Moya Rabota
Hm, wo soll ich anfangen? Vielleicht mal mit dem Organisatorischen, damit keine Verwirrungen auftreten. Erste Eindrücke von meiner Arbeit bei Most Lyubvi und meiner Babushka.
Hm, wo soll ich anfangen? Vielleicht mal mit dem Organisatorischen, damit keine Verwirrungen auftreten. Die Organisation, die mich hier aufgenommen hat und sich um alles kümmert, was ich so zum Überleben in Russland brauche (Wohnung, Sprachkurs, Einladung für mein Visum und und und) heißt Youth Memorial. Außer mir sind momentan noch Jan und Philipp aus Deutschland hier, die beide direkt für Memorial arbeiten. Ich leiste meinen Freiwilligendienst bei Мост Любви ( ML/Love’s Bridge), einer Organisation, die sich um Kinder aus sozialbenachteiligten Familien kümmert. Als ich hierher kam wusste ich nur das, was ich auf der Internetseite gelesen hatte und dass die zwei englischen Koordinatoren, kurz bevor ich angekommen bin, das Projekt verlassen haben. Seit dem die beiden weg sind hat sich einiges geändert, was genau weiß ich nicht, aber ich spüre, dass das ML gerade durch eine Phase der Veränderung geht. Früher hat es zwei Zentren gegeben, eins wurde aufgeben, dafür aber vor kurzem woanders ein neues eröffnet. Das ältere Zentrum hat leider nur von Donnerstag bis Samstag immer nach der Schule für die Kinder geöffnet. Leider zum einen für die Kinder, weil es für sie nur dreimal in der Woche die Möglichkeit gibt zu ML zu kommen, leider für mich, weil ich mich so nur langsam an die Arbeit und die ganzen Abläufe gewöhne. Die erste Zeit war ich im Projekt mehr eine Außenstehende, die sich alles anschaut, aber nicht aktiv teilhat. Das hat mich sehr gestört und auch enttäuscht, da ich mit der Vorstellung hierher gekommen bin, man erwartet von mir, dass ich sofort in meine Arbeit einsteige. Stattdessen nahmen die Aktivitäten ihren ganz normalen Lauf und mich gab es als Plus noch dazu. Nachdem ich verstanden hatte, dass man von mir nicht die überaktive Freiwillige erwartet, habe ich mich mit meiner Rolle als Beobachterin angepasst und arbeite mich nun Stück für Stück in „aktive Welt“ vor.
Mein Projekt ist zwar anders, als ich es erwartet hatte, aber es macht dennoch großen Spaß die paar Tage in der Woche hinzugehen. Denn die Kinder, genauso wie die Mitarbeiter, haben mich von Anfang an offen aufgenommen. Auch wenn ich noch nicht dazu gekommen bin, meine eigenen Ideen in ML umzusetzen, fühle ich mich schon als Teil des Projekts.
Die Kinder di zu ML kommen haben es alles faustdick hinter Ohren und mir ist schon öfter das Sprichwort mit dem Sack Flöhe hüten durch den Kopf geschossen. Die meisten von ihnen rauchen leider schon und wenn man nicht aufpasst und ihnen langweilig ist, verschwinden sie mal schnell nach draußen und kommen mit einer Rauchfahne zurück. ML bietet den Kindern an, ihre Zigaretten gegen Süßigkeiten einzutauschen, was sie von Zeit zu Zeit auch annehmen.
Wenn ich hier von Kindern schreibe, umfasst das eine Altersspanne von 9-16 Jahren.l
Außer mir, arbeiten bei ML noch eine Reihe russischer Freiwilliger, die meistens einmal in der Woche für eine oder eineinhalb Stunden kommen und sich etwas für die Kinder ausgedacht haben. Letzte Woche hatten die meisten Schulferien und bei ML gab es ein extra Programm. An einem Tag haben Freiwillige eine riesen Ladung Obst mitgebracht und wir haben aus Weintrauben, Bananen usw. Dinge gebastelt, um sie dann hinterher zu verspeisen. An einem anderen Tag sind wir zu einer Wetterstation am Rande der Stadt gefahren. Ich glaube, der Ausflug war am interessantesten für mich. Die Kinder fanden die ganzen Messgeräte auch sehr spannend, aber ich habe mich gefreut wie ein Schneekönig, so etwas Mal in echt zu sehen. Und dann auch noch in Russland!
Die letzten Tage haben wir ganz fleißig kleine Smileys aus Papier vorbereitet und morgen starten wir im Zentrum der Stadt einen „flashmob“ und schenken der Stadt ein Lächeln. Ich bin sehr gespannt!
Meine zweite Aufgabe
Da ich bei ML ja nur einen Teil der Woche beschäftigt bin, habe ich bereit erklärt auch bei Memorial mitzuhelfen. Bei dieser Freiwilligenarbeit geht es darum älteren Leuten, die unter Stalin repressiert wurden, zu helfen. Sei es bei ihren Einkäufen, im Haushalt beim Putzen oder einfach, um ihnen Gesellschaft zu leisten und ihnen zu zuhören. Zweimal war ich jetzt schon bei meiner Babuschka, einmal sind wir zusammen auf den Markt gegangen und ich habe ihre Einkäufe getragen. Zwei Tüten voller Seife. Wir sind von Stand zu Stand gegangen und sie hat immer mehr Seife eingekauft, so dass ich mich zwischendurch fragte, ob sie vielleicht vergesslich ist und schon nicht mehr weiß, dass ich neben ihr mit Tüten voller Seife stehe.
Die Antwort auf meine Frage meine ich, eine Woche später bekommen zu haben. Da erzählte nämlich eine andere ältere Dame von ihrer Kindheit, unter anderem, dass es nach dem Krieg in Perm fast nichts gab und vor allem keine Seife. Ihre Familie hatte einen Angehörigen der im Krankenhaus arbeitete und dadurch gelangten sie an Waschwasser, sie benutzen einfach das Seifenwasser vom Krankenhaus nochmal, um ihre Kleidung zu waschen.
Nach dieser Geschichte bin ich zu dem Schluss gekommen, dass meine Babuschka nicht vergesslich ist, sondern lieber ein bisschen zu viel Seife zu Hause hat.
Beim zweiten Besuch kam ich gerade recht, um ihr Bad zu putzen, da sie zwei Tage zuvor einen Rohrbruch hatte. Wasserleitungen liegen hier meisten offen und auch das Abflussrohr ist gut sichtbar. Meine Babushka zeigte mir dann die neuen Rohre und die Wasserzähler, die bei dieser Gelegenheit angebracht worden sind. Ich hatte mich schon vorher gefragt, wie man denn hier sein Wasser bezahlt, gibt es eine Flatrate oder kann man den Wasserverbrauch nachhalten? Scheinbar zahlt man in alten Wohnungen ohne Wasserzähler einen pauschalen Preis und die Wohnungen, die schon mit einem Wasserzähler ausgestattet sind, werden genau abgerechnet. Einheitliches Russland!