Leganés
Noch ist Amselle dabei, es sich in ihrer internationalen WG wohnlich zu machen. Die Selbständigkeit tut ihr gut und da sie Dank dem Lidl um die Ecke nicht ein Jahr lang Weißbrot ertragen muss, blickt sie guten Mutes in die Zukunft. Bald geht ihre Arbeit in der Sprachschule los, die sie nun besichtigt hat.
Ich lebe nun schon seit knapp zwei Wochen in meiner eigenen kleinen „Auberge Espagnole“ und bis auf eine eventuelle Erkältung, die im Anzug ist, geht es mir hier richtig gut. Ich hatte ja doch meine Bedenken, als ich erfuhr, dass ich mir ein Zimmer teilen werden müsse, aber im Nachhinein haben sich eigentlich alle meine Zweifel und Sorgen in Luft aufgelöst. Ich schreibe übrigens erst jetzt wieder, weil ich durch die neue Umgebung und die neuen Leute erstmal damit beschäftigt war, alle Eindrücke zu verarbeiten und zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren.
Langsam aber sicher lebe ich mich ein, mir kommen nicht mehr 1000 Ideen auf einmal, was ich noch alles in meinem Zimmer machen könnte (Dekoration), was noch alles geputzt werden muss, was an Haushaltsgegenständen noch fehlt, was ich einkaufen soll, wann ich waschen soll… :) Inzwischen sind auch alle meine Mitbewohner angekommen: Elina, 22, aus Lettland, Charissa, 25, aus Holland, Jitka, 25, aus Tschechien, Oliver, 24, aus Deutschland (Fürstenwalde bei Berlin) und Sandrine, 23, aus Frankreich. Wie ihr seht bin ich also das Küken, aber das fällt gar nicht so auf, weil mir die anderen rein äußerlich und auch sonst nicht so alt vorkommen. :)
Ich teile mir mit Elina ein relativ großes, helles Zimmer mit Parkettboden und eigenem Bad, das ist echt Luxus. Außerdem haben wir das einzige Zimmerfenster, das nicht auf einen Hinterhof geht. Ich bin also echt zufrieden, weil sich Sandrine und Charissa zum Beispiel ein viel kleineres, dunkleres Zimmer ohne eigenes Bad teilen müssen. Jitka und Oliver hatten das Glück der Erstankömmlinge und haben eigene Zimmer, aber eben nur kleine.
Leider haben die Freiwilligen vor uns hier scheinbar wie Schweine gehaust und auch überall geraucht, was dazu führte, dass wir alle erstmal mit der Generalüberholung der Wohnung beschäftigt waren und es noch sind. Das Mobiliar hier ist echt mehr als hässlich und auch recht alt, aber so viel schlecht zusammenpassendes Zeug hat ja dann auch wieder seinen Charme. Mit der Küche lässt es sich nun auch leben, nachdem sie geschrubbt wurde. Ich habe sogar eine halbfunktionierende Mikrowelle in unserer "Caja de Pandora", dem Abstellraum entdeckt! Man musst nur ihre Macken kennen, um sie gescheit benutzen zu können. :)
Das selbstständige Leben hier gefällt mir recht gut, ich habe vorher ja noch nie alleine für mich sorgen müssen. Selber einkaufen und waschen oder kochen stört mich aber gar nicht, im Gegenteil – so habe ich meine Wäsche dann, wenn ich sie brauche und kann immer das essen, worauf ich gerade Appetit habe. Nachdem ich hier ganz in der Nähe einen Lidl entdeckt habe, kann ich nun auch viele deutsche Produkte kaufen, besonders die Brotbackmischungen sind klasse. Ein ganzes Jahr lang nur Weißbrot hätte ich wohl nicht überstanden. ;) Natürlich kann ich auch immer und überall hingehen, wo ich will oder Leute nach Hause einladen :) Apropos: wir haben eine Schlafcouch und eine Extramatratze, also wenn Ihr nichts anderes vorhabt, könnt Ihr mich gerne mal hier besuchen kommen.
Unseren Chef und Tutor Arturo haben wir inzwischen auch mal kennen gelernt. Er hat uns eine Menge über das Leben hier erzählt und uns Tipps gegeben, was wir möglichst bleiben lassen sollten und was sich lohnt, zu tun. Abgesehen davon, dass er ständig Pfeife raucht, ist er echt nett, vielleicht ein bisschen gehetzt manchmal. Wenn wir ein Problem haben, können wir ihn anrufen, aber zuallererst ist Fatma unsere Ansprechpartnerin. Sie ist übrigens 24, sehr nett und hat vor zwei Jahren als Freiwillige in der Sprachschule, wo auch ich arbeiten werde, gearbeitet. Momentan macht sie ihr Future Capital hier.
Ich habe also neulich mit Fatma meine Sprachschule besucht, um zu erfahren, wann ich anfangen muss, zu arbeiten. Leider findet dort aber gerade ein gewaltiger Wechsel statt, weil die Direktorin Lola, eine Deutschlehrerin und eigentlich meine Tutorin, schwanger ist und nicht mehr arbeiten darf. Außerdem gehen viele Lehrer, während neue kommen. Zusätzlich fehlt ein/e englische/r Freiwillige/r, dessen/deren Antrag von der Nationalagentur abgelehnt worden ist. Arturo hat das der Schule aber leider nicht gesagt und so haben die das erst durch Fatma erfahren.
Es kann nun gut sein, dass ich jetzt zusätzlich zu den Deutschstunden, die ich geben muss, auch noch Englischstunden geben werde... *g* Fatma hat das vorgeschlagen, weil sie findet, dass ich recht flüssig Englisch sprechen kann. In der Wohnung reden wir momentan nur so, weil Charissa und Oliver kein Spanisch sprechen können. Ziemlich krass, oder? Ich weiß nicht, ob ich es wirklich will, ich lasse erstmal alles auf mich zukommen. Der Vorteil an den Englischstunden wäre halt, dass ich selber gezwungen bin, mich wieder mit der Sprache auseinanderzusetzen. Außerdem lerne ich so noch mehr Leute kennen. Sollte ich nicht zu viel arbeiten müssen, mach’ ich es wahrscheinlich.
Allerdings wurde mir auch ein freier Tag pro Woche versprochen, an dem ich zum Beispiel Ballettstunden nehmen könnte. Ich habe sogar schon eine Schule gefunden und die Stunden sind kostenlos! Ich war schon dort und habe mir die Räumlichkeiten angeschaut und würde echt gerne anfangen, wahrscheinlich geht es aber aufgrund meiner Arbeitszeiten doch nicht. Da ich ja von 16.00 bis 20.00 Uhr arbeiten muss, kann ich auch sonst kaum eine Aktivität wahrnehmen, dass ist ein bisschen schade. Dann geh ich eben im Polideportivo schwimmen oder so.
Was ich rein sprachtechnisch machen soll, weiß ich immer noch nicht, denn mir bringt wohl ein Besuch der Sprachschule nicht mehr so viel, so dass ich schon überlegt habe, ob ich nicht einfach morgens in Vorlesungen an der Uni sitzen soll (ist aber nicht legal, hat man mir dort gesagt - viele machen es trotzdem). Die ganzen Sprachkurse finden nämlich immer spätnachmittags bis abends statt. Die anderen gehen jetzt alle ab nächster Woche jeden Tag in die Sprachschule. Ich habe mir nun überlegt, ob ich mich nicht einfach im Selbststudium auf den Sprachtest des Cervantes Institut (DELE) vorbereiten soll. Lernmaterial gibt es hier in Massen und ich habe auch selber welches mitgebracht. So ein Test wäre natürlich eine gute Motivation für mich, mal wieder die Nase in Bücher zu stecken, auf der anderen Seite ist das Zertifikat, das man anschließend bekommt, aber nur für zwei Jahre gültig.