Staatsangehörigkeit und Unzufriedenheit - Teil 2
Auf Vorschlag der Redaktion, habe ich mich dazu entschieden, eine Fortsetzung zum Artikel „Staatsangehörigkeit und Unzufriedenheit“ zu schreiben. Die vorliegenden Meinungen wurden von fünf meiner Freunde, alle Rumänen, die entweder in Rumänien oder im Ausland wohnen, gesammelt und werden in zwei Teile geteilt. Sie sollen ein aktuelles vollständiges Bild Rumäniens malen. Die Fragen, die alle beantworten mussten, sind die folgenden:
1. Was läuft gerade schief in Rumänien?
2. Was veranlasst dich auszuwandern?
3. Was veranlasst dich im Land zu bleiben?
4. Glaubst du an eine zeitnahe Verbesserung der aktuellen Zustände?
Ana - macht zurzeit ihr Masterstudium im Bereich Konferenzdolmetschen in Rumänien, im ersten Jahr:
1. Vieles läuft schief in Rumänien gerade. Wir sind daran, die Präsidentschaft der Europäischen Union zu übernehmen, was bedeutet, dass wir unsere schmutzige Wäsche nicht nur Zuhause, sondern auch vor anderen Leuten waschen werden. Theoretischerweise haben wir die Gelegenheit uns zu beweisen, aber was tatsächlich passiert ist, dass unser Primminister uns Bürger vom zweiten Rang nennt und verlangt, dass uns auf Augenhöhe begegnet werden soll. Was eigentlich Quatsch ist, denn jeder weiß, dass wir nirgendwo auf der Welt ungleich betrachtet werden.
Habe ich erwähnt, dass die rumänische Regierung versucht, den Aufstieg einer eigenen Kandidatin als EU-Staatsanwältin zu verhindern? Laura Codruta Kovesi, eine der wenigen politischen Persönlichkeiten, die gegen Korruption kämpft, wurde von unserem Justitzminister, einem Mann, der aussieht, als wäre er gerade aus eine Kneipe hinausgeworfen worden, in Verruf gebracht.
Gesetzlich sieht es auch schlimm aus. Neue Gesetze werden ständig vorgegeben, die (noch) mehr gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Es lohnt sich nicht, über die unaufhörliche Themen wie Korruption, Inkompetenz und mangelhafte Infrastruktur zu sprechen. Als aktuelle Nachricht gab es folgende: Ein Italiener, der als letzte Bildung die Grundschule beendete, hat bei uns im Krankenhaus als Chirurg gearbeitet. Selbstverständlich gab es infolge dessen Witze wie „er musste derjenige sein, der unsere Ministerpräsidentin das Gehirn wegoperiert hat!“
2. Ich gehe theoretisch davon aus, dass ich immer meine Möglichkeiten verfolge. Bei der ersten Gelegenheit, an einen zivileren Ort zu gehen, würde ich es tun, wenn es an diesem Ort Möglichkeiten für meine Weiterentwicklung und mein Wohlbefinden gäbe.
3. Wie gesagt, bei mir spielen die Möglichkeiten eine große Rolle. Aber das ist im Endeffekt nur Theorie, denn die Wahrheit ist, dass ich an mein Zuhause gebunden bin, auch wenn ich es satt habe. Ich will kämpfen um alles besser zu machen, auch wenn ich es nicht weiß, wie ich es tun sollte. Ich will bei meinen Freunden bleiben (bei denjenigen, die hier geblieben sind, denn ich kann mich nicht in kleine Stücke teilen, um bei all meinen Lieben zu sein, die auf der ganzen Welt verbreitet sind.)
4. Die USR-Plus-Allianz, die zum ersten Mal im Europäischen Parlament und dann zu verschiedenen inländischen Wählen als Kandidat vorgeschlagen wird, hat sehr gute Voraussetzungen. Sie haben ernsthafte, fähige, vielfältige Menschen, die nicht dazu da sind, ihre Position auszunutzen, sondern etwas zu verändern. Das rumänische politische System ist Virusbefallen, und USR-Plus ist der einzige Impfstoff, den wir jetzt haben. Selbstverständlich wird kein Wunder geschehen, auch wenn sie gewinnen werden, denn das Virus ist schon in viel zu tiefe Ebene imprägniert. Aber solange es ein paar Leute gibt, die versuchen eine Änderung hervorzurufen (und ich persönlich kenne Viele die es machen), bleibe ich optimistisch.
Alex – lebt seit drei Jahren in Großbritannien und studiert dort Rechnungswesen:
1. Meiner Meinung nach sieht die aktuelle Situation Rumäniens ganz dunkel aus. Die Tatsache, dass Menschen mit kriminellen Daten an der Spitze des Landes sind und, dass ihre politische Ideen kommunistisch, populistisch und veraltet sind, entrüstet mich. Ich bin mir hundert Prozent sicher, dass wir die negativen Auswirkungen in einigen Jahren vollkommen spüren werden.
2. Das Wichtigste für mich, und eigentlich das einzige, was mich vom Land fernhält, ist das Fehlen von Arbeitsmöglichkeiten. Die Berufsauswahl, mindestens im Bereich Finanzen, ist sehr begrenzt, besonders wenn man nicht in Bukarest lebt.
3. Ich mag die allgemeine Atmosphäre in Rumänien. Es fühlt sich selbstverständlich familiär an. Ich kann aber kein logisches Argument finden, um zu bleiben. Freundschaften, Familie, Zugehörigkeitsgefühl, das sind alles subjektive Dinge, die ein stabiles Leben nicht wettmachen können.
4. Es geht darum, was mit „zeitnah“ gemeint ist. Bei diesem Tempo, würde ich sagen, dass es mindestens zehn Jahre dauern wird, um eine Verbesserung der aktuellen Zuständen bemerken zu können. Ich denke, dass wir eine Menge aufholen müssen, um mindestens nahe an die anderen europäischen Länder kommen zu können.
Roxi – studiert Zahnmedizin in Rumänien, im vierten Jahr:
1. Ich gebe zu, unwissend zu sein. Politik ist nicht mein Ding und es kann sein, dass ich in meiner eigenen Blase lebe. Trotzdem habe ich Korruption und Vetternwirtschaft auf meiner eigenen Haut erlebt, als ich einen Platz im Studentenwohnheim mit Kaffee, Schokolade und einem fetten Briefumschlag bezahlen musste. Unsere Regierung ist beschissen und das wird sich nicht schlagartig ändern.
2. Ich will nicht auswandern. Im Vergleich zu der Mehrheit meiner Mitbürger, sehen meine Arbeitschancen im Land ganz gut aus. Es gibt aber ein paar Sachen, die die Waage neigen könnten, und nämlich die rumänische Mentalität, die Oberflächlichkeit und Frivolität der Menschen und der Mangel an Innovation. Ich glaube trotzdem, dass ich das Land nur dann verlassen wurde, wenn es eine Entwicklungsmöglichkeit oder eine Möglichkeit, Erfahrung in meinem Bereich zu sammeln, gäbe – aber auch das nur für eine befristete Zeit und nicht für immer.
3. Ehrlich gesagt, abgesehen davon, dass meine Familie und Freunde hier sind (Naja, die wenigen, die noch hier geblieben sind), sind die Bequemlichkeit und die Sicherheit eines Arbeitsplatzes nach dem Studium gute Gründe für mich zu bleiben. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
4. In wenigen Worten: Ich hoffe doch.
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