Richtige Aufregung!
So viel Aufregung gab es in letzter Zeit für mart, dass er ganz verwirrt davon ist. Ausgelöst durch Gewinnspielstreben, bezaubernde Schwestern, unmotivierende Teams, Ausländer, die so tun als seien sie Amerikaner, und noch Einiges mehr droht ihm der Faden des Verstehens zu entgleiten...
Verwirrende Unordnung zu Ehren Thomas Manns
Dieser Eintrag wird wohl etwas ungeordneter als gewohnt. Noch ungeordneter? ...und schon passiert...
Also, ich bin jetzt noch verwirrter als ich schon zuvor war. Alles dreht sich. Ganz ohne Drogen. Obwohl ich gestehe, seit jemand dieses Gewinnspiel gewonnen hat, bei dem im Deckel einer Bierflasche ein Auto gewonnen werden kann, weil man diesen Deckel dann gegen einen Jeep eintauschen kann...
Ja, ich weiß. Ich werde ihn nicht finden. Ich gehe für Variante dwa - die sieben Buchstaben von "BALTIKA" (der Biersorte), und ich bekomme eine Kamera. Fünf habe ich schon.
Für dieses dwa würde ich übrigens – dank Dana, der gefährlich entwaffnenden Schwester meiner zuckersüßen Freundin Cristina – bereits K.O. am Boden liegen, denn sie hasst russki jasik in "ihrem" Land. (Ja, immer noch, auch wenn sich jetzt mancher vielleicht wundert. Für jene, die mich nicht persönlich kennen, hier die Erklärung, wieso sie es nicht mehr sein könnte: Nummer 1 - ich bin nervig. Nummer 2 - ich bin von Mädchen und Beziehungen oft und schnell genervt.)
Okay, tief durchgeatmet, ich entlaste Euch von diesem nervig langen, selbst mich anstrengenden, überhaupt überflüssigen…. (Denn ich bin ja nicht Thomas Mann, Thomas Mann hat ja schon alles geschrieben, den muss niemand noch extra kopieren, da kann er sich die Zeit sparen und Mann lesen, und wenn er mit Thomas fertig ist, dann Klaus, vielleicht ein bisschen von Heinrich, und dann noch die Biografien, aber zurück zum Thema, wieso vergesse ich eigentlich die Frauen, ich bin schon manchmal zu sexistisch, aber wie gesagt, wegen dieser antirussischen Einstellung bin ich immer noch so schlecht in Russisch, jetzt wo ich die Russischstunden beendet habe und auch mein Rumänischdiplom abgeholt habe...)
Zurück zum Ernst des Lebens – der Arbeit
Zum Text: Die Arbeit ist mir in der Hitze schon etwas anstrengend. Habe ich, hier im Youth-Reporter, schon von meiner Arbeit erzählt? Wir organisieren, als Partner-NGO von Service Civil International, Workcamps. Auch auf Deutsch heißt es Workcamp, sonst wären die Camps wohl nicht so begehrt. Ich werde hier keine Intensivwerbung betreiben, wer mehr will, schaut auf sciint.org. Es ist eine Erfahrung, eine tolle sogar.
Das Problem: Das Team ist unmotiviert, es gib für nichts Geld, weil das unmotivierte Team kein gutes Fundraising macht. Weil es kein Geld gibt, ist das Team unmotivierter. Mitglieder gehen (oder werden schwanger). Es gibt weniger, die sich ums Fundraising kümmern, und mehr Frust. Mehr Mitglieder gehen. (Hier kann der Absatz von vorn gelesen werden.)
Dieses Jahr haben wir noch ein riesiges Extra-Projekt: Ecotopia. Ihr seid eingeladen, schaut es Euch an auf www.eyfa.org. Mindestens 200, vielleicht auch 500 Ökos aus Europa werden zwei Wochen lang einen ökologischen, Ressourcen schonenden Lebensstil pflegen: Kein anorganischer Abfall, vegetarisches Essen aus der Region, Strom nur aus alternativen Energien, leben im Zelt oder der Holzhütte. Das besondere Extra: Das Ganze wird auch noch in einer perfekten Gesellschaft passieren, der Konsens-Gesellschaft. Alle Entscheidungen werden im Konsens getroffen, dadurch lernt jeder, besser zu argumentieren und sich besser zu verhalten. Jeder Teilnehmer hilft wo er kann, alle sind gleichberechtigt.
Dazu bin ich noch als Korrespondent im Netzwerk n-ost aufgenommen worden, nachdem ich bisschen für die OsteuropaWebzeitung "die spinne" geschriebselt habe. Und das jetzt, in meiner uninspirierten Phase...
Aber das nur am Rande, die Hauptsache ist, dass ich allein im Büro sitze und mich mit dem Austausch der Freiwilligen für SCI-Camps beschäftige. Die bewerben sich für Camps, um dann, nachdem die Einladung fürs Visum drei Mal per Express abgeschickt wurde, zu verschwinden. Oder zu merken "Es ist ja im September, huch, da hab ich Uni", und abzusagen. Oder nicht zu verschwinden, aber dann in Frankreich verschwinden wollen.
Und dann gibt's noch die Perfekten. Die sich aber zu spät bewerben, wenn schon die Camps voll sind. Die werden dann nicht akzeptiert. Und dann gibt's noch die absolut Perfekten, die sich für Länder bewerben, für die das Visum etwas leichter zu erwerben ist. Aber da arbeitet dann die Partnerorganisation nicht richtig, oder die Post geht verloren. So dass ich mich hier vielleicht so ziemlich umsonst geärgert habe.
Wundert Ihr Euch, wenn ich Euch erzähle, dass ich gestern bei einer außerordentlichen Hauptversammlung (die bitter nötig war, und um die ich ewig gebettelt hatte, wir hatten nämlich keinen funktionierenden Vorstand mehr und eine hochschwangere Präsidentin) Mitglied geworden bin? Ich auch irgendwie. Danach hatte ich den ersten Streit mit Cris. Echt schade, aber nur für zwei Stündchen voller Schmollens... ;)
Heeeeeeelllloooo beiiibiee
Ja, das war dann so das mit dem Arbeiten, ist ja eigentlich viel zu langweilig. Lustiger sind da die Amerikaner. Cristinas Gasteltern waren hier (jetzt sind sie in die Ukraine weitergereist).
Wir holten sie also am Flughafen ab. Da Cindy, Cris' One-year-host-mom die Abflugs- und Ankunftszeit verwechselt hatte, hatte Cris’ Chisinau-Vater Vasile genügend Zeit, so richtig in Rage zu kommen. Das macht er nämlich noch lieber als ich. Während ich im Flughafen Cris' Luftballon zerpiekte (was ein Spaß, wie alle zusammenzuckten und ich nicht verhaftet wurde), trudelte die zweite Gasttochter ein. Vlada war ein Jahr später in "Omeha, Nibreska" gewesen. Seit ich sie kenne, weiß ich was schlimmer als Amerikaner ist: Ausländer, die so tun, als seien sie Amerikaner.
"Hello, helloooo, oh, sooo good to seee you, and, ooooooooh, you have a ‘boiiiiiifriend’" - Cindy - und auch ihr ´’hasbent’ Tom - waren eingetroffen. Die perfekten Mittelschicht-Amis: nur ein Porsche, Sohn im Irak, Bush-Unterstützer, weil er halt der Präsident ist und die Steuern schön niedrig hält (denn hohe Steuern fließen ja nur in die Taugenichtse...)
Schon nach zwei Minuten war mein Mund recht schmal und geschlossen, denn, ach jetzt ist mir ihr Name entfallen, wie war er noch gleich, ah, Cindy, ja, Cindy, nun, sie hatte meinen Namen bereits dreimal vergessen, und dem gesamten Flughafenpersonal die Englischkenntnisse für "si tu ai un prieeeeeten" vermittelt (und Du hast einen Freuuuuund).
Aber wie gesagt, die Schlimmere war und ist Vlada. Nachdem sie nichts vom Flug gesagt hatte, hatte sie auch nichts vom Diner bei ihr gesagt, und dann, nach später Einladung, nichts über die Route zu ihrem Haus. Alles nicht cool, aber am heißesten: "Wo hast du denn das her?" – So wurde jeder Stoffteil jeder Person begutachtet, die ihr über den Weg lief. Dazu dieses unechte Freundlichlachen. Ihr wisst, was ich meine? Wenn nicht, Gratulation für das geniale Leben - und eventuell Aufforderung zur Selbstbeobachtung!
Nun ja, diese Person jedenfalls hat mich aufgeregt. Am Genialsten wurde es, als wir in der Disco "Military Pub" waren. Sie gab sich als Amerikanerin aus, angelte auch schnell einen Typen.
