Liebes Estland, weißt du wer ich bin?
Ein etwas anderer Brief über die Fremde und das Gefühl des Ankommens.
Liebes Estland,
weißt du wer ich bin?
Ich wäre schon sehr enttäuscht, wenn nicht.
Seit fast 2 Monaten kennen wir uns mittlerweile und noch immer fällt es mir schwer zu benennen, was genau das zwischen uns nun eigentlich sein soll. Du hast mich verzaubert, in deinen Bann gezogen, mit den unergründlichen Tiefen deiner vielen Seen, den, zu erst im satten Grün und dann in den wärmsten rot und gelb Tönen des Herbstes leuchtenden Blättern der Bäume, die Altstadt Tallinns, die enstpannte Atmosphäre der Studentenstadt Tartu, die bunten Holzhäuser in den kleinen Dörfern auf dem Land, die so viel erzählen zu haben, wenn auch kaum eigene Geschichten. Ich laufe durch deine Straßen, lausche Worten, in einer mir noch immer sehr unverständlichen Sprache und habe zunächst gar nicht gemerkt, wie die Tage abnahmen und ich mich verlor. In Gedankenkreisläufen, die mir immer wieder aufzeigten, was in unsere Beziehung noch nicht zu funktionieren scheint. Deine magischen Wälder beeindruckten mich nicht länger, waren zwar noch immer ein Zufluchtsort, isolierten mich aber von meinen Mitmenschen. Die Blätter fielen von den Bäumen, alles kahl, grau und so monoton. Ich habe ja versucht etwas zu ändern, mich zu verändern. Aber es war schlichtweg nicht möglich. Diese gigantisch hohe Sprachbarriere versperrte mir den Weg, ich vermochte kaum sie einzubrechen. Doch zwischen den kalten Regentagen, Kopfschmerzen und dem schrecklichen Gefühl der Fremde, hast du mich, auch wenn es erst so schien, nicht vergessen.
Sterne am Nachthimmel, welche die unendliche Weiten unsere Galaxie nur erahnen liessen. Polarlichter, derren smaragdgrüne Schleier sich auf meine Netzhaut brannten und schließlich der erste Schnee, der nicht nur die Landschaft sondern auch alle Sorgen unter seinem dichten Mantel versteckt. Ruhe und Besonnenheit in mein Kopfchaos bringt. Trotz einigen Schwierigkeiten, bin ich oh so dankbar dich kennengelernt zu haben, ich laufe deine verschneiten Straßen entlang, lausche Worten, die mit jedem Tag weniger fremd scheinen und denke:
"Vielleicht bin ich, nach all der Zeit, endlich angekommen."
Comments