, seitdem PSD (die sozialdemokratische Partei) die Mehrheit im Parlament gewonnen hat, hat unser Land nicht nur innerlich gelitten – wegen Inkompetenz und Unwissenheit der Führungspositionen – sondern auch von außen, durch das Bild, das Menschen von Rumänien nun haben. Ich bin keine tief informierte Person, wenn es um Politik geht, aber ich kann trotzdem ein paar Stichpunkte nennen, die sowohl die lächerliche als auch die tragische Zustände Rumäniens zeigen.
Erstens – OUG 13 – ein Gesetz, das über hunderttausend Verurteilte, die entweder „kleine“ Delikte wie Betrug in großer Geldbetrag begingen oder Kriminelle und Vergewaltiger, die sobald sie ihre Freiheit wieder gekriegt haben, rückfällig geworden sind, begnadigte.
Zweitens – die andauernde und beunruhigende Erhöhung der Inflation, infolge einer mangelhaften Behandlung des Staatshaushaltes. Als Beispiel für diese mangelhafte Behandlung steht die riesige Finanzierung der politischen Parteien (mit mehr als 200% wenn ich mich nicht irre)
Drittens – eine Menge von Memes und online Witzen, die für die Unfähigkeit unserer Ministerpräsidentin sprechen, oder die sinnlose Rede einem unserer Vertreter (einem Experte was Angeln angeht) im europäischen Parlament, oder alle anderen Minister, die offensichtlich Geld waschen und spontan Entscheidungen treffen, Entscheidungen die den Alltag der Schüler, Angestellten und Pensionäre verwirren.
Damit glaube ich, dass die Zukunft Rumäniens an einem seidenen Faden hängt, wenn es um politische Stabilität, Demokratie und ökonomische Aussichten geht.
2. Was mich auszuwandern veranlasst, sind die politischen Zustände, denn die Korruption ist nicht nur auf hoher Ebene spürbar, sondern es breitet sich in den staatlichen Einrichtungen, mit denen ich zu tun habe, auch aus. Es beeinflusst meine Erfahrungen in diesen Einrichtungen erheblich.
Dann ist auch das Problem, dass ich mein Studium im Land nicht weitermachen kann, denn die Einrichtung, wo ich studieren möchte, bietet mein Fachgebiet nicht an.
Und drittens, die gegenwärtige rumänische Kultur. Ich glaube, dass wir als Volk viel mehr zu lernen haben, was große Themen wie Leben, Arbeit und Familie angeht. Ich habe die Nase voll von „old-fashioned“ kommunistischen Vorurteilen, die sich in der Mentalität der Menschen imprägniert haben und dazu auch die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, was ich dauernd bei meinem Arbeitsplatz erlebe.
3. Ich stamme aus Rumänien. Ich bin hier aufgewachsen, ich habe hier studiert und ich habe meinen ersten Job hier gehabt. Das bedeutet, dass ich ein Netzwerk von Bekannten habe, was mir in der Zukunft nützlich sein könnte. Wenn ich jetzt auswandern würde, würde ich mein Netzwerk neu bauen müssen. Noch wichtiger, in Rumänien befinden sich meine Freunden, meine Familie und mein Freund. Und als letzter Grund, ich glaube, ich hätte bessere Chancen auf ökonomische Stabilität in Rumänien als in jedem anderen entwickelten Land.
4. Ja, wenn „die Guten“ schnell und schlau agieren. Dieses Jahr werden einige Möglichkeiten in Rumänien geben, um eine Änderung zum Besseren vorzunehmen: europäische Wahlen im Mai, Präsidentenwahlen im November, Lokalwahlen im November und Parlamentswahlen in 2020.
Ligia – wurde in Rumänien geboren, ist aber mit 9 nach Kanada ausgewandert und hat die Schule dort abgeschlossen. Nach einem Jahr in Frankreich hat sie sich an der Uni in Rumänien immatrikuliert.
1. Ich bin eher dazu geneigt, die Politik in Rumänien zu ignorieren, denn ich finde die Nachrichten nervtötend und größtenteils auf Wirbel und Klatsch fokussiert. Also, ich bin ohne politischen Umgang, kann aber trotzdem, von meinen Standpunkt aus sagen, dass ich enttäuscht von der Sorglosigkeit der Rumänen für die Umwelt bin. Wir streben nach wirtschaftlichem Wachstum, unabhängig davon, dass unsere Wälder als Folge verschwinden. Recycling ist ein Scherz und wir kaufen Nahrungsmittel aus weit entfernten Ländern, anstatt, dass wir unsere eigenen Mittel beschaffen. Ja, wir haben lokale Märkte, aber sie mühen sich ab, um sich über Wasser zu halten, angesichts der Preise der großen Ketten. Rumänen scheinen den Gesamtzusammenhang aus den Augen zu verlieren und wirken eher eigennützig.
2. Was mich zum Auswandern veranlasst, ist der Mangel an Binnenressourcen. Es ist nicht einfach, als Übersetzerin der rumänischen Sprache zu arbeiten. Ich muss also immer Kunden im Ausland suchen. Ich vertraue dem rumänischen Verwaltungssystem nicht, weswegen ich als Freelancerin in einem anderen EU-Land registriert bin. Und das nur, weil ich die Unsicherheit und den Aufwand des Systems vermeiden wollte. Ich kann es kaum begreifen, eine Familie hier zu gründen, weil ich es nicht will, dass meine Kinder das rumänische Schulsystem durchleben. Es ist veraltet und es züchtet Kummer, anstatt Vertrauen in unsere zukünftige Generationen einzuleiten.
3. Was mich zu bleiben veranlasst, mindestens kurzfristig, sind die Lebenskosten. Obwohl die Preise auf dem Vormarsch sind, ist es immer noch leistbarer hier zu leben, als in anderen europäischen Ländern. Ich sehe aber auch eine schnelle Entwicklung in meiner Stadt, Cluj-Napoca. Es ist von Neuheit eingegossen und es erschafft sich neu, Tag für Tag. Sanierungen sind reichlich vorhanden, Geschäfte entstehen in jeder Ecke... es macht Spaß alles mitzubekommen.
4. Nochmal, ich glaube Cluj wird sich positiv weiterentwickeln, aber ich bin mir nicht sicher, dass das über das ganze Land gesagt werden kann. Als EU-Mitgliedsland hat Rumänien alle Gründe sich weiter zu verbessern. Die Rumänen wollen „Teil des Abendlandes“ sein und sie übernehmen Ideen von ihren westlichen Nachbarn. Ich glaube, einige gute Sachen werden auf uns abfärben. Und als Nebenbemerkung, viele junge Rumänen kommen zurück ins Land. Die Rumänen aus Nordamerika kommen zurück und legen Geld an, um sich hier ein neues Leben zu bauen. Also, eine stabile finanzielle Bedingung kann den entscheidenden Unterschied machen. Das Land hat denjenigen, die es sich leisten können, viel zu bieten, aber ohne Fremdhilfe (i. e. Erbe, unternehmerisches Vorhaben, Geld von Verwandten) kann das Leben in Rumänien unerträglich hart sein.
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