"Livet er fint."
"Ich genieße jede Minute". War Mozart jetzt eigentlich Deutscher oder Österreicher? Moerlin tauscht sich nach ihrer Ankunft in Norwegen mit vielen anderen Musikstudenten aus.
"Das Leben ist schön", sage ich.
"Ja", sagt Cecilie, "das ist es."
Wir sitzen nach dem Abendessen in der Kantine, jede mit einer Tasse Tee vor sich. Wir kennen uns erst seit zwei Wochen, haben einander aber schon von vielen Dingen erzählt und Gedankengänge geteilt.
Cecilie ist meine Zimmergenossin. Zusammen mit einem weiteren Mädchen und drei Jungen bilden wir "Hütte 13", einen Teil des Internates unserer folkehøgskole. Wenn ich jetzt daran denke, wie viel Angst ich hatte, mich mit meinem zukünftigen Roomie nicht zu verstehen, muss ich lächeln. Wir verstehen uns blendend.
Vor 4 Wochen hatten wir unseren ersten Schultag an der Toneheim Folkehøgskole. Toneheim ist im ganzen Land bekannt - wenn man denn Musiker ist. Denn hier sind nur Studenten eingeschrieben, die seit Jahren Musik machen und die sich entweder aus Spaß ein Jahr lang intensiv damit beschäftigen wollen oder die dieses eine Jahr nutzen wollen, um sich auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Oder Studenten, die noch heraus finden müssen, zu welcher Gruppe sie gehören - so wie ich.
Wir waren alle aufgeregt. Aus dem ganzen Land kommen meine Mitstudenten, vom Osten der Finnmark über Trondheim, Bergen, Kristiansand und Oslo haben wir alles vertreten. Dazu kommen fünf Südafrikaner, eine Japanerin, eine Halbnorwegerin aus den USA und ich.
170 junge Leute, einfach zusammengewürfelt. Die meisten standen wie ich am ersten Tag mit großen Augen in der Gegend herum. Nichts war bekannt, alles war neu. Die Schule, die Menschen, die Internate. Aber eines hatten wir wohl alle gemeinsam: Wir haben uns gefreut wie ein Erstklässler bei seiner Einschulung.
Eine Woche später fuhren wir auf eine Kennenlernfahrt. Ziel war Memurubu, von wo aus wir - soweit wir in köperlicher Form dazu waren - den Besseggen laufen sollten.
Wie das Leben so spielt, habe ich das natürlich nicht geschafft. Mir war von vornherein klar, dass es zeitlich knapp werden könnte, da ich nicht der sportlichste Mensch bin, und als dann in meiner Gruppe (die schon das Rücklicht bildete) ein Mädchen war, die noch langsamer unterwegs war als ich, wurde uns klar, dass wir den Besseggen nicht überqueren werden würden.
Zu unser Verteidigung: Wir hatten extrem schlechtes Wetter inklusive Regen, Hagel und Windböen, die dafür sorgten, dass man plötzlich zwei Meter weiter links ging, als man ursprünglich geplant hatte.
Als Trost hatte ich das Glück, ein paar fantastische Motive vor die Linse zu bekommen.
Nach der Fahrt begann dann der richtige Alltag. Wir haben Fächer gewählt, was sich einfacher anhört als es ist. Denn für was soll ich mich entscheiden, Italienisch oder Sinfonietta, Chor oder Improvisation, Kinderchorleitung oder Dirigieren und warum liegt Chorleitung überhaupt gleichzeitig mit dem Janitsjarkorps, was für mich obligatorisch ist?
Irgendwie haben sich aber alle entschieden und im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Ich verbringe viel Zeit mit Üben (unter einer Stunde pro Tag geht gar nichts) und habe wie alle anderen auch eine Hassliebe zu unseren Übungsräumen entwickelt. Aber ich merke jetzt schon, dass ich mich verbessere. Und das macht mich froh.
Das Niveau hier ist hoch, nach der ersten Janitsjarprobe, war ich mir nicht sicher, ob ich jetzt aus Verzweiflung heulen oder doch lieber loslachen sollte. Es wurde dann doch weder das eine noch das andere, sondern eher eine Extrarunde beim Üben. Ich bin sehr ehrgeizig und hier bekomme ich das, was mir die letzten zwei Jahre in meiner Heimatstadt gefehlt hat: Jemand der besser ist, jemand, der mich anstachelt, mich immer weiter zu pushen.
Herausforderungen sind dazu da, bewältigt zu werden. Und genau das habe ich vor.
Ich liebe das Leben hier. Sicher, oft bin ich sehr erschöpft. Und will man mal schlafen, kommt man auch nicht dazu. Hier guckt man einen guten Film, und dort ist eine Jamsession und ist man erst mal in der Hütte angekommen, sitzen da bestimmt zehn Leute (von denen mindestens sechs irgendwo anders wohnen) und diskutieren, ob Mozart nun Österreicher oder Deutscher war (die Norweger sehen ihn interessanterweise zumeist als Deutschen, während ich immer davon ausgegangen war, dass er Österreicher war).
Mit anderen Worten: Ich genieße jede Minute.