Siebtens: zum ersten Mal
Wilhelma macht diese Woche alles Mögliche zum ersten Mal: sie bekommt den ersten Besuch, geht ins Fitness Cemter, hat eine Autopanne, backt Brot, sieht wie Küken schlüpfen und muss sich mit einem einem Hockeyschläger auseinander setzen...
Zum ersten Mal Besuch hatten wir letztes Wochenende von Ramona und Carlos, ihrem spanischen Mitbewohner, aus Oxford. Ramona wollte endlich wieder Deutsch reden und ein wenig Abstand von Carlos gewinnen, was auch verständlich ist, da man gerade am Anfang sehr aufeinander angewiesen ist. Sie haben bei mir im Zimmer geschlafen, das somit bis in die letzte Ecke ausgefüllt war und auch in der Küche blieb nicht viel Platz, aber es war gemütlich. Außerdem muss man sagen, dass die zwei ein klasse erster Besuch waren!
Wir waren auch nicht faul und haben vieles unternommen. Erstmal gutes deutsches Essen, ist ja klar: Kartoffelpuffer mit selbstgemachten Apfelmus. Das hat auch Carlos geschmeckt, der das zuvor noch nicht gegessen hatte. Danach waren wir kreativ und haben mit unseren frisch gekauften Fingerfarben gemalt. Ich habe angefangen, Judith zu malen, das heißt, erst hat sie sich auf ein großes Blatt Papier gelegt und ich hab sie abgepaust. Jetzt bin ich dabei sie fertig zu malen und einen Hintergrund zu gestalten. Am Samstag Abend sind wir zu Anne und Ivan nach Maidstone (zwei andere Freiwillige vom Roten Kreuz), damit Carlos und Ivan, unsere zwei Spanier, sich auch wiedersehen und wir wollten zusammen in Maidstone ausgehen. Anne und Ivan waren erst sehr erstaunt, als wir vor der Tür standen, weil die beiden nicht damit gerechnet haben, dass wir bei ihnen schlafen. An der Kommunikation müssen wir noch arbeiten, wobei ich dazu sagen muss, dass es nur die Schuld von den Jungs war, ist ja klar...
Zum ersten Mal waren wir die Woche im Fitness Center, zum ersten Mal in unserem Leben und dazu noch in England. Aber es war wirklich sehr amüsant. Judith hat vorgeschlagen in Legs, Bumps and Tumps (also Bauch, Beine, Po) zu gehen und da waren wir dann auch: Ohne Rhythmusgefühl, ohne Fitness und keine Ahnung, von dem was die Kursleiterin eigentlich redet, sind wir eine Stunde durch die Halle gehüpft. Zum Glück waren wir zu zweit, weil so hatten wir Spaß und haben uns nicht geschämt, wenn wir alles falsch gemacht haben.
Zum ersten Mal hatten wir auch eine Autopanne. Nach dem Fitnesskurs sind wir nach hause gefahren und es war schon dunkel. Ich saß am Steuer und hab ein Schlagloch übersehen, weil Judith und ich uns unterhalten hatten. Und Peng, da war es um den Reifen geschehen! Am nächsten Morgen haben wir das Rosie, unsere Ansprechpartnerin für Wohnung, Auto und ähnliches, gebeichtet, aber es war alles kein Problem. Das Auto ist im Moment nicht zu benutzen, weil nicht nur der Reifen, sondern auch das Rad kaputt ist, aber nächste Woche sollte das geklärt sein. Und dann werde ich langsamer und aufmerksamer Auto fahren....
Zum ersten Mal hab ich die Woche Küken schlüpfen sehen! Ohhhhh! Das war so süß und ach, das war ein wirklich schönes Erlebnis! Die Schule hat 11 Eier von einem Bauern bekommen und dazu Brutkasten und alles mögliche, was man halt braucht. Mittwochs ist dann das erste geschlüpft, es heißt, glaube ich, Spencer, und am nächsten Tag waren es schon drei Mädchenküken und drei Jungsküken. Am Anfang sehen sie zwar ein wenig mitgenommen und nicht sehr nett aus, aber seit ihr Gefieder getrocknet ist, sind sie fluffig und süß.
Zum ersten Mal habe ich hier selbst Brot gebacken. Und es schmeckt so gut! Wir haben ein Rezept von Judiths Mutter und ein Rezept von der Mutter eines Freundes von mir und da wir dem englischen „Brot“ sehr argwöhnisch gegenüber stehen, haben wir angefangen, unser eigenes Brot zu backen. Unser einziges Problem dabei ist das Mehl. Wir wollen nämlich richtig gutes Vollkornbrot backen, dazu brauchen wir aber Vollkornmehl. Und das gibt es hier nicht. Es gibt braunes Mehl, das ist alles.
Zum ersten Mal hatte ich diesen Dienstag Angst, von einem Hockeyschläger im Gesicht getroffen zu werden. Der Stiefvater eines Mädchens ist am Montag gestorben. Sie hat seit dem Tod ihres Stiefvaters nicht geweint, scheint auch nicht traurig zu sein, viel mehr ist sie unausgeglichen und wütend. Und sie hat Hockey wie eine Axt im Wald gespielt. Egal wer ihr im Weg stand, sie musste den Puck haben. Und dann wurde weit ausgeholt und der Puck flog durch die Halle. Im Meeting wurde am Tag darauf diskutiert, wie man ihr am besten helfen kann, wie man ihr helfen kann, ihre Trauer auf eine richtige Art heraus zu lassen. Sie arbeitet jetzt mit ihrer Keyworkerin an einem Memory-Book, in das sie ihre Erinnerungen rein schreiben soll.