Leise rieselt kein Schnee
Streit wegen Schinken und von Geistern besessene Enkel - Freddy bleibt auch nichts erspart. Zum Glück bekommt er durch demokratische Wahlverfahren und eine extravagante Woche wieder einen klaren Kopf .
Tach! Post…
Schinken sorgt für Dauerstreit
Da kam er, der erste Stay ohne Brian und Dee. Noch schlechter als der letzte Stay konnte er ja kaum werden, also haben wir alle guten Mutes auf die Familien gewartet. Es waren eine Oma mit Tochter und Enkel, welche schon diverse Male hier waren und uns in etwa als ihre Bediensteten ansahen. Am zweiten Tag haben sie sich lauthals beschwert, dass es hier jeden Abend nur Cheese on Toast gibt. Da ich am zweiten Tag Suppershift hatte, habe ich angeboten, Beans, Spaghetti oder Soup aus dem Foodstore zu holen. Das haben sie aber ausgeschlagen: Sie wollten Schinken. Als ich dann sagte, dass wir keinen Schinken haben, da Tesco nicht geliefert hat, haben sie Ale nach Schinken gefragt, so als ob ich ihnen keinen geben wollte.
Als wir dann gerade gute Nacht sagen wollten, meinte die Oma, sie wolle sich morgen früh beschweren. Als ich nachfragte, worüber denn, und ob ich jetzt irgendetwas tun könne, meinte sie, dass man hier ja nichts zum Suppers bekomme. Erst habe ich nicht verstanden, was sie sagen wollte, da sie sich im schlimmsten Glasgower Akzent aufgeregt hat. Als ich fragte, ob sie das bitte wiederholen könne, da ich einfach nicht verstanden habe, was sie sagte, meinte sie nur, dass ich schon verstehe, was sie meinte. Und so weiter und so fort. Ich erwiederte dann, dass wir das morgen ausdiskutieren könnten, da ich sie nicht verstehe und sie nicht einsehe, sich verständlicher auszudrücken.
Am nächsten Morgen fragte Wendy, was das Problem sei. Da meinte Omi, dass ich ihnen keinen Schinken geben wolle. Wendy bemerkte daraufhin, dass wir keinen haben (zum ungefähr tausendsten Mal) und ob ich denn etwas angeboten hätte - was sie immerhin bejahten. Auf die Frage von Wendy, was denn dann das Problem sei, wussten sie auch nicht mehr weiter. Der Stay war an sich gut und die andere Familien auch supernett. Das ganze schien ein Problem zwischen Oma und der Situation zu sein. Zum Beispiel bereiten wir keine Suppers mehr, die müssen sie jetzt selber machen. Und wir bieten zwar (oft) Tee oder Kaffee an, jedoch nicht auf Befehl. Außerdem schien sie speziell ein Problem mit mir zu haben. Da Oma hier schon so oft war und hier auch schon mal gelebt hat, ist sie wohl der Meinung, dass alles so sein müsse wir früher.
Eines Morgens kam William, der Enkel der Oma, angeblich schlafwandelnd in den Diningroom. Als ihn die Mutter und Großmutter sahen, meinten sie (ernsthaft!), er sei von einem Geist besessen und wollten mit ihm zum Doktor. Meiner Meinung nach hatte die ganze Familie einen gewaltigen Hackenschuss!
Einfach mal zuhören
Das Problem der Familien im Allgemeinen ist, dass ihnen einfach keiner zuhört und sich keiner darum kümmert, was sie zu sagen haben. Dann kommen sie nach Braendam, wo wir und alle anderen sich darum kümmern, was sie sagen. Das merken sie dann natürlich. Leider geht das dann oft in die falsche Richtung und sie versuchen, soviel wir möglich zu bemängeln, da ihnen endlich mal jemand zuhört.
„The Poor tell us over and over again that a person’s greatest misfortune is not to be hungry or unable to read, nor even to be without work. The greatest misfortune of all is to know that you count for nothing, to the point where even your sufferin is ignored.“ Father Jospeh Wresinski Founder of ATD Fourth World
ATD holds Braendam in trust for the poorest families.
Zweimal Abschied mit Karaoke
Ich mache mal mit etwas Bekanntem weiter, einer Abschiedsparty. Diesmal von Karolin und Sonja. War eine „normale“ Abschiedsparty, wir sollten uns einfach als irgendetwas verkleiden und dann haben wir Karaoke gesungen. War nett, aber nicht weiter erwähnenswert.
Abstimmung über neue Manager
Am Buß- und Bettag hatten wir den mit Spannung erwarteten Manager-Interview-Tag, es waren fünf an der Zahl. Das hieß, fünf schöne Stunden im Diningroom, je eine Stunde mit jedem Bewerber, danach sind sie in die Lounge gegangen um das „wirkliche“ Bewerbungsgespräch zu führen und wir hatten den nächsten Bewerber. Am Ende wurden wir nach unserer Meinung gefragt und versuchten, dies in einer Abstimmung festzuhalten.
1. Abstimmung: Jeder gibt jedem Bewerber zwischen 1-10 Punkte, da aber einige meinten, das Ergebnis spiegelt nicht die Wirklichkeit wieder, kamen wir zur 2. Abstimmung: Jeder nominiert nur einen Favoriten. Da meinten aber einige, dass das ja auch nicht fair sei, da ja vielleicht jemand von allen den 2. Platz bekommen hatte aber nicht den ersten, also 3. Abstimmung: Man hat die Punkte 3, 2 und 1, wobei der erste drei bekommt, der zweite zwei und der dritte einen, der Rest keine.
Am Ende hatten wir also drei Abstimmungsergebnisse bei denen kein Kandidat zweimal den gleichen Platz belegt hat. Deshalb beschlossen wir, dass Abstimmungen doof sind und haben uns darüber gefreut, dass wir die entgültige Entscheidung nicht treffen müssen. Am Ende ist es Cath geworden, soviel kann ich jetzt schon sagen, und sie fängt am 10. Januar an, dann wird sich hier wohl so einiges ändern, vielleicht sogar das ganze Konzept vom Braendam Family House, aber wir warten einfach mal ab (was anderes bleibt uns ja auch nicht übrig).
Besuch aus der Heimat
Am Freitag, dem 18.11. war es denn endlich soweit, mein Zwillingsbruder Moritz und meine Freunde Patrick und Morris haben sich auf die Reise gemacht, um mich zu besuchen. Sie haben es ohne Probleme geschafft, sich bis zum Stirling Bahnhof durchzuschlagen, wo ich sie abholte. Die ängstlichen Blicke beim Autofahren habe ich gekonnt ignoriert, aber man muss sich ja auch erstmal wieder an Linksverkehr gewöhnen, auch das Lenkrad auf der fal...äh.. anderen Seite ist anfangs sehr gewöhnungsbedürftig.
Angekommen habe ich ihnen erstmal das Haus und alles was dazu gehört gezeigt, dann haben sie mir einen Wäschekorb voll mit Dingen die man mehr oder weniger braucht gegeben und dann hieß es auch schon: Ceilidh! Da gleichzeitig Karolins Familie (aufmerksame Leser wundern sich, warum die denn noch da ist, wo sie doch ihre Abschiedsparty hatte. Zur Beruhigung: Sie ist erst am Sonnabend gefahren) haben wir mit Catherine und einigen anderen eine kleine Ceilidh organisiert. Wir versuchten, allen die Schottische Tanzkultur näher zu bringen, was auch alles in allem sehr gut geklappt und viel Spaß gemacht hat.
Am Sonnabend haben wir uns in aller Frühe, so gegen 1.00 p.m., aufgemacht, Ben A’an zu erklimmen. Wir haben erst eine kleine Rundfahrt gemacht, unter anderem zu einem Platz am Loch Venagar, wo wir im Urlaub 2004 waren. Der See war absolut ruhig und die Berge haben sich wunderschön darin gespiegelt. Patrick und ich haben es gerade bewundert und Moritz wollte ein Foto davon machen, da kommt Morris auf die glorreiche Idee ein Stein ins Wasser zu schmeißen... das war es erstmal mit der Spiegelung. Schnell zehn Minuten gewartet und das Foto mit kleinen Wellen geschossen. Wie auch immer, wir sind dann also los, den Gipfel zu ersteigen.
Die Idee, den doppelt so hohen Ben Ledi zu erklimmen, habe ich kategorisch ausgeschlossen und die Akzeptanz dieser Entscheidung wurde unter den Anderen mit jedem überwundenen Höhenmeter größer und am Ende waren wir alle darüber froh. Oben angekommen haben wir die Aussicht genossen und schnell ein paar Poserfotos geschossen und sind dann runter um die Rundfahrt weiter zu führen. Nach einem Abstecher beim Wasserfall haben wir Sarah abgeholt und sind zurück nach Braendam, um uns dem gemütlicheren Teil des Tages auf dem Sofa zuzuwenden. Am Sonntag ging es nach zwei Runden Discgolf auf nach Stirling, damit die drei Helden ihre Nacht am Flughafen antreten konnten. So ging ein kurzer aber schöner Besuch zu Ende.
Training Extravaganza
Die Woche vom 21.11-29.11, also eigentlich die 1 ½ Wochen, hatten wir unser „Nine-Days-Training-Extravaganza!“. Es fing mit einem super tollen Erste-Hilfe-Kurs an, hab ich ja auch noch nie gemacht, zumindest weiß ich jetzt, dass man in Schottland nicht zur ersten Hilfe verpflichtet ist. Nach Basteln und Activity-Training haben wir am Sonnabend, den 26. das Urban Wildlife Centre in Falkirk gesucht. Es war auch ausgeschildert, aber leider nur bis zur Straße, nicht bis zur Einfahrt, so haben wir also versucht, uns durchzufragen und haben uns im Zick-Zack-Verfahren dem Centre genähert. Wir haben uns selbst schon für totale Idioten gehalten, bis wir zum siebten Mal gefragt hatten und ein junger Herr meinte, dass es nur ein Tor weiter ist, es zurzeit aber geschlossen sei und da ein Schild hängen sollte. Diese Information konnten uns die ersten sechs anscheinend nicht geben. Wir sind dann also zu dem Tor gefahren, an welchen wir schon mehrmals vorbeigefahren sind und konnten jetzt auch schwach auf einem DIN A4 Zettel vom Regen verwischt lesen: „Urban Wildlife Centre – Bis auf weiteres geschlossen“.
Am Montag sind wir in aller Frühe nach New Lanark gefahren, eine alte Wollfabrik, die unter Robert Owen berühmt geworden ist, da er unter anderem die Kinderarbeit und das Arbeiten im Krankheitsfall abgeschafft hat. War alles auf Weihnachten zugeschnitten, zum Beispiel eine Reise durch die Jahrhunderte, in denen wir alle den Geist von Weihnachten wiederentdeckten, angelehnt an „Eine Weihnachtsgeschichte“ von C.S. Lewis, und einem Besuch beim Weihnachtsmann. Da wir ja auch unsere Geschenke haben wollten, sind wir rein zum Weihnachtsmann und nachdem wir alle eine Weile mit ihm geschnackt hatten und fertig waren, kamen wir raus und eine Schlange von etwa 25 Kindern wartete auf ihren Besuch beim Weihnachtsmann. Wir haben mit einem verlegenen „Ups“ versucht, uns unauffällig an dieses vorbeizuschlängeln.
Die Woche ging dann mit diversen Trainings weiter bis zum Montag, als der neue Caravan geliefert wurde. Da es schon spät und dunkel war, haben wir das „Parken“ auf Dienstag verschoben. Nach einem kläglichen Versuch, den Caravan mit purer Muskelkraft zu bewegen, welcher darin endete, dass wir ihn gerade noch vor dem Fahrradschuppen bremsen konnten, haben wir David, den Farmer, um Hilfe gebeten, da er erstens Erfahrung mit dem rangieren großer Anhänger hat und zweitens das Ganze mit einem Trekker auch viel einfacher ist. Da der Boden zu weich war, haben wir Platten verlegt, um eine Fahrspur zu legen, leider musste diese korrigiert werden, als der Caravan darauf war, also haben Richard und ich uns selbstlos unter den Caravan geschmissen um die Platten zu verschieben. Nach ungefähr drei Stunden hin und her war der Caravan endlich da, wo er sein sollte und wir waren komplett voller Erde/Matsch. Wenn man dann sieht, dass wir den Caravan insgesamt nur um 30 Meter bewegt haben, mag das lächerlich erscheinen, aber leider war auf der einen Seite ein Hügel und auf der anderen ein Öltank und der Caravan einfach zu groß.
Die Extravaganzawoche war außerdem unsere „Secret Buddy“ Woche, das heißt jeder hat einen geheimen Freund, der einem kleine Geschenke macht, ein Plakat mit „Einen wunderschönen Guten Morgen“ malt und es in der Hall aufhängt oder einfach nur einen Tee durch einen Mittelsmann zukommen lässt. Da man immer nette Sachen von seinem Secret Buddy bekam, hat man versucht, die besten zu seinem eigenen Secret Buddy weiterzugeben, somit eine Kreislaufeffekt! Hat sehr viel Spaß gemacht, jeder Blick in sein Fach war mit einer eventuellen Überraschung verbunden.
Chicken Run
Okay, es handelt sich nicht direkt um Hühner, mehr um Enten, aber diese Enten haben Wege gefunden, aus ihrem Gehege (wie nennte man das bei Enten?) auszubrechen, auf eine sehr natürliche Art und Weise, ihre Federn sind so lang geworden, das sie fliegen können. Das hieß also, jemand muss sie stutzen, sonst haben wir bald keine Enten mehr. So sind Soner und ich also mit Schere gerüstet ins Gehege und versucht die Enten zu fangen, was leider ziemlich erfolglos war und wahrscheinlich ziemlich lächerlich aussah. Dann haben wir uns mit zwei Bettlaken bewaffnet, um die Enten besser fangen zu können, dass hat dann auch besser geklappt und nach einer Stunde haben wir zehn von zwölf Enten die Federn geschnitten, nur die beiden weiblichen Enten konnten wir nicht fangen, da sie kleiner sind und schon zu gut fliegen konnten.
Ein Auto im Zaun
Da möchte ich gerade den Bericht beenden, es ist Sonnabend, 10.12., 7.00 p.m., da kommt Soner ins Zimmer und sagt, dass Hazel Hilfe braucht. Ich also runter und Hazel erzählt mir, dass da ein Auto in den Zaun gefahren ist. Wir sind hingelaufen, um zu helfen, leider konnten wir das Auto nicht mit unserem herausziehen, also kam ich auf die Idee, David, den Farmer, zu fragen. Als ich bei ihm war, meinte ich: „Da ist ein Auto in den Zaun bei der Einfahrt reingefahren, wir schaffen es nicht, es herauszuziehen, kannst du uns helfen?“ David darauf: „In meinen Zaun?!“ Ich: „Ach ja, ist ja deiner“, daran hatte ich gar nicht gedacht. Wir sind dann also mit Auto und Traktor zurück und David hat sich erstmal den Zaun angeguckt und sich sämtliche Daten des Fahrers notiert. Dann hat er das Auto rausgezogen und alle sind ihrer Wege gegangen... ich zurück an diesen Computer.
Nu aber schnell
Nachdem ich es geschafft habe, eine Woche zu vertrödeln bevor ich diesen Bericht abschicke, wollte ich nur kurz sagen, dass ich eine neue Handynummer habe und die alte SIM-Karte nicht regelmäßig kontrolliere. Da die SMS an mich ja eh eher spärlich gesät sind, macht das ja nichts.
Also für alle neuen Nachrichten und Telefonanrufe: 0044 7909600068.
Sollte ich mich aber auf deutschem Boden befinden, ist meine alte Nummer richtig... klingt alles komplizierter als es ist!
Take care!
Freddy