Mein Tiefpunkt Im Estnischen Winter
Der Januar war wirklich nicht leicht für mich, das Wetter war kalt und das Heimweh da. Doch ich habe meine Geheimmittel gegen die schlechte Laune gefunden.
Ich möchte mein FSJ nicht nur in den buntesten Farben ausmalen und alles beschönigen. Besonders der Januar hat mir gezeigt, dass ein Jahr als Freiwilliger nicht immer so aufregend und bestätigend sein kann, wie man es sich vielleicht vorgestellt hat. Der letzte Monat war mit Abstand der schwierigste, zumindest bis jetzt. Ich hatte mit vielen Zweifeln, mit Heimweh und vor allem auch mit dem Wetter zu kämpfen. Besonders letzteres hat mich extrem überrumpelt. Bis jetzt hatte ich wirklich Glück damit gehabt. Das Wetter war zwar nicht immer Sommer, Sonne, Sonnenschein, aber aushaltbar. Doch nun hatten wir Temperaturen bis zu -10 Grad (was ja eigentlich nicht mal so kalt für Estland im Januar ist) und sehr starken Wind. Deshalb half auch die Tatsache, dass sich die Sonne öfter gezeigt hat, nicht. Man überlegt sich bei solchem Wetter zweimal, nein, zehnmal, ob man auch wirklich das Haus verlässt.
Auch auf der Arbeit lief nicht alles so perfekt. Die Kinder wirkten auf mich immer mehr aggressiver und geladen als zuvor. Das ist mir vorher nicht aufgefallen, aber es ist schwierig damit umgehen zu können. Das Wort Überforderung trifft hier ziemlich gut zu. Was soll man machen, wenn man von einem acht jährigen Kind angespuckt oder geschlagen wird? Nichts. Die Kinder reagieren nicht auf eine lautere Stimme oder eine ernste Miene. Das Einzige was einem übrig bleibt ist tief durchzuatmen, sich umzudrehen und für einen Moment den Raum zu verlassen. Trotz alle dem ist nicht alles schlecht gewesen. Mir ist besonders klargeworden, wie wichtig das Peeteli für die Kinder ist.
Wir waren im Januar mit den Kindern Lasertag spielen, Ski fahren und Schwimmen. All diese Ausflüge habe ich mit meiner Familie oder mit meinen Freunden unternommen, aber diese Kinder hier haben oftmals nicht das Geld oder nicht die Eltern dafür. Die Arbeit des Sozialzentrums ist sehr wichtig und ich bin stolz ein Teil davon zu sein. Auch wenn es manchmal sehr schwierig ist, reicht oftmals ein Lächeln der Kinder, um mich daran zu erinnern, dass all das die Mühe wert ist (es klingt kitschig, ist aber die Wahrheit). Und noch etwas habe ich herausgefunden, ich bin absolut unbegabt im Skifahren (ohne Spaß, aber es gibt schlimmeres). Doch trotz alledem bin ich schnell wieder aus meiner kleinen Winterdepression herausgekommen dank meiner Freundinnen. Viele Male Kaffee trinken, Spazieren gehen und gemeinsam Essen gehen haben echt geholfen.
Wenn ich die Zeit im Januar allgemein bewerten müsste, würde ich sagen, dass die Zeit eher durchwachsen war. Ich hatte am Anfang wirklich ein großes Tief, ich kam zurück aus Deutschland, zurück von meiner Familie und zurück von einem angenehmen Winterwetter in Dunkelheit, Kälte und Arbeit. Jedoch hat mir der Januar gezeigt, dass die Zeit im FSJ nicht nur gut ist, sondern auch manche Tücken für mich bereithält. Ich bin froh diese Probleme gehabt zu haben, denn ich bin mir bewusst, dass ich nur aus solchen Lebenssituationen lernen kann. Ich habe gelernt, schlechte Laune nicht allzu ernst zu nehmen und immer das beste aus der Zeit zu machen. Meine Geheimmittel? Eine wirklich warme Kuscheldecke, Netflix, lange Gespräche mit Freunden und Familie, warme Getränke, viel Essen, eine Menge Lichterketten und noch mehr Kerzen. Probiert es aus, es hilft wirklich (Ich bin das beste Beispiel). So ich habe nun die Hälfte des estnischen Winters überlebt, da werde ich den Rest auch noch schaffen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ich hoffe ihr seid es auch. Außerdem sagt man, dass jeder Freiwilliger einmal ein Tief erlebt, somit habe ich dieses nun schonmal hinter mir, Gott sei Dank…
Also haltet die Ohren steif, wie ich auch. Ich melde mich bald wieder.