Als Cris und ich zum Taxi wollten, fand sich nachts um drei eine sehr seltsame Gruppe zusammen: Vlada, im Arm der neuen Liebe (Scherz) wurde von einem Kerl angesprochen "You're not from U.S." Als sie ihm klarmachte, sie sei „from Omaha“, wollte er ihren Ausweis sehen - und zeigte seinen Führerschein aus Omaha. Dazu gesellte sich ein Kerl, der mir schon dreimal in der Stadt aufgefallen war. Ein Italiener, wie sich heraus stellte. Das seltsame an der Gruppe war dann, dass sie Deutsch zu sprechen begann. Vlada hatte einen Wettbewerb mit ihrem Deutsch gewonnen, der Neue war im Autohandel tätig, und der Amerikaner schien alles zu können, ebenso der Italiener scheinbar auch. Da stand ich, und mir war etwas eigentümlich zu Mute...
Der liebe Schwiegerpapa…
Einen weiteren neuen Charakter muss ich noch einführen. Und das ist natürlich immer ein delikates Thema.
Der Schwiegervater. Ich bringe ihm immer ein deutsches Bier mit. Er mag Autos und Wein. Und nimmt jetzt Listenplatz Nr. 6 ein, auf meiner "Automitbringliste". Er ist Pascha, bestimmt gern, macht auch unsinnige Entscheidungen, will Macht über sein Töchter, redet immer über Geld, macht schreckliche Witze (ich verkneife mir, jenen über das petersilieähnliche Grünzeug zu erwähnen, das hier als Potenz stärkend betrachtet wird, und dass er mir vor seiner Tochter und ihren amerikanischen Gästen, direkt nach der Autobestellung, empfahl).
Ich möchte doch erwähnen, dass man ja immer das kritisiert, was man an sich selbst als Fehler sieht, aber irgendwie nicht abstellt.
Ach, in dieser Klammer bin ich doch in die Geschichte am Esstisch abgerutscht. Abendessen bei Gutus. Ich sitze neben Vasile, und Cris neben mir. Vasile ist super happy, streicht mir gutem Jungen über den Rücken (erschrockene Blicke von links von den Mädels). Meine Übersetzungen zwischen den Amerikanern und Vasile ernten Applaus.
Dann meine Aussage, ich könne kein Auto importieren (auch keinen Porsche in die USA). Vasile findet Halt in dem Spruch, Katholizismus gefalle ihm. Nein, nicht so verbreitet bei mir zu Haus? Protestanten? Sekunden später schlägt Vasa die Hände über dem Kopf zusammen. Ein Atheist als Schwiegersohn?
Dann geht es weiter, über meine Geschwister. Ah, Schwester? Größer, kleiner? Ah. Verheiratet? Kinder? Sekunden später zeigt Vasa zur Tür, als ich ihm meine englische Antwort übersetzt habe. Freundin und Freundin???
Vlada, die Gute, hat meinen Aufenthalt verlängert, indem sie mir nicht glauben wollte, und Vasile erzählte, es sei nur ein Scherz, dass meine Schwester eine Freundin habe. Da war er beruhigt. Und sie hat's nicht geglaubt. Und der falsche Frieden ist gewahrt.
Belohnungsgeschichten für tapfere Helden
Ihr habt Euch durch all dies Negative gekämpft - Ihr seid Helden! Zur Belohnung Positives: Über HC (www.hospitalityclub.org) hatte mich schon vor Monaten ein Amerikaner nach einem Dach für ihn gefragt. Ich hatte bejaht, weil ich ja noch mit Iulic und Cornel lebte, und wir bis zu acht Leuten keine Probleme sahen. Doch nun mein kleines Zimmerchen.
Tristan aus Seattle kam erstmal mit zu den gastfreundlichen Gutus, wo wir dann schließlich über einem Film wegdämmerten, ins Reich der Träume, zu je einer der beiden Schwestern im Nebenzimmer...
Zu Tristans (und auch Danas) Pech fuhren wir am Samstag alle in die Ukraine (und er wollte noch sein Single-Entry-Visa für Moldau nutzen) - zu Cristinas Bunica (Oma). Dieser südliche Teil Moldawiens gehört offiziell zur Ukraine, aber beispielsweise das Dorf, in dem Cris ihre Kindheitssommer und Dana ihre ersten Jahre verbracht hat, ist komplett 'romanophon'.
