Meine Arbeitsstelle und polnische Spezialitäten von Pani Ella
Nach 2 Monaten verstehe ich langsam meine Organisation und all ihre Projekte. Ein kleiner Einblick in TRATWA und meine Aufgaben am großen Ganzen
So meine Lieben,
nun komme endlich dazu mehr zu berichten. Ich hatte schon in Deutschland die Idee einen Blog zu schreiben, aber ich war nicht sicher, wie ich das zeitlich schaffen werde. Da ich zu Beginn meines Dienstes nicht allzu viele Aufgaben hatte, dachte ich, ich könnte das gut schaffen. Inzwischen habe ich jedoch (zum Glück) mehr Dinge zu tun. Doch was mache ich überhaupt?
Ich arbeite in einer NGO (Nicht-Regierungsorganisation), deren Hauptziel es ist, Jugendlichen (12-25 Jahre alt) aus sozialschwachen Familien eine andere Perspektive aufzuzeigen. Als Leitprojekt führen sie dazu seit nun mehr drei Jahren das Projekt „Moje miejsce NGO“ (Mein Platz NGO) durch. Die Teilnehmer treffen sich regelmäßig zu gemeinschaftsbildenden Aktionen, wie z.B. gemeinsamem Kochen. Jeder Teilnehmer organisiert auch ein eigenes Projekt, wie z.B. eine Bilder-Ausstellung als 3-D Präsentation über die Möglichkeiten zur Verschönerung der Stadt, einen Tag mit zahlreichen Aktionen draußen oder auch ein Fußballturnier. Dadurch, dass die Jugendlichen leider meist zum ersten Mal in ihrem Leben eine richtige Herausforderung haben, spüren sie, dass sie durchaus zu etwas fähig sind. Dank der Gruppe erfahren sei auch zum ersten Mal ein Gemeinschaftsgefühl, das sie zu Hause meist nicht haben. Eine ehemalige Teilnehmerin aus dem ersten Jahr von Mein Platz NGO hat sogar ihr Kind nach dem Betreuer des Projektes benannt. Denn die beiden Betreuer Kuba und Kamila (beide 27 Jahre alt) sind die meist einzigen erwachsenen Bezugspersonen dieser Kinder und Jugendlichen.
Neben dem Projekt Mein Platz NGO gibt es zahlreiche kleinere Projekte an denen meine Organisation TRATWA teilnimmt oder die sie organisiert. So hatten wir z.B. ein Picknick für alle NGO Organisationen aus Wroclaw, ein Fest des non-formalen Lernens oder Anfang Dezember wird es eine Gala zur Ehrung des besten polnischen Freiwilligen aus Dolnoƈ Śląsk (Niederschlesien) geben. Während solcher Veranstaltungen oder auch einfach am Nachmittag schauen die Teilnehmer von Mein Platz NGO vorbei, helfen mit oder treffen einfach nur ihre Freunde bei TRATWA. In zajezdnia (dt. Straßenbahndepot, vor dem Umbau durch TRATWA) gibt es einen Raum mit einer x-Box, einer gemütlichen Sofaecke und einer angeschlossenen Küche, in der man jederzeit Mittagessen kochen oder Tee und Kaffee brühen kann. Dadurch entsteht eine heimelige Atmosphäre, die ich , genau wie die Jugendlichen, genieße.
Jeden Dienstag bin ich in zajezdnia und helfe den Betreuern im Büro oder beim Vorbereiten von Projekten. Neulich wurde ich zur Post geschickt und habe ganz stolz meinen auswendig gelernten Satz auf Polnisch verkündet: „Chiałabym wysłaƈ list pryrotetym“ (Ich möchte diese Eilbriefe versenden). Mit Kama führe ich dann jeden Dienstag unser Deutsch-Polnisch-Tandem durch. Eine Stunde lang dürfen wir nicht auf Englisch reden, was Kama zu meiner Belustigung und zum Nerven von allen anderen, strikt durchzieht. Wir spielen z.B. ein Sprachmemory, kaufen im IKEA-Katalog Möbel ein und zurzeit spielen wir gerade Siedler von Catan. Auf Polnisch heißt es nicht Mensch-ärgere-dich-nicht, sondern „Der Chinese“. In Portugal dagegen spielen sie auch „Die Pferde“, wie in Frankreich.
Donnerstags kommt Kama dann zu mir ins Büro auf der anderen Seite der Stadt. Ansonsten arbeite ich im Büro und pflege den Kontakt mit den deutschen Partnerorganisationen von TRATWA. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelingt es mir auch immer besser es zur Zufriedenheit meines Mentors, Wojtek, zu schreiben. Wojtek ist über 60 Jahre alt und hat vor ca. 10 Jahren 10 Jahre lang in Bad Muskau in Deutschland bei einer deutsch-polnischen Organisation gearbeitet. Deshalb kann er fließend Deutsch und ist sehr stark an der deutsch-polnischen Kooperation interessiert. Er ist Trainer des DPJW (deutsch-polnische Jugendwerk), das ich dadurch auch immer besser kennen lerne. Er hat mich zur „Koordinatorin“ unseres Ende Oktober anstehenden Seminares gemacht und zur „Koordinatorin“ für einen zweiwöchigen Aufenthalt von rund 15 Jugendlichen aus Rosenheim, die hier Anfang März ein Praktikum in polnischen Betrieben absolvieren möchten.
Ich befürchte, das war jetzt ganz schön viel. Aber es hat auch knapp zwei Monate gebraucht bis ich den Leitgedanken von TRATWA und alles was und wer damit zusammenhängt verstanden habe.
Und fast hätte ich es vergessen: Pani Ella (in Polen ist es unüblich Menschen mit Frau oder Herr und dann dem Nachnahmen anzusprechen. Stattdessen nimmt Pan oder Pani und dann den Vornamen). Pani Ella ist rund 60 Jahre alt und eine polnische Hausfrau, so wie man sich das vorstellt. Im Büro, das in einem Wohnhaus aus der Vorkriegszeit untergebracht ist, gibt es eine Küche. Dank Pani Ella lerne ich nun also die klassische polnische Küche kennen. Die leider, wie die deutsche, recht fettig und fleischhaltig ist. So hat mir Pani Ella Pilze zubereitet, Racuchy (die polnische Variante von pancakes) und „gołąb“ (Taube, Kohlrouladen gefüllt mit Hackfleisch und Reise). Ihre Suppe habe ich nur gekostet, weil sie zu ¾ weiß vor Fett war. Pani Ella ist auch ein Grund schnell Polnisch zu lernen, weil sie in der Schule zu kommunistischen Zeiten natürlich Russisch gelernt hat. Es wird bestimmt sehr interessant sein, wenn wir uns mit mehr als mit einzelnen Worten verständigen können.