Raus in die Natur
Inzwischen hat auch hier der Sommer begonnen. Deshalb bin ich nun schon seit einigen Wochen sehr viel im Freien beschäftigt und habe einige Touren gemacht.
Ausflug nach Ust-Kamtschatsk:
Anfang Juni hatte ich zusammen mit Vera und Susan ein paar Tage freigenommen. Aufgrund des Endes ihres EFD wollten wir noch einmal etwas von Kamtschatka sehen. Dazu fuhren wir mit dem Auto an die Pazifikküste Kamtschatkas, in die Stadt Ust-Kamtschatsk.
Da wir die letzte Fähre an die Küste nicht mehr bekommen hatten, zelteten wir die erste Nacht im Hinterland. Allerdings hatte wir schon ein paar Stadtteile der ehemals großen Stadt gesehen. Diese machten aber allesamt einen traurigen Eindruck. Denn die Stadt lag im Sterben, die Leute zogen von dort weg. Deshalb lagen viele große Wohnblocks verlassen und verfallen da. Überall lag Müll und Schrott herum und selbst die Schule glich einer Ruine.
Am zweiten Tag erreichten wir dann das Ufer des Beringmeers (=Nordpazifik).
Auf Spaziergängen am Ufer entlang sahen wir Robben im Wasser und einige Adler in der Luft. Außerdem jede Menge Müll und ein weiteres zerfallenes Stadtviertel.
Am dritten Tag fuhren wir wieder zurück. Obwohl die Stadt schlimm aussah, war es dennoch interessant dort gewesen zu sein, in der Fischereistadt, in der es keinen Fisch mehr zum kaufen gibt. Jetzt weiß ich die Schönheit und Aufgeräumtheit von Esso erst richtig zu schätzen.
Abschied:
Mitte Juni war es dann für Susan und Vera so weit: Ihr EFD war zu Ende und sie reisten zurück nach Deutschland. Nachdem wir neun Monate zusammen gelebt und gearbeitet hatten fiel mir der Abschied nicht ganz leicht.
Doch eine neue Generation von Volontären ist schon hier: Jetzt heißen meine Mitbewohner Benjamin, Maude, Stefan und Frederic.
Aber der Abschied wurde mir auch dadurch erleichtert, dass ich schon am nächsten Tag auf Tour zu meinen ersten Vulkan gehen sollte.
Einsatz am Vulkan „Talbatschik“:
Am 18. Juni ging es los. Mit zwei Fahrzeugen (einem Laster und einem alten Bus russischer Bauart). Am Anfang saß ich noch im Bus zwischen dem Gepäck, am Ende musste ich auf der Ladefläche des Lasters den Zweigen der Bäume am Wegrand ausweichen.
Unser Ziel war eine Basis am Fuße des Talbatschik. Meine Aufgaben: Helfen eine offene Küche vergrößern und zu einer geschlossen umbauen. Außerdem mussten noch zwei weitere Hütten gebaut werden.
Da Larisa zwei Mädels mit genommen hatte (Ferienlager) sollte ich neben den Bauarbeiten auch mal als Erzieher fungieren.
An einem Tag wurde ich mitgenommen auf den kleinen Gipfel des Talbatschik. Wir liefen morgens los und kamen Nachts um 23 Uhr wieder zurück.
Der Gipfelgang war für mich sehr anstrengend, da ich nicht trainiert war und noch nie auf 3000m Höhe gestiegen bin. Außerdem war das Wetter da oben schlecht: Schneefall, starker Wind und Nebel.
Aber nach 9 Stunden Aufstieg durch Schnee und Eis ohne alpine Erfahrung und Ausrüstung kamen wir am Kraterrand an. Vom Krater selbst hat man nichts gesehen. Wie gesagt, schlechtes Wetter. Vier Stunden später waren wir dann wieder im Lager.
Sodann gab es auch noch einen Ausflug zu einem kleinen Höhlensystem, dass durch heiße Lava ausgespült wurde. Auf dem Rückweg fuhren wir durch den „Toten Wald“. Dieser wurde beim letzten Ausbruch 1976 „getötet“. Jetzt stehen nur noch kahle Baumstämme in der Schlackelandschaft. Nachdem wir dort einen Unterstand repariert hatten, liefen wir zurück.
Auf halben weg stiegen wir noch auf einen kleinen Hügel. Dort oben war die Luft aufgeheizt. Wenn man an ein paar Stellen Holzstöckchen in das Vulkangestein steckte, musste man auch nicht lange warten, bis man Zeuge der vulkanischen Aktivität in diesem Gebiet wurde: Nach wenigen Sekunden fing das Holz Feuer, entzündet von der Hitze der Natur.
Tags darauf unternahem wir auch noch einen Ausflug zu einem landschaftlich sehr schönen Tal am Fuße des Vulkans.
Auch dieser Ausflug war sehr schön, mal abgesehen davon, dass in diesem Gebiet die Mücken über uns herfielen, da es dort im Gegensatz zum Lager, welches in toter Vulkanlandschaft steht, Bewuchs gab.
Nach 10 Tagen am Vulkan ohne Strom, fließend Wasser, Strom und Dusche wurden wir wieder abgeholt und fuhren zurück nach Esso, dieses Mal auf der Ladefläche des Lasters liegend.
Der Einsatz am Vulkan war zwar anstrengend (hartes Arbeiten von früh bis spät und der unerwartete Gipfelgang), aber hat sich sehr gelohnt. Schließlich sieht man nicht allzu oft eine Landschaft, die beinahe nur aus Schlacke besteht.
Pferdetour zum „Tabun“:
Kaum zurück in Esso bot sich mir die Gelegenheit mit einer wissenschaftlichen Expedition (Untersuchung der Wasserqualität verschiedener Flüsse) zum Tabun, dem Lager der Rentierhirten zu reiten.
Also saß ich am 30. Juni zum ersten Mal auf einem richtigen Pferd. Wir ritten etwas mehr als zwei Tage durch eine sehr schöne Landschaft, die sich aus Tundra, Wald und Gebirge zusammensetzte.
An einigen Stellen musste man größere Flüsse überqueren, aber die Pferde stapften eifrig hindurch, was nicht heißt, dass man dabei trocken blieb.
Geschlafen wurde im Zelt.
Das Problem dabei war nur, dass erstens inzwischen die Mücken Hochsaison hatten. Wenn man sich nicht mit Mückenspray oder Mückennetzen schützte wurde man sofort von ganzen Schwärmen überfallen. Sodann kam hinzu, dass ich als untrainierter Reiter schnell Schmerzen und Muskelkater an einigen Stellen bekam.
Als wir dann am Tabun ankamen, hatte man dort gerade ein Rentier geschlachtet.
Wie es Tradition ist, wurden die Innereien größtenteils noch am Ort des Geschehens roh verzehrt. Auch mir und meinem Freund (ich habe momentan Besuch von einem Freund aus Deutschland) wurde etwas angeboten. Aus Freundlichkeit und um es mal zu probieren nahmen wir das Angebot an. Wir probierten Niere, Leber, Knochenmark, Speiseröhre und mein Freund bekam sogar das Auge. Zum Schluss gab es noch Blut zum trinken.
Das ganze Zeug schmeckte jetzt nicht schlecht und auch wenn es mich wenig Überwindung kostete, es zu essen, muss es nicht gleich wieder sein.
Am Abend gab es dann gekochtes Rentierfleisch (Euter, Herz…). Als Dessert bekamen wir noch gegrillte Geweihspitzen (es wird einfach alles verwertet von so einem Rentier). Die sollen kraftspendet sein und sind sehr wertvoll, aber geschmeckt haben sie nicht so besonders.
Im Laufe des Tages trieben die Hirten die Rentierherde zum Lager. Ich bin da dann mitgelaufen und konnte so inmitten der Herde im Tundragras sitzen und den Tieren beim Fressen zuschauen. Als die Herde dann am Lager war, wurden zwei bestimmte Tiere mit dem Lasso eingefangen. Diese Tiere nahmen wir am nächsten Tag mit zurück.
Sie wurden in einem Freilichtmuseum gebraucht.
Also mussten auf dem Rückweg immer zwei Leute zu Fuß gehen und die Tiere am Seil hinter sich herziehen. Auch ich war mal an der Reihe.
Für einen Tag machten wir noch an einem See Rast und badeten dort mitten in der Natur.
Nach fünf Tagen kamen wir wieder in Esso an.
Dort bin ich noch immer und genieße momentan die Vorteile der Zivilisation (fließend Wasser, Strom, Dusche, Bett, Haus…) aber schon nächste Woche werde ich wieder los ziehen. Für zwei bis drei Wochen werde ich an einem zweiten Kardon (Rangerhütte) im Süden des Parks stationiert sein. Dort werde ich einerseits Stefan (neuer Volontär) bei seinem Greifvogelmonitoring unterstützen und andererseits dem Inspektor, der mit uns dort sein wird, bei der Renovierung des Komplexes helfen.
Bis zum nächsten Eintrag
David