Die Anreise war hart: Ionuti, Dana und ich wollten um 7.00 Uhr losfahren, per Bus. Wir waren bis 3.00 Uhr ausgegangen, und Dana hatte mich bis 6.40 Uhr zu wecken versucht, aber mein Handy war auf Vibrationsalarm gestellt. Dann die glorreiche Idee des Zu-Hause-Anrufens. 6.42 Uhr war ich vor der Tür, und wir rasten per Taxi zum Bahnhof.
7:10 Uhr, Ionuti wartet. Mit uns. Der Bus nach Ismail, der Stadt nahe unserem Zieldorf U., fuhr nicht. Also fuhren wir nach Cahul, im Süden Moldaus. In einem angenehmen Bus. Von dort mit einem Bus nach Boghdan. Schrecklich. Hitze. Gestank. Leute überall, der Gang gefüllt (altbekannt). Boghdan – Ismail in diesem älteren ungarischen Ikarus-Bus, den ich noch aus Dresden kenne. Und schließlich wieder Schritt, von Ismail ins Dorf. Uschas (=Russisch „schrecklich“)!
Bei Bunica: Geniales Essen, der Abschlussball des Dorfgymnasiums, eine großartige Oma, ein netter Onkel, Enten, Hühner... Als Übersetzer zwischen dem Onkel und Amerika-Tommy konnte ich gar kein gutes Verständnis bringen, als es um die ukrainische Wirtschaft ging. Vasile (auch der Onkel heißt so) ist nicht reich – Tom kann das nicht verstehen.
Wie übersetzt man, wenn die beiden Parteien nicht nur nicht eine Sprache, sondern überhaupt keine gemeinsame Sprache haben, aneinander vorbei reden? Cindy und Tom wurden dann, einen Tag eher, von Vlada gedrängt, weiter in die Ukraine hinein chauffiert. Vlada brauchte sie ja. Einen Monat lang hatten sie sich nicht gesehen. Cristina ging leer aus, wollte sich nicht aufdrängen...
Sogar der Sänger von Zdob si Zdub (bekannteste moldawische Band, bei Eurovision 2005 dabei), Roman, musste sich mit den beiden wie eine Wachsfigur fotografieren lassen, weil Vlada ihm zeigte, dass da Amerikaner sind... Eyeyey, der Junge sah so leidend aus, nach dem Motto "Ich will heim". Ich aber war zufrieden: Wärme, Sonne, Ruhe, Essen, ein Buch, lustige Tiere überall...
Schattenseiten
Als wir wieder kamen, gingen Dana, Tristan und ich in den Black Elephant. Ein Junge lud uns an den Tisch mit seinen drei Kumpels ein und wir tranken zusammen ein Bierchen. Es waren ein Medizinstudent, der Schlagzeuger der Rockband Alternosfera, und zwei weitere Musiker. Ein cooler Abend, mit recht interessanten Gesprächen. Dann überredeten uns die Jungs, in den Military Pub mitzukommen, weil der Black schloss...
Dort angekommen - wieder mal unglaubliche Mädchen, eyeyey, und dann fragt mich doch der Bursche, mit dem ich die ganze Zeit geplaudert hab: "Do you want a girl?" Stille. Während die Musik weiterhämmert. "Was, sind die hier alle professionell?" - "Today about 20".
Der Abend war gelaufen, ich fühlte mich beobachtet, Dana, die für eine Anti-Frauenhandel-NGO arbeitet, konnte es nicht glauben. Unter einem Vorwand kamen wir irgendwie gegen 3.00 Uhr raus, wir mussten ja auch wieder arbeiten. Also was war das gewesen?
Diese Frauengeschichten sind wirklich arg hier. Mädchen üben ihr Türkisch auf der Strasse, eine Gruppe von Türken lässt sich von einer Schar Frauen begleiten, die quasi hinterher rennen, um mitzukommen. Mitten in Chisinau, auf der wichtigsten Kreuzung, gegen 11.00 Uhr abends. Dazu vielleicht noch mehr Recherchen, später. Mal sehen.
Und jetzt packe ich mal für Falesti. Und morgen habe ich ja den Prozess - das wird auch sicher spannend, ob ich Schmerzensgeld bekomme, wie viel Strafe für den Dieb?
Cheers, Maddin.
Sorry für den Negativartikel ;)
PS: Freu mich schon auf den 5.9. - Dresdeeen :D"