Meine erste Arbeitswoche :)
Über den Inhalt meiner Freiwilligentätigkeit und eine Woche voller besonderer Erlebnisse
Good morning everyone!
Die erste Woche richtigen Freiwilligendienstes nach meiner Quarantäne liegt hinter mir und heute beginnt gewissermaßen mein "Wochenende", höchste Zeit also für einen kleinen Bericht! Ich arbeite hier in der Camphill Community in zwei verschiedenen Häusern, wobei beide dieser Häuser sehr klein sind und jeweils nur einen beziehungsweise zwei Residents beherbergen und ich somit die einzige Freiwillige dort sein werde. Das ist zwar ein wenig ungewöhnlich, da die meisten Freiwilligen in sehr großen Häußern mit sieben, acht Residents arbeiten, ich habe es aber bisher nicht als negativ wahrgenommen und falls ich an irgendeinem Punkt nicht mehr zufrieden sein sollte, gibt es immer noch die Möglichkeit zu wechseln. Beide der von mir unterstützten Personen sind im Vergleich zu so manch anderen Residents in der Community recht "selbstständig" und benötigen beispielsweise nur wenig Hilfe bei der Körperpflege, was mir für den Anfang definitiv ganz recht ist, da ich hier vollkommen ohne irgendwelche Vorkenntnisse in diesem Bereich herkommen bin. Der Resident des Hauses, in dem ich an Samstagen und Sonntagen arbeite ist beispielsweise körperlich recht fit, arbeitet unter der Woche leidenschaftlich gerne in der Farm und liebt es mit seinem Fahrrad unterwegs zu sein, kann allerdings in keinem Moment allein gelassen werden. Da er zwar eigentlich ein kommunikativer Typ ist, sich aber nicht wirklich artikulieren kann und mehr Laute von sich gibt, werde ich ein bisschen Makaton lernen müssen, eine sehr einfache und logische Gepärdensprache zur unterstützenden Verwendung neben dem gesprochenen Wort. In einem anderen Haus, in welchem ich an Freitagen, Montagen und Dienstagen arbeite,kümmere ich mich um eine ältere Dame mit einer Lernbehinderung und "Alterserscheinungen" (Demenz und körperliche Einschränkungen bezüglich Beweglichkeit, Sehkraft und Hörvermögen). Ich wurde überall wirklich ausgesprochen herzlich aufgenommen und von professionellen Mitarbeitern angeleitet, sodass ich schon nach diesen wenigen Arbeitstagen das Gefühl habe, langsam zu wissen wie der Alltag abläuft und dass ich mich sehr bald an die Eigenheiten der von mir betreuten Residents gewöhnen werde. Sehr positiv überrascht war ich definitiv auch von der Gemütlichkeit und Heimeligkeit der Häuser. Da Mitarbeiter, Freiwillige und Residents hier den ganzen Tagesablauf, inklusive aller Mahlzeiten und auch Dingen wie Putzaufgaben und Dekorieren der Wohnung gemeinsam verbringen, entsteht viel mehr eine sehr familiäre Atmosphäre, als dies in einer konventionellen Einrichtung überhaupt möglich wäre. Auch die Zimmer der Residents sind sehr auffällig individuell gestaltet und vollständig an die Vorlieben und Interessen der Bewohner angepasst.
Neben der Arbeit war aber auch sonst schon ganz schön viel los hier diese Woche! Am Sonntag, dem ersten Advent, habe ich beispielsweise zum ersten mal die hiesige Glockengruppe in Aktion gesehen und war total von ihrem beeindruckenden Talent und ihrer Präzesion begeistert. Die Gruppe besteht aus etwa acht Männern und Frauen, von denen jeder zwei einfache Glocken, jeweils auf unterschiedliche Töne gestimmt, in den Händen hält, die sie dann im genau richtigen Moment erklingen lassen, sodass sich die klaren Glockentöne zu einer weihnachtlichen Melodie zusammenfügen. Am Nachmittag durfte ich außerdem Teil des anthroposophischen Rituals der Adventspirale werden, einer Spirale aus Tannenzweigen, in deren Zentrum eine Wurzel mit einer großen Kerze steht. Einer nach dem anderen werden alle Anwesenden aufgefordert, die Spirale entlang zu gehen, an der großen Kerze ein kleine, in einem Apfel steckende, anzuzünden und irgendwo in der Spirale zu platzieren. Es war sehr schön zu sehen, wie sehr sich die Residents auf dieses Ritual gefreut haben und wie konzentriert und in sich ruhend sie dabei bei der Sache waren.
Ähnlich wie ich es von zuhause gewohnt bin, wurden auch hier pünktlich zum ersten Adventssonntag Kränze aus grünen Zweigen und geschmückt mit bunten Beern oder ähnlichem gebastelt und die Fenster voller Trnsparentssterne gehängt und trotzdem ist alles ein bisschen anders als ich es kenne und ich freue mich bereits enorm darauf, weitere (vor)weihnachtliche Traditionen im Camhill kennenzulernen.
Am Montagabend folgte dann gleich der nächste Höhepunkt: ein schottisches Dinner mit allen Freiwilligen, organisiert von einem unserer Mentoren, der selber aus Schottland kommt und sich für diesen Abend zur Begeisterung aller in vollständiger Schottentracht mit Kilt, Sporran (traditioneller Geldbeutel) und Messer im Strumpf herausgeputzt hatte. Zum Essen gab es ein wahres Festmenü mit einer Vorspeise ("Grannies Highland secret"), einem Hauptgang aus Haggis (eine Spezielität der Schottischen Küche aus dem Magen eines Schafes, gefüllt mit diversen Innereinen und scharf gewürzt, schmeckt um Längen besser als es klingt!) needs (Steckrüben) und tatties (Kartoffeln) und einem Dessert aus Shortbread und Cranachan (einer köstlichen Creme aus Haferflocken, Sahne, Wiskey, Honig und Himbeeren, dazu natürlich schottische Musik und diversen Informationen zur Tradition des St. Andrews Days inklusiv Scherzinformationen über die Existenz eines Fabelwesens namens Haggis, wie es in Schottland üblich ist, dieses Gericht Fremden gegenüber zu verkaufen. Ursprünglich hatten wir deutschen Freiwilligen hier uns schon vorgenommen, irgendwann auch ein deutsches Dinner zu gestalten, aber angesichts des enormen Auffandes den unser Mentor da betrieben hat und der sich wohl kaum toppen lässt, überlegen wir uns das vielleicht doch nochmal ;)
Ein weiteres sehr schönes Erlebnis war der Ausflug, zu dem ein früherer Freiwilliger/ jetziger Angestellter mich und zwei aweitere Freiwillige gestern Nachmittag ganz spontan eingeladen hat. Wir fuhren mit dem Auto zu einer Art kleinen Insel in der Nähe von Bangor, die bei niedrigem Wasserstand über einen schmalen Damm mit dem Festland verbunden ist und von der aus man einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten kann. Danach ging es nach einem kurzen Abstecher zu Tesco auch noch zum Scrabo Landschaftspark, einem Naturschutzgebiet mit einem mystisch anmutenden freistehenden Turm auf einem Hügel, von dem aus man einen fantastischen Ausblick auf das umliegenden Gebiet hat.
Puh, jetzt habe ich ja schon einen halben Roman geschrieben, aber es ist schließlich auch toll, wenn es so viel zu berichten gibt. Bis demnächst und vergesst nicht, die Bilder anzuschauen! :)