Notizen
Johannson gibt wertvolle Tipps: "Erste Lektion für Zugezogene: nimm immer die Tram und nie den Bus". Außerdem muss er feststellen, dass ihm neben den Mitbewohnern auch eine Waschmaschine fehlt...
1. Nazad Nazad
Mein letztes Praktikum in Polen schloss ich mit einem Tag Klamotten kaufen ab, in der Hoffnung das Thema auf Jahre los zu sein. Jetzt bin ich zum nächsten Praktikum zurück und mache dasselbe, bevor es überhaupt angefangen hat.
Montag geht es los und ich habe beschlossen, das der mühsam mitgeschleppte Anzug eine Nummer zu fein und auch zu groß ist. Darum bin ich nochmal losgelaufen und hab mir zwei Poloshirts geholt.
Das einzig Schöne daran: ich habe das bulgarische Konsulat entdeckt! Die Flagge war mir zwar schon immer aufgefallen, aber ich hatte sie immer mit der ungarischen verwechselt. Aber so etwas kriegen wirklich nur die Bulgaren hin: ihr Konsulat ist untergebracht in einem runtergekommenen Block an der Hauptstraße ins Zentrum, Eingang durch die Hintertür. Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-11h.
2. Sag mir wo die Busse sind
Erste Lektion für Zugezogene: nimm immer die Tram und nie den Bus. Zumindest nicht zur rush hour, denn die Straßenbahnen haben den Vorteil nicht immer im Stau zu stehen.
Im Bus kann man zu den richtigen Zeiten dagegen prima die Steuererklärung ausfüllen, oder laufen. Das heißt nicht, dass die Trams immer pünktlich sind, aber wie mir auf der ersten Wohnungsbesichtigung erklärt wurde, "sie sind weniger zu spät". Immerhin.
Wenn dann eine da ist, weiß man aber noch lange nicht, wohin sie einen bringt. Der Grund, das ca. die Hälfte ein Schild "Route geändert" im Fahrerhäuschen spazieren fährt, ist dabei einfach, dass die andere Hälfte einfach keine Schilder mehr abbekommen hat.
An Kreuzungen sieht man daher Menschentrauben merkwürdig zwischen den Haltestellen stehen, dort wo man beide Straßen einsehen kann, um bei Sichtung einer ankommenden Bahn zu entscheiden, wo man sich anstellt.
3. Völkerball
Das Praktikum hat noch nicht mal begonnen, da beginnt langsam die Spannung auf Erasmus danach. Die ersten Mitteilungen von Organisatoren kommen herein. Schlechte Nachricht: Keine Bulgaren dieses Semester. Dafür wird Anfang Oktober, wie sollte es anders sein, "ein Integrationswochenende organisiert". Schon jetzt kann ich die Ballspiele zwecks Namenlernen kaum erwarten.
4. Salami-Taktik
Ich weiß nicht ob es an mir liegt, aber meine Mitbewohner bleiben verschwunden. Bei der Wohnungsbesichtigung waren sie noch da, als ich mit dem Gepäck zurück kam, waren sie weg.
Die Ankunft der Deutschen immer noch ein Fluchtgrund in Polen? Ich hätte ihnen nichts getan, ehrlich, denn so rede ich viel zu wenig. Aber das macht vielleicht nichts, denn wenn ich es richtig sehe, hat mich die gesamte Belegschaft des Carrefours um die Ecke bereits tief in ihr Herz geschlossen.
Das Team der Fleisch- und Käsetheke, mein Akzent hat sie in begeisterte Freizeitlehrerinnen verwandelt.
Denen hab ich auch fröhlich eine Packung Waschpulver abgekauft, um dann zu Hause festzustellen, dass mir außer Mitbewohnern auch eine Waschmaschine fehlt. Da in Polen Waschsalons noch ein Eliteprojekt für Anzugträger sind, muss ich wohl mal meinen neuen Bekannten im Sprachkurs ganz nett um einen Gefallen bitten.
5. No Country for poor Men
Letztens war ich im "Aquapark", dem neuen Spaßbad Wroclaws, das zu medialer Berühmtheit kam, weil es eins der ersten Großprojekte war, bei denen deutsche Arbeiter auf einer polnischen Baustelle angestellt waren und nicht umgekehrt.
Was waren das noch für Zeiten, als Polen noch billig war...als ich auf dem allerersten Trip im Hostel ganz locker das ganze Zimmer samt aller Betten mieten konnte. Jetzt sehe ich, die Kasse des Aquaparks ist eigentlich schon kein Studentengebiet mehr. Schwimmen war trotzdem gut, leider habe ich da scheinbar meine Uhr verloren.
6. Utopia Urlopia
Eine sehr merkwürdige Sache an polnischen Unis: während der Ferien haben die Studenten: frei. Zwei. Monate. frei. Als ich in der Philologie nach Tandempartnern suchte, dachte ich zuerst es ist ein Witz, als jeder mir sagte vor dem nächsten Semester ist bei uns niemand.
Ich dachte zuerst mit einem Augenzwinkern "Ja, klar, frei, und eure Mensa kocht gutes Essen", aber die Sekretärin war toternst.
Ich sagte mir, darauf fall ich nach dem ersten Semester nicht nochmal rein. Aber ich habe kürzlich mit Ewa, meiner alten Chefin aus Torun gesprochen, die meinte die Semesterferien wären da für solch komische Sachen wie "Erholung", "Hobbies" und "Urlaub". Kein Wunder, dass ich kein Tandem finde, die Studenten sind alle zu Hause bei ihren Eltern.