Nachgeschmack
Wenn sich die eine Tür schließt...
Mittwoch, 14. Dezember 2016
In den letzten Tagen habe ich viel geweint, Mails geschrieben, lange Telefonate mit meiner Entsendeorganisation in Berlin geführt, die mir immer wieder versichert, dass ich alles richtig gemacht habe, dass das Problem nicht bei mir liegt, sondern bei meiner Aufnahmeorganisation, die zum ersten Mal so ein Pojekt machte und es offensichtlich unterschätzt hatte.
Ich marschiere einfach hinein in das Gebäude, als würde ich noch hier arbeiten, als wäre ich nicht vom einen auf den anderen Tag aus dem Projekt katapultiert worden.
Luft holen, Kopf hoch, anklopfen, höflich bleiben. Natürlich sind sie schon beide da und warten auf mich. Paco, von der Nationalagentur und Julia, Mentorin und Tutorin in einer Person (ja, das war Teil des Problems), die mir erst am Montag sehr viele Vorwürfe machte und von Problemen sprach, die vorher nie kommuniziert worden waren.
In ein paar Monaten, werde ich wissen, dass sie einfach überfordert war, nicht wegen mir, sondern ihrer schwerkranken Mutter, die wenige Monate später stirbt.
Nur Paco werde ich nie verstehen.
Sie sagen ich solle mich setzen, fragen wie es mir geht und reden direkt weiter, über das Geld, dass ich noch bekomme und wann mein Flug am Freitag startet.
Es tut ihnen leid, mir auch, sollte es auch, beiderseits.
Ich verabschiede mich höflich, verlasse das Büro und gehe zu meiner Kindergartengruppe um noch ein letztes Mal ein bisschen Zeit mit ihnen zu verbringen.
Es gab viele gemeinsame Erfolgserlebnisse; während sie von Tag zu Tag selbstständiger wurden, lernte ich fast jeden Tag ein neues Wort und sammelte pädagogische Erfahrungen. Sie werden mir schrecklich fehlen.
Dann treffe ich meine Gastmutter Virginia, die mich samt all meiner Sachen vor drei Tagen zu einer Freundin brachte, bei der ich die letzten Tage wohne. Da hab ich sie zum ersten Mal weinen sehen, wir waren alle komplett überfordert.
Es war Pacos Idee, dass ich meine Gastfamilie verlassen solle und er scheint genug Macht zu haben um das einfach zu beschließen, ohne mit mir oder meiner Gastfamilie darüber zu sprechen. Er unterbreitete mir am Freitag davor seine Pläne und gab mir zu verstehen, dass ich keine andere Wahl hätte, als “zu kooperieren”, wenn ich in dem Projekt bleiben wolle (was zu diesem Zeitpunkt angeblich noch möglich war) .
Ich verabschiede mich von Virginia und meinen verwirrten Gastbrüdern und ich schwöre mir, dass ich sie nicht zum letzten Mal gesehen habe.
Samstag, 17. Dezember 2016
Es ist gut ein Netz zu haben, in das man sich einfach fallen lassen kann, wenn man eins braucht.
Freunde und Familie sind sofort für mich da und lenken mich ab, schmieden Pläne, hören mir zu und versichern mir, dass es für irgendwas gut sein wird. Meine besten Freundinnen haben sich alle versammelt und es ist, als sei ich nie weg gewesen. Da sind nur einige Leute die ich vermisse, die spanischen Worte, die anstelle der deutschen in meinem Kopf herumflattern, unzählige neue Erfahrungen und der Nachgeschmack einer unvergesslichen Zeit, die zu früh endete.
Mittwoch, 24. Mai 2017
Die Uni-Bewerbung ist fertig. Bis zum Beginn des Semesters unterstütze ich Flüchtlingen beim Deutsch lernen, beantworte ihre Fragen oder bin einfach da. Dabei helfen mir meine Erfahrungen im Ausland enorm. Meine Gastfamilie habe ich wieder besucht, genauso wie meine Freundinnen in Toledo.
Mein Facebook-Newfeed ist um viele Sprachen reicher und ich verfolge neben der deutsch- und englischsprachigen Presse jetzt auch die spanische. Meistens sind sich die Beiträge relativ ähnlich.
Auslandserfahrung wird heutzutage groß geschrieben. Es ist wichtig international vernetzt zu sein, mehrere Sprachen zu sprechen, “rumgekommen” zu sein.
Aber noch viel wichtiger ist es, einen Ort zu haben zu dem man zurückkehren kann. Ein Zuhause.
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