“I wanna be a drummer.”
Die folgende Geschichte handelt um Sam. Er ist 15 Jahre alt und leidet seiner Geburt an einer sehr schweren Behinderung. Wieso er für mich ein inspirierender Mensch ist, erfahrt ihr hier.
Wieso habe ich mich entschieden einen Artikel über Sam zu schreiben? Weil diese Person es verdient hat in die Reihe der inspirierenden Personen aufgenommen zu werden, von denen auf dieser Plattform schon viele vorgestellt wurden, sei es ein netter Gastgeber oder eine spannende Person, die man auf einer einzigartigen Reise kennengelernt hat.
Die folgende Geschichte ist anders. Sie handelt von Sam. Sam ist 15 Jahre alt und leidet seit seiner Geburt an einer sehr schweren Behinderung. Er besucht eine Schule im Süden Englands, die auf die Arbeit mit körperlich und geistig behinderten Menschen ausgerichtet ist. An dieser Schule mache ich mein Freiwilligenjahr und arbeite dort unter anderem in seiner Klasse – so haben sich unsere Wege gekreuzt.
Sam leidet an einer schweren infantilen Zerebralparese und hat einen erheblichen Schaden am visuellen Cortex. Auf Deutsch bedeutet das, dass er seit der Geburt eine Kinderlähmung hat. Sein Gehirn ist stark geschädigt, was dafür sorgt, dass seine Motorik stark eingeschränkt ist - der Kreislauf von Befehlen senden und Impulsen aufnehmen ist gestört. Die Folge ist eine wechselnde Muskelspannung, welche die Fähigkeit des Sprechens, der Nahrungsaufnahme und der Körperspannung sehr stark einschränkt. Wenn ich mit Sam unterwegs bin, merke ich diese Symptome ganz deutlich: Er ist schwer zu verstehen, weil er Worte kaum artikulieren kann und oftmals nuschelt. Er kann nicht aufrecht in seinem elektronischen Rollstuhl sitzen, selbst Schultergurte sorgen mehr für blaue Flecken als für eine aufrechte Sitzhaltung. Wenn es ums Essen geht, muss man sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit für Sam einkalkulieren und ohne motivierendes Zurufen bewegt Sam seinen Rollstuhl nur sehr langsam. Dies hängt aber auch damit zusammen, dass Sam mit der Schädigung des visuellen Cortex – der „Sehrinde“ des Menschen – einen Bereich in der Großhirnrinde nicht mehr zur Verfügung hat. Dadurch wird die visuelle Wahrnehmung beeinträchtigt und somit kann Sam nur sehr schwache Umrisse seiner Umgebung erkennen.
Aus diesen Gründen besucht der 15jährige Sam ein Art Internat in Großbritannien, wodurch er seine Mutter mehrere Tage die Woche nicht sieht und wo ich ihn und viele weitere Schüler durch ihren Schulalltag begleite.
Trotz all dieser unendlich schweren Lasten, die eine permanente Hilfe von Pflegern erfordern, ist dieser Mensch einer der glücklichsten Personen, die ich je gesehen habe. Wenn ich morgen wieder zur Arbeit gehe und Sam von seiner gebückten Haltung aufblickt und mich mit zugekniffenen Augen hinter einer dicken Brille mit breitem Grinsen anblickt, fühle ich mich mit dieser These immer wieder bestätigt. „Hey Max. How are you?“.
Sam hat es nicht einfach in der Schule. Oft hängt er über seinem Tisch und murmelt bei überfordernden Aufgaben, die wir als Begleiter im Unterricht an ihn weitergeben, nur: „I am tired.“. Wenn man versucht weiter nachzuhaken, was denn die Lösung sei, fühlt er sich schlecht, weil er nicht die gewünschte Antwort geben kann und nuschelt „I am sorry.“. Meistens sucht er dann körperlichen Kontakt, indem er meine Hand fest hält. Es ist nicht so, dass Sam faul ist – er versucht sein Bestes zu geben und zu kämpfen, aber es fällt ihm sehr schwer, da elementare Bestandteile seines Gehirns nicht mehr vorhanden sind.
Unbehelligt davon strahlt dieser Junge so eine positive Atmosphäre aus, wie ich sie niemals bei Gleichaltrigen gesehen habe. Besonders deutlich wird das bei seinem eindeutigem Lieblingsfach: Musik. Seinen schwachen Sehsinn gleicht Sam nämlich durch verbessertes Hören aus. Hören wir ein Lied im Unterricht so richtet sich Sam auf, schaut in die Runde mit zugekniffenen Augen und verkündet: „I wanna play the drums.“. Gibt man ihm nun eine Trommel, auf der er den Takt schlagen kann, so senkt er sein Ohr ganz nah zum Fell der Trommel und begleitet mit einer astreinen Rhythmik das entsprechende Lied. Bei jedem Schlag auf die Trommel fangen seine Augen an zu leuchten und ein Lächeln huscht ihm über die Lippen – Sam ist in seinem Element und in einer komplett anderen Welt. Immer wieder jauchzt er: „I wanna be a drummer“ – sein großer Traum – wie eines seiner Idole Phil Collins.
Kinder heutzutage jammern über das veraltete iPad und wünschen sich den neusten Computer und sind dann nicht einmal halb so glücklich wie Sam über eine Trommel… Sam ist aber anders als viele Kinder und das hat meine Sicht auf das Leben und auf das Glück maßgeblich geprägt. Er wird sein ganzes Leben an den Rollstuhl gefesselt sein und durchgehen die Hilfe von Pflegern benötigen.
Viele Reporter haben hier Personen vorgestellt, die Einzigartiges getan haben – der Unterschied ist, dass meine Person jeden Tag mit einem einfachem Lächeln Einzigartiges schafft. