Neue Herausforderung
Ohne Herauforderungen wäre das Leben langweilig, findet auch Judith_in_London. Sie hat in der letzten Woche in ihren Projekt eine ziemlich große Herausforderung erlebt und gemeistert.
Wenn man denkt, dass man gegen Ende des Jahres nichts Neues mehr lernt, hat man sich getäuscht. Und wenn ich jetzt behaupten kann, dass auch meine Arbeit immer wieder eine neue Herausforderung bietet, kann ich doch sehr zufrieden sein. Wer will schon die letzten Monate eines so spannenden Jahres nur vor sich hingammeln?
Unsere Herausforderung in der letzten Woche war wieder mal ein Jahrgang 8. Klassen von Cardinal Pole, der wohl "schlimmsten" Schule von denen, die uns hier regelmäßig einen Besuch abstatten.
Die Kinder, die auf diese Schule gehen kommen größtenteils aus ärmeren, benachteiligten Schichten aus einem Stadtteil von London, in dem Kriminalität zum Alltag gehört. Wir sollen diesen Kindern hier nun einen Tag bieten, an dem sie sich ein bisschen anders behandelt fühlen sollen als normalerweise.
Allerdings ist das für uns nicht gerade einfach! Die Kinder können sich nämlich nicht benehmen, keine Minute schaffen sie es, alle gleichzeitig ruhig zu sein und Zuhören fällt ihnen auch sehr schwer. Immerhin hatten wir keine Prügelattacken! (Ein großer Fortschritt!)
Für mich kam erschwerend noch hinzu, dass ich zum ersten Mal die Rolle des Retreat-Leaders, also des Leiters, übernommen habe. In dieser Position bin ich für den Ablauf des Tages verantwortlich, ich muss zu Beginn des Tages die Lehrer einweisen, das Programm gegebenenfalls so verändern, dass die Gruppe rechtzeitig fertig ist und eventuell ein paar Sessions raus streichen oder neue einfügen. Außerdem ist es meine Aufgabe, erstmal alles vorstellen, das Thema des Tages zu erklären ("Live you life" - "Lebe dein Leben") und was das für die Kinder bedeutet und dann die Gruppe in alle verschiedenen Aktivitäten einzuweisen.
So weit so gut, ein paar dieser Aufgaben hatte ich ja auch vorher schon das ein oder andere Mal übernommen, nun war ich eben für alles auf einmal verantwortlich...
Wie ich ja vorhin schon erwähnt habe, waren die Gruppen aber alles andere als zuhörensbegeistert und so stand ich ziemlich oft vor den Klassen und niemand hat meinen schönen Reden gelauscht. (Das lag aber nicht an mir, so viel weiß ich, denn ich habe oft genug andere Leiter in einer ähnlichen Position erlebt. Man fühlt sich dennoch ziemlich dumm dabei.) Irgendwie hab ich es dann aber geschafft, in ein oder zwei Sätzen das Wichtigste zu sagen und dann wurde die Gruppe der nächsten Aufgabe überlassen.
Manche Sachen haben ihnen auch richtig Spaß gemacht! Zum Beispiel hatten wir eine Auktion, bei der sie in drei Gruppen Dinge wie einen großen Flachbildschirm, eine fröhliche Familie und Ferien ersteigern konnten. Diese halbe Stunde war ziemlich laut, da alle wild durcheinander riefen.
Final Liturgy, unsere abschließende Gebetszeit, war auch jedes Mal ein Theater, weil die Kinder wesentlich lieber miteinander gequatscht oder gestritten haben, als uns ihre Aufmerksamkeit zu schenken... Aber irgendwann hatten wir es überstanden. Jedes Mal, wenn ich endlich die Tür hinter der Gruppe geschlossen hatte, gab es ein lautes Aufatmen. Naja, so ist das eben. :)
Der Freitag zählte für uns fast schon zum Wochenende, denn wir mussten nicht normal arbeiten, sondern sind in die Innenstadt gefahren und haben dort ein anderes Team von Freiwilligen besucht, die auch in einem katholischen Projekt arbeiten. Diese Gruppe ist allerdings wesentlich mehr "hardcore" als wir hier! Neben Unterrichtsstunden haben sie jeden Tag in der Woche andere Aufgabenbereiche, so gehen sie zum Beispiel freitags in die Strassen und reden dort mit irgendwelchen Menschen... Wie das genau abläuft weiß ich nicht, aber irgendwie wollen sie denen zu verstehen geben, dass sie sich tiefer mit ihrem Glauben auseinandersetzen sollen. Außerdem gehört zu ihrem Arbeitsplatz eine große Kirche, in der sie die Gottesdienste mitgestalten, sie kümmern sich einmal in der Woche um Obdachlose und bieten einen Telefon-Gebets-Service an: Jeden Dienstagabend von um sieben bis um elf sitzen zwei der fünf Freiwilligen in einer kleinen Kapelle und schreiben Gebete auf, die ihnen Anrufer aufsagen. Was wir auch noch rausgefunden haben ist, dass sie jeden Tag mindestens einmal den Rosenkranz beten.
Nach einem leckeren Mittagessen dort und einer Führung durch das Gebäude war unser "Arbeitstag" dann auch schon wieder vorbei. Vielleicht werden wir ein paar von den Freiwilligen dort bald wieder sehen, denn sie wohnen hier eigentlich ganz in der Nähe von Wapping.