Offene Grenzen und schwedische Eigenarten
Von stattfindenden Ausweiskontrollen, Kartenzahlung an öffentlichen Toiletten und einem kleinen Missverständnis bei der Wahl des richtigen Zuges. (02.09.2018)
Hej hej! Zwar erinnert mich diese typische schwedische Begrüßung immer eher an ein freundschaftliches und vertrautes Umfeld (Wer begrüßt denn bitte in Deutschland die Verkäuferin an der Supermarktkasse mit einem kurzen Hi?), aber für das kommende Jahr werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen, diese jedem, in egal welcher Situation, statt des mir bekannten Guten Tags entgegenzubringen. Hier bin ich nun also. Im beschaulichen Örtchen Åmål, einer schwedischen Kleinstadt, die direkt am Vänernsee, dem zweitgrößten See Europas liegt und aus dem schwedischen Jugendfilm „Fucking Åmål” bekannt ist, der zwar nach meiner neuen Wahlheimatstadt benannt, jedoch nicht dort gedreht wurde. So viel habe ich hier schon einmal gelernt!
Aber am besten der Reihe nach: Mein Abenteuer „Europäischer Freiwilligendienst“ (EFD) oder, wie es nun eigentlich heißt, „Europäisches Solidaritätskorps“ (ESK) begann mit einem mich zugleich überraschenden und erfreuenden Umstand: weder bei der Gepäckaufgabe und dem Sicherheitscheck am Berliner Flughafen Tegel noch bei der Ankunft im schwedischen Göteborg mussten mein neuer Mitbewohner und ebenfalls Europäischer Freiwillige Jonas und ich unsere Personalausweise vorzeigen. Das nenne ich doch mal ein offenes Europa ohne Grenzen!
Vom Flughafen ging es dann mit dem Bus zum Hauptbahnhof, wo wir bereits mit der schwedischen Eigenheit bekanntgemacht wurden praktisch überall mit Karte zu bezahlen. Statt eines Drehkreuzes an den Toiletten, in das Münzen hineingesteckt werden, fanden wir hier ein Kartenzahlungsgerät vor. Glück für uns, denn weder Jonas noch ich hatten vor unserer Reise Geld umgetauscht. Die nächsten zwei Stunden hieß es sich zu beschäftigen bis der Zug käme, der uns nach Åmål bringen sollte. Zwar waren Jonas und ich einer kleinen Tour durch die zweitgrößte Stadt Schwedens nicht abgeneigt, jedoch standen diesem Vorhaben unsere Koffer im Weg. Gleich ein ganzes Vermögen auszugeben, nur um die Sachen sicher zu verstauen, das war es uns dann aber doch nicht wert. Immerhin würden sich sicher noch einige Gelegenheiten bieten, Göteborg zu besichtigen. So hieß es für uns also spannende Gespräche über die politische Lage in Deutschland führen und Karten spielen. Über die Einfahrt unseres Zuges waren wir dann aber doch beide froh, denn nun stand der Ankunft in Åmål nichts mehr im Weg. Dachten wir zumindest…
Dass dem nicht so war, erklärte uns die Schaffnerin etwa 10 Minuten später, denn das Ziel dieses Zuges war nicht etwa Karlsberg sondern Kungsbacka und damit genau die andere Richtung. Zurück in Göteborg wurde uns dann auch klar, woran unsere Reise gescheitert war: den Schweden gefielen durch 5 teilbare Uhrzeiten wohl so gut, dass alle Züge zu gut zu merkenden Zeiten abfuhren. Für uns bedeutete das aber, dass wir 13:15 Uhr nicht an Gleis 16, sondern Gleis 5 hätten stehen müssen. Ein Fehler den Jonas und ich nach einem kurzen Gespräch im Servicecenter der Bahngesellschaft 15:15 Uhr nicht wiederholten.
Mit zwei Stunden Verspätung kamen wir dann aber doch noch in Åmål an, wo wir von Anna, einer unserer Ansprechpartnerinnen für das kommende Jahr, empfangen und zu unserer neuen Wohnung gebracht wurden. Hier endete der Tag für uns nach einem kleinen Spaziergang zum Hafen und einem schnell gezauberten Abendessen aus übriggebliebenen Nudeln und Tomatensoße der vorherigen Freiwilligen (keiner von uns beiden hatte Lust noch einkaufen zu gehen) dann auch ziemlich früh, immerhin waren Jonas und ich am Morgen zeitig aufgestanden. Dass die passende schwedische Wortwahl an dieser Stelle God natt gewesen wäre, weiß ich mittlerweile auch. Bis auf eine (kleine) Ausnahme also ein gelungener Start für meinen Freiwilligendienst in Schweden.