Kling, Kasse, Klingelingeling: Wie das Fest der Liebe zum Konsumrausch mutiert
Das Weihnachtsfest hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr gewandelt. Aber zum Besseren? Frauqui stellt sich diese Frage und beobachtet den Trend unserer Zeit mit Schrecken - aber auch mit Hoffnung.
Alle Jahre wieder stehen wir im Supermarkt und können es nicht fassen: Wieder haben sich Lebkuchen, Spekulatius und Schokoladennikoläuse bereits im September in den Regalen breit gemacht.
Und ab spätestens zwei Monaten vor Heiligabend gibt es keine Werbeunterbrechung, während der uns kein rotgekleideter Rauschebart einen Mobilfunkvertrag, einen Joghurt oder die neuste Spielekonsole empfiehlt.
"Moonlight-Shopping" hat sich zur Weihnachtszeit längst etabliert und 2008 gehen die großen Warenhäuser gar so weit, dass sie am 24. Dezember erst um 20:00 Uhr die Türen schließen. Nach Büroschluss kann man also noch gemütlich bei Karstadt vorbeifahren, bevor man beim Chinesen um die Ecke das Weihnachtsmenü ordert; nach der Bescherung wird der Fernseher angemacht und das Fest der Liebe ein weiteres Jahr abgehakt.
Aber ist das das Weihnachten des 21. Jahrhunderts? Singen die Kinder das Lied aus dem Coca-Cola-Werbespot mit, anstatt sich Weihnachtsklassiker wie "Scrooge" von Charles Dickens oder "Oliver Twist" anzusehen?
Umfragen zeigen ein erschreckendes Bild: Zehn Prozent aller Deutschen kennen die Bedeutung von Weihnachten nicht und vermuten Gründe wie den Winteranfang hinter dem Trubel rund um den 24. Dezember.
Noch schlimmer steht es bei den Kindern. Einer Umfrage des Hörbuchportals 'Hoerothek' ergab, dass ganze 39 Prozent der Sechs- bis Zwölfjährigen nicht wissen, warum sie einmal im Jahr einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann schreiben dürfen.
Der Säkularisierungsprozess in Deutschland spielt sicherlich eine große Rolle bei der Diskussion, ob das besinnliche Weihnachtsfest auf die Dauer von einem Konsumrausch ohne Limit abgelöst werden wird. Aber wenn Religion für die Deutschen immer mehr an Bedeutung verliert, warum feiern wir dann überhaupt Heiligabend?
An keinem Tag im Jahr sind die Kirchen voller als am 24. Dezember, trotzdem lassen sich auch an dieser Stelle rückläufige Tendenzen feststellen.
Wo ist er, der "Geist der Weihnacht"? Versteckt er sich hinter Klingeltonwerbungen und Lichterketten, hinter Bergen von Geschenkpapier und Kreditkartenabrechnungen?
Die "Jugend von heute" verbindet Weihnachten vor allem mit Geschenken, möglichst in großer Anzahl und mit viel Geld von ihren Eltern bezahlt. Zeit mit der Familie, Zeit der Besinnung? Oh nee, bitte nicht. Die Disko hat auch am 24. geöffnet.
Also ist nun der Massenkonsum das Gesicht des heiligen Abends. Herrliche Bilder der festlich geschmückten Arkaden am Potsdamer Platz in Berlin zeigt der "Spiegel", in eine bunte Glitzerwelt verwandeln sich Dörfer und Städte schon Monate vor dem Fest.
Und das ist es auch, was wir mittlerweile mit Weihnachten verbinden, wir Bewohner einer westlichen Industrienation, die wir eine Überflusskultur pflegen. Und wer will uns schon einen Vorwurf machen? Das Fernsehen, unser großer, strahlender Führer, preist den dicken Mann mit dem weißen Bart als Fürst des Konsums, während die Geburt eines Kindes in irgendeinem Stall in Afrika keine Rolle mehr spielt.
Machen wir uns nichts vor: So, wie es Oma und Opa unterm Weihnachtsbaum erzählen, wird es nie wieder werden. Ob das nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.
Aber wie unsere Kinder Heiligabend erleben werden, wie wir selbst das Fest der Liebe gestalten, ist allein von uns abhängig. Und vielleicht ist gerade der 24. Dezember ein Datum, an dem man sich auf das besinnen sollte, was den Charme dieses Festes ausmacht. Früher war nicht alles besser. Weihnachten aber vielleicht schon!