Irland im Sommer?
Yvy stellt unter anderem in ihrem Jugendcafé fest: „Es ist so schön, wie unterschiedliche Kulturen die Jugendlichen bereichern können.“
Wir schreiben den Monat Mai. Ich frage mich echt ganz bedenklich, wo rennt den eigentlich die Zeit hin? Wieder haben mich Tausende Eindrücke überhäuft und verschiedenste Erlebnisse überschüttet. Ich denke nun wirklich, dass es Zeit wird, mal alles wieder ein bisschen niederzuschreiben.
Gerade zurück von einem erlebnisreichen Inselleben-Wochenende mit zwölf anderen Europäischen Freiwillen (viele aus meinen Trainings in Dublin, das heißt, internationales Zusammenfinden) zeigt mir wieder einmal mehr, was für eine einmalige Erfahrung mein Freiwilligendienst ist. Ich weiß nie, wen ich in den nächsten Tagen treffen werde oder welche Herausforderung sich mir in meinem Projekt stellt.
Wir waren also alle gemeinsam für ein Wochenende auf Cape Clear, einer Insel, die gerade mal 100 Einwohner hat (wir haben sozusagen die Einwohnerzahl im Verhältnis an diesem Wochenende stark angehoben ;) ), aber dennoch nicht einsam ist. Die Fähre schipperte uns also mit allerlei Plauderei am Freitag den 12.05.06 von Baltimore auf die Insel, wo wir freudig von Sandra (aus Dänemark) und Angle (aus El Salvador) empfangen wurden.
Wir kochten uns einen riesigen Topf Spaghetti und genossen unseren ersten gemeinsamen Abend an einem kleinen, aber dennoch viel zu heißen (Plätzchen wechsel dich) Feuerchen. Mit noch etwas pessimistischer Einstellung dem Wetter gegenüber schliefen wir ein und wachten mit unglaublichem Sonnenschein und damit verbundenen strahlendblauem Himmel fröhlich wieder auf. Oh Mann, wir waren so glücklich und machten uns nach einer Weile mit unserem kleinen ‚dänischen,-die-ganze-insel-kennenden“-Guide auf eine Inselreise.
Wir stolperten über kleine Pfade zu den wohl schönsten Stellen der Insel. Ich kann nur sagen, es war atemberaubend und die Verbindung von der Grüne es Grases, von Bäumen & Büschen, dem Blau des Wassers und den zart und in allen möglichen Farben überall blühenden Blumen machten die kleine Wanderung für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis. Wir lagen zwischendurch in der Sonne (am Abend sahen wir das Ergebnis mit rotbrauner Färbung im Gesicht *looks like summer*) und zu guter Letzt landeten wir (oder mehr oder weniger die ganz Harten) dann auch noch im Meer.
Es war wunderbar eisig, aber für einen Sprung und ein möglichst schnelles Herausschwimmen reichte es dennoch. Und das erfrischte salzige Gefühl danach entschädigte uns für alles wieder. Dies als ein kurzen Einblick in das Wochenende. Aber wie es eben so ist: „When there’s a coming - there’s a going….“ Dieser Satz ist ein Inselgeprägter Satz, der im ersten Moment wohl komisch wirkt, aber einem später nicht mehr aus dem Kopf geht, da er auf alles sowohl positiv als auch negativ zutrifft.
Es war spannend, einen Einblick in das Inselleben zu bekommen, aber ich weiß nicht, ob ich es wie Sandra und Angle schaffen könnte, neun Monate auf der Insel zu Leben. Dennoch ist es eine einmalige Erfahrung, denn die beiden haben so viel Gutes für die Bevölkerung dort getan. Ich glaube, man realisiert so viele Dinge dort, wie wenig man eigentlich braucht, wir schweben alle so im Überfluss, aber jeder will ständig mehr. Doch ich denke, manchmal ist das Einfache vielleicht auch das Beste. Wobei Inselleben ja nicht einfach sein muss, sondern sehr reich an Mit- und Füreinander, reich an Gedanken, reich an Einsichten, reich an Freiheit, reich an dem sein kann, was man draus macht.
Am Sonntag machte ich mich mit der 4-Uhr-Fähre wieder gen Heim. Auf der Überfahrt hatte ich das Glück, einen älteren Barceloner mit Namen Josep zu treffen. Er ist etwa 70 Jahre alt, Sandra hat ihn auf einem Interrailtrip in Spanien kennen gelernt und er macht nun zurzeit einen Englischkurs in Cork und wollte Sandras Insel einmal sehen. Er erzähle mir interessante Einstellungen zum Leben und schrieb mir diesen Satz auf: „ Caminante, nohay camino, se hace camino al andar“ – grob übersetzt: Der Weg ist das Ziel, jeder kann seinen eigenen Weg finden.
Im Café geht es sehr spannend voran, ständig passieren immer neue Dinge, für mich ist es einzigartig, die ganzen Forschritte zu sehen. Die Bar ist nun gut ausgestattet und kommt allmählich in eine Routine. Auch die Gestaltung macht sehr gute Fortschritte, die Toiletten erstrahlen in einem tropischen Stil mit Bambusmatten an den Türen, Spiegeln mit Muscheln, Stencils, Spraypainting und verschiedenen Bildern an den Wänden, zum Beispiel ein abstrakter Sonnenuntergang bei den Mädels und ein Surfer bei den Jungs.
Geplant ist im künstlerischen Bereich in nächster Zeit ein Graffitikurs, Perlenarbeiten (zum Beispiel Schmuck) und Vieles mehr. Ich habe viele Aufgaben im Café und fühle mich als ein Teil vom Ganzen. Die Arbeit mit den Jugendlichen macht mir sehr viel Spaß und inzwischen ist es so, dass ich viele beim Namen kenne und auch sie mich.
Zurzeit planen wir die Sommerferienaktivitäten. Die Jugendlichen haben hier drei Monate Ferien - Mann, das hätte ich mir mal gewünscht. Es ist gut, dass meine Meinung auch gefragt ist und ich mich aktiv einbringen kann.
In der letzten Zeit habe ich sehr viel von West Cork (der Bereich, in dem ich lebe) gesehen. Was ich aber vorher unbedingt noch einschieben muss ist: Ich war letzten Samstag, am 06.05.06 bei der Abschiedsfeier von DieFee in Cork (schnief, da hab ich zum ersten Mal realisiert, dass die Zeit wirklich viel zu schnell rast)...
Aber Feeeeeeeeeeeeee, Du wolltest doch noch mal nach Bantry kommen!? Ich bin dann noch bis Montag in Cork geblieben und habe mich mit Lia, einer Europäischen Freiwilligen aus Georgien, getroffen. Als ich wieder zurück nach Bantry kam, warteten Fee und Anne schon auf mich. Juppie, Fee ist doch noch mal in Bantry! Am nächsten Tag zeigte ich den beiden die Wasserfälle hier ganz in der Nähe, die versteckt liegen und einen zuerst nicht erahnen lassen, gleich ein kleines tropisches Paradies durchstreifen zu dürfen.
Zu Ostern besuchten mich meine Eltern und mein Brüderlein für eine Woche und mein Freund für zwei Wochen. Sie mieteten ein Auto, so dass wir viele Stellen sahen, die man sonst mit dem Bus sehr schwer erreicht. Es war schön, meine Familie mal wieder um mich zu haben und ihnen mein Leben hier zeigen zu können.
Nun ein Stück weiter zurück: Ich hatte vom 22. bis 24.03.06 wieder ein Training (Midwaytraining) in Dublin und habe dort meine internationale Crew wieder getroffen. Wir hatten zusammen wieder sehr viel Spaß in Dublin, waren abends zusammen weg. Oh Mann, tat das gut, wieder mal in richtigen Clubs zu sein oder ein Konzert zu hören. Bantry ist eben nicht Cork oder Dublin und schon gar nicht Leipzig, es ist schon alles ein bissel anders, hat nicht ganz so viel in dieser Richtung zu bieten, aber dafür auch anderes, was man vielleicht woanders nicht bekommt, zum Beispiel die Spontaneität von Musiksessions im Pub, das Treffen von verschiedensten Leuten... Ja, ja, alles hat seine Vor- und Nachteile.
Ich bin dann noch übers Wochenende geblieben und habe bei meinem kleinen spanischen Zwilling Ana übernachtet. Ich habe wieder so viele tolle Leute kennen gelernt und war auch schon mal unter Spaniern und Italienern die einzige Deutsche. Auf dem Rückweg habe ich noch in Clonakilty Halt gemacht, wo ich Lenka besucht habe, eine Europäische Freiwillige aus Tschechien.
Danach, vom 02.04. bis 04.04.06, machte ich mit Jannik, der zusammen mit Fee in einem Haus wohnt, wodurch ich ihn kennen gelernt habe, einen Trip mit einem deutschen Auto (das heißt, sitzen auf der „richtigen“ Seite, aber fahren auf der „falschen“ *gg*) um den Ring of Kerry, Ring of Dingle und durch Gape of Dunloe, wo es wie in einer anderen Welt war: kleine enge Straßen, Felswände, kleine Seen und ständig wechselnde Landschaft.Wir sind im Auto mit guter Musik gefahren, hielten an, staunten, machten Fotos, erkletterten Berge, entdeckten Wege und erlebten weiße Strände in Kombination mit türkisblauem Meer. Wir hatten so ein Glück mit dem Wetter! Wenn es drauf ankommt, spielt das irische Wetter hier auch wirklich mit.
Ja, ja, das Wetter ist schon so eine Sache und immer für eine Unterhaltung gut. Ob es nun richtig toll ist oder schlecht, die Menschen hier vergleichen es immer und lassen immer einen kleinen Spruch darüber fallen. Wenn es sonst nichts zu sagen gibt, verfällt man halt darein. Ich merke es manchmal selbst an mir, dass ich in einem Laden bin und plötzlich eine Bemerkung darüber fallen lasse.
Am Anfang, als es in Deutschland die ganze Zeit kalt war und geschneit hat, konnte ich immer sagen es ist schon seit zwei Monaten wie Frühling, aber jetzt habe ich das Gefühl, der Frühling will gar nicht mehr gehen. Es braucht alles solange zum Blühen, dadurch dass es die ganze Zeit so mild ist, aber inzwischen ist alles noch grüner und alles geht voran. Wo bleibt der Sommer? Klar zwischendurch kommt schon immer mal ein warmer sonniger Tag, aber eben viel zu wenig. Ich bin dennoch guter Hoffnung, hier auch noch die Strände genießen zu können. Denn die gibt es hier wirklich, so richtig mit Sand und türkisblauem Meer.
Irland ist schon ein recht schönes Stück Erde, dennoch könnte man manchmal meinen, man ist weit dahinter, denn mit Informationen haben die es hier echt nicht so. Wenn ich da nicht auf das Internet ausweichen könnte, wäre ich, glaub ich, bei all den Berichten über die neusten Autounfälle, Mordtaten und Wetterberichte verloren. Ach ja, nicht zu vergessen der Sport: hoch und heilig und noch dazu viel zu wichtig , um Sendplatz für Weltnachrichten zu verschwenden.
Anfänglich habe ich immer ganz geduldig bis zum Schluss auf die wirklichen Informationen gewartet, um dann doch festzustellen, dass es vergeblich war. Oder wenn dann doch mal ein kurzer Bericht auf der Bildfläche auftauchte, war er so kurz, dass ich ihn schon fast wieder verpasst habe.
Ich bin sehr froh, dass ich allerdings mit Leuten zusammenarbeite, die sich doch um Dinge scheren und sich nicht von allem isolieren, was in Irland sehr einfach ist, da es so weit weg von allem Weltgeschehen ist. Aber ich denke, ich werde in nächster Zeit viel über Deutschland hören, denn die WM ist schließlich ein sportliches “Weltereignis“, für das sich nach Ansicht der Iren (oder zumindest einem, der mir das eben sagte), alle interessieren sollten.
Aber es ist so lustig, ich habe heute einen der Jugendlichen im Supermarkt getroffen (er arbeitet da) und ihm erzählt, dass ich am Wochenende auf Cape Clear war. Er wusste wirklich nicht, wo das ist. Ich sagte, die Fähre geht in Baltimore, er antwortet: Ah ja, habe davon gehört... Ich denke mir: Was, Du wohnst hier und kennst nicht einmal diese Stadt, die nicht mal eine Stunde von deinem Ort entfernt ist? Aber im Vergleich dazu soll ich als bekennender Nichtfußballversteher wissen, welche Spiele in meiner Stadt statt finden. Na ja.
Ach ja, ich habe jetzt ein Fahrrad - mehr oder weniger fahrtauglich, noch seltsam pinklila im Mix, aber dennoch mit höchsten Genussfaktor. Bin heute mal eine kleine Strecke gefahren und es war unheimlich schön, den Wind im Gesicht und das Gefühl des Fahrens spüren zu können.
Die beiden Franzosen sind letzte Woche nach drei Monaten wieder nach Hause gefahren. Wir hatten für sie eine kleine Abschiedsfeier organisiert und Musik gemacht (vor allem Chris und Fergal, beide aus meiner Organisation) und gesungen. Dabei kam auch die französische Sangeskunst nicht zu kurz. Ich habe es noch gar nicht richtig realisiert, dass sie weg sind, war schon lustig mit den beiden und Flo hatte ein tolles Verhältnissen zu seiner kleinen Fangroup im Café. Es ist so schön, wie unterschiedliche Kulturen die Jugendlichen bereichern können, ob sie nun was über unser Land wissen wollen, oder nach Übersetzungen in der anderen Sprache fragen - kultureller Austausch ist eines der bereicherndsten Dinge die man erleben kann.
Nun nähert sich bald die Fünfmonatsmarke hier, aber diese Monate haben mir schon so vieles gezeigt und für viel Neues die Augen geöffnet. Ich bin im Hier und Jetzt und was später kommt, wird sich alles zeigen. Aber wir können gemeinsam versuchen, die Welt ein Stück besser zu machen.
„Caminante, nohay camino, se hace camino al andar“