Primeras veces
Erster Arbeitstag, erstes Mal im Hipermercado einkaufen, erstes Mal etwas frustriert und das erste Mal richtig Angst.
Wenn man am Wochenende immer um die Mittagszeit aufgestanden ist, wird es schwer, sich an die normalen Arbeitszeiten zu gewoehnen, auch wenn diese wirklich human sind. Heute ist der erste Arbeitstag im Telecentro. Fuehlt sich aber erstmal gar nicht so an, weil wir uns erstmal noch privat im Netz rumtreiben duerfen. Dann treffen wir uns in der Besprechungsecke und gehen zusammen durch, wie die naechsten Monate so ablaufen werden. Hatte ich vorher noch Bedenken, dass es hier todlangweilig wird, bin ich positiv ueberrascht, wieviel auf uns zukommt. Wir müssen zusammen ein Benutzerhandbuch schreiben über ein Thema- z.B. Blogs und soziale Netzwerke oder digitales Fotografieren. Außerdem ist jeden Morgen eine Neuigkeit von uns zu verfassen und auf die Webseite zu stellen. Nachmittags ist Aula Ciber, d.h., dass die Leute kommen und die Computer benutzen können. Und abends finden die Kurse statt, aber erst ab Oktober, denn im Sommer ist es abends auf der Straße und in den Bars interessanter. Sobald wir genug Spanisch können, dürfen wir kurze Kurseinheiten übernehmen, die erst einmal nur eine halbe Stunde gehen. Später gibt’s mehr. Außerdem gehen wir mit dem Radioprogramm Vozcasters und Pablo auf Tour durch die umliegenden Dörfer und nehmen Podcasts auf. Hin und wieder gibt es auch übers Wochenende Treffen von verschiedenen Programmen, das wird aber sicher immer witzig. José Luis hat Laetitia schon gewarnt, dass da sicher immer fiesta sein wird und dass sie bei den freiwilligen Treffen auch nicht unbedingt mitgehen muss, wenn das mit ihrer Religion nicht vereinbar ist.
Dann fahren wir einkaufen. Wir haben eine Liste gemacht, und unter anderem gebeichtet, dass die Klobrille kaputt ist. Aber wie wir sehen werden, ist das kein großes Problem, gleich am Eingang vom Hipermercado gibt es Klobrillen zu kaufen. Ab damit in den Wagen! Im Übrigen gibt es wirklich alles, man muss nicht 5 verschiedene Läden aufsuchen- man kriegt alles in einem. Allerdings ist das Einkaufen alles andere als entspannt: wir Mädels sind ganz erschlagen von dem riesigen Angebot und uns fallen immer neue Sachen ein, die wir noch brauchen, aber José Luis treibt uns voran, fragt immer: Ok, was noch? Und schlägt uns vor, welches von den verschiedenen Marken das Beste ist. Bald nehmen wir nur noch, was er uns hinhält.
José Luis zahlt und den Rest des Geldes bekommen wir morgen- also Essensgeld und Taschengeld. Aber nur diesen Monat auf die Hand, ab Oktober werden wir ein Konto hier in Spanien haben für unser Geld. Wir machen aus, dass wir die Einkäufe immer durch zwei teilen, dann wird’s gerecht und wir müssen selbst nicht so viel fürs Essen ausgeben. Wir essen ja wirklich nicht viel, das merkt man daran, dass wir aufpassen müssen, dass uns das frische Gemüse und Obst, das José Luis uns eingekauft hat, nicht vergammelt. Er ist offensichtlich auch verwundert, dass wir zusammen einkaufen und kochen, da sind wir wohl die ersten Freiwilligen, die das so machen. Aber mal ehrlich, wir sind zu zweit in einer kleinen Wohnung- hocken uns also dauernd auf der Pelle wie sollen wir uns da aus dem Weg gehen? Das macht ja keinen Sinn. Außerdem hätte ich echt keine Lust, alleine zu essen. Ich finde es toll, dass ich jeden Tag ein neues Tischgebet oder ein Lied höre und jemandem einen guten Appetit wünschen kann.
Auf dem Rückweg frage ich viel, wo man ein Fahrrad ausleihen kann, ob es einen Chor gibt und warum wir keinen Briefkasten haben. Er schlägt auch vor, dass wir im Winter Pilates- oder Schwimmkurse machen können, damit es abends nicht so langweilig ist und wir neue Leute vom Dorf kennen lernen. Morgen kriegen wir auch Kartoffeln aus José Luis‘ Garten. Das ist praktisch, einige Sachen kriegen wir von ihm und müssen es nicht kaufen.
Zu Mittag machen wir uns ein Bocadillo aus einem halben Baguette (wird hier auch tatsächlich gegessen) und probieren uns an der Waschmaschine. Kurz bevor wir wieder zur Arbeit müssen, ist sie fertig zum Aufhängen. Aber Arbeit? Wir haben gewusst, dass José Luis nicht da ist, weil er in Huesca eine Besprechung hat, aber wir sind ganz alleine. Also sitzen wir da, von halb 5 bis 6 und gehen unserem privaten Zeug nach. Das ist doch seltsam, wir hätten kommen sollen, aber eigentlich wäre es keinem aufgefallen, wenn wir daheim geblieben wären. Das ärgert mich ein bisschen, aber andererseits wäre ich eh nochmal gekommen um Mails zu schreiben und aufs VISA-Konto zu gucken.
Vorm Abendessen (dazu ist es eh noch zu früh) möchte ich noch spazieren gehen und bin sogar ein bisschen verwundert, dass Laetitia sofort ja sagt, als ich frage, ob sie mitkommen mag. Wir laufen aus Ayerbe raus und posieren vor dem Straßenschild, weiter geht’s über Stoppelfelder vorbei an Brombeerbüschen bis zu einem Campingplatz, der hinter einem Olivenhain liegt. Mich faszinieren die Berge, die ringsum liegen, sodass ich am liebsten sofort hochsteigen würde. Laetitia hat ein bisschen Probleme mit ihren Schühchen (sie hat nur zwei Paar dabei), aber nachdem wir festgestellt haben, dass wir die gleiche Schuhgröße haben, verspreche ich, ihr Schuhe auszuleihen für den nächsten Spaziergang.
Zuhause freuen wir uns, dass wir endlich mal eine grosse Auswahl haben, an Sachen, die man zu Abend essen kann. Den ganzen alten Sachen, die hier noch in den Schraenken waren, haben wir nicht so ganz getraut und vorsichtshalber mal weggeschmissen. Nun kocht sichs gleich viel besser, auch wenn das erste Essen gleich versalzen ist.
Nach einer Spuelrunde und mehreren Runden Stadt, Land, Fluss auf Spanisch gehe ich ins Bett.
Mitten in der Nacht, gegen halb 4, wache ich wieder auf. Da war ein Geraeusch. Ich halte den Atem an. Ein Bellen und dann ein Heulen, ganz in der Naehe. Oh nein, Fuechse. Mir klopft das Herz. Ich hab riesige Angst vor Fuechsen und mir faellt ein, dass wenn die erst mal im Dorf sind, auch ganz einfach ins Haus koennen, weil die Haustuer Tag und Nacht offen steht. Schlimmer, wir haben vergessen, die Tuer abzuschliessen. ¡Díos mío! Ich kriege Schweissausbrueche und versuche mir die Ohren zuzuhalten. Funktioniert nicht, ich liege starr da. Da hilft nur Ohrenstoepsel rein und Musik aufdrehen.