Kokosnussliebe
Über meine ganz besondere Gruppe Kokosnüsse
Darf ich vorstellen:
Ein spanischer Yoga und Techno Fanatiker (Rubén), ein vegetarisch kochender Italiener (Lorenzo),eine talentierte deutsche Fotografin (Emili), eine kreative und katzenvernarrte Spanierin (María), eine Russin zwischen workaholic und Dauerschlaf (Darya),ein georgisches Wundermädchen(Sopi),eine spanische gute Launebombe (Hozier), eine kleine türkische Powerfrau(Feza), ein Türke, der immer die richtigen Worte findet(Sinan) und unser Wörterbuch für allerlei Sprachen aus Polen (Karolina)- meine Gruppe internationaler Freiwilliger und bester Freunde während meines einjährigen Freiwilligendienstes in Ungarn.
Ich kam nach Ungarn ohne jegliche Informationen seitens meiner Organisation, wusste fast nichts über das Land, meine Kollegen und meine Aufgaben.
Dieser Zustand der Nullinformation setzte sich auch bei meiner Ankunft fort. Nach langem Herumirrem und Warten am Budapester Flughafen wurde ich von zwei fremden Personen abgeholt, um danach meine zukünftigen Mitfreiwilligen kennen zu lernen.
Die erwarteten Gleichaltrigen, mit denen ich ein Jahr zusammen wohnen und arbeiten sollte, entpuppten sich als um Mitte 20 bis fast 30 Jährige und statt von Ihrer Lebenserfahrung profitieren zu können, war ich es, die die ganze Verantwortung für Schlüssel, Finanzen etc. in den ersten Tagen übernehmen musste.
Unsere erste Aktivität als Freiwillige war die Teilnahme und Mithilfe an einem kleinen Volksfestival, wo wir mit ca. 20 Leuten für eine Woche in einem Raum schliefen. Mit unseren für ein Jahr gepackten Koffern blieben wir also erst mal dort anstatt unsere Stadt und Unterkunft kennen zu lernen. Der Anfang war demnach schon eine Herausforderung auf verschiedenen Ebenen für mich: weg von zuhause zu sein, mit meinen neuen zukünftigen Mitbewohnern und Kollegen aus zu kommen und das alles in einem fremden Land mit seltsamer Sprache.
Während des Festivals und auch noch in den ersten zwei Monaten war alles immer noch sehr ungewohnt und ich fühlte mich weder angekommen noch angenommen. Ich habe meistens nur Zeit mit Rubén verbracht, denn zu den anderen gab es noch eine große Distanz. Auch der Altersunterschied war am Anfang ein Hindernis, denn ich wurde gleich als die „Jüngste“ abgestempelt und musste meine Erwachsenenqualitäten immer wieder beweisen.
Mit der Zeit kamen dann noch andere Freiwillige dazu, wie Feza und María, die unsere Gruppe nochmal neu definierten und uns mehr zusammenschweißten.
Ich kann mich gar nicht an einen bestimmten Zeitpunkt erinnern; es kam einfach irgendwie: Wir lernten uns alle besser kennen, ich öffnete mich mehr und auch die anderen lernten mich als Person besser kennen und bereiteten mir beispielsweise eine tolle persönliche Geburtstagsüberraschung. Wenn es später darum ging, wer Verantwortung für etwas übernahm oder etwas entschied, dann war ich das. Wir wuchsen mehr und mehr als Familie zusammen- mitunter auch wegen unseres gemeinsamen Problems, der kaum zufriedenstellenden und undefinierten Tätigkeiten in der Organisation. Einige spielten immer wieder mit dem Gedanken, abzubrechen, doch letztendlich blieb jeder bis zum Schluss, wegen unserer Familie.
Jeder, der neu dazu kam, wie zum Beispiel Sinan in den letzten drei Monaten, wurde sofort als Familienmitglied in unsere „Grouphugs“ aufgenommen.
Dieses Gefühl so eine tolle Gruppe, unterschiedlicher Menschen um dich rum zu haben, die dich alle wertschätzen, so wie du bist und dich so gern haben, ist einfach wunderbar.
Deshalb waren ihre ganzen Macken kein Problem für mich, insbesondere ihre Leidenschaft für Kokosnussprodukte, die alle liebten außer mir: Rubén schmierte sich gerne die Haare mit dem stinkigen Kokosnussöl ein, Lorenzo knabberte seine Kokosnusskekse zum Frühstück und Darya schlürfte gerne mal eine Kokosnussmilch. Aber gerade wegen dieser Gewohnheiten, entwickelte sich diese „Kokosnussliebe“.
Wenn ich heute mal ein Problem habe und nicht weiter weiß, weiß ich aber umso mehr, dass es zehn Menschen gibt, die hinter mir stehen, zwar einige Tausende Kilometer entfernt, aber trotzdem verbunden.
Nun ist die gemeinsame Zeit vorbei. Ich habe so viel mitgenommen aus diesem Jahr im Ausland: Ich fühle mich einfach wohl in meiner Haut, zufrieden, erwachsener, aber immer noch ich selbst und ich freue mich auf die Zukunft, in der ich alle meine Kokosnüsse besuchen werde.