Oh Gott, Warschau
Johannson hat die Aussicht, bald für ein Praktikum nach Warschau zu ziehen. So richtig gefällt ihm das aber noch nicht. Und er ist es leid, dauernd seine Freunde hinter sich lassen zu müssen.
Für alle: Es stimmt, meine Arbeitssuche in Lodz hat bisher nichts gebracht. Dafür hatte ich keine Probleme das Praktikum im Sejm zu bekommen. Freut Ihr Euch? Ich bin mir noch nicht so sicher. Das heißt, wenn ich nicht sehr bald ordentliche Arbeit in Lodz finde, werde ich Mitte Februar den Weg aller guten Polen gehen und zur Arbeit in die unbeliebteste Stadt dieses Landes ziehen.
Fünf Jahre nach meiner ersten Ausreise habe ich mich verändert und wirklich genug davon alle paar Monate alle Freunde und alles lokale Wissen zurückzulassen um irgendwo wieder von vorne anzufangen. Dabei sollte es so einfach sein. Ich muss nicht aus dem Land, ziehe gerade mal 150 km um. Alle Freunde versuchen mir Warschau schmackhaft zu machen, und ich denke mir, ja genau, endlich habe ich hier Freunde die mir das sagen können. Und was mache ich nach dem Praktikum, ab Mitte Juli? Zu wenig Zeit um vor dem Studium noch zu arbeiten, zu lang um nur rumzuhängen. Gott wer will denn nach Warschau... da ist doch gar nichts los.
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Am 12.12. jährte sich die Auslösung des Kriegszustandes zum 28. Mal. Dazu gab es eine interessante Aktion. Junge Leute in Milizuniformen patrouillierten die Straßen, verteilten Flugblätter in Kneipen. Gemacht wird das nicht von der Regierung, sondern einer privaten Stiftung. Eine gute Sache: Wenn auf einmal sechs Paar schwere Stiefel im Lokal stehen, fühlt man sich sehr real wie ein Hase in der Falle.
Ich war seit Ewigkeiten wieder im Theater Jaracza, zu drei Stunden zwischenmenschlichem Katastrophenbericht. Gibt es in Warschau eigentlich Theater?
Hier hat der Winter mit eiserner Faust eingeschlagen. Der Pulverschnee weht über die Straßen wie in Moskau. Alle Hartherzigkeit, die ich mir gegenüber Bettlern angeeignet habe, ist verschwunden. Sobald ich die Kälte im Gesicht spüre, kriegt fast jeder Obdachlose einen Zloty von mir.
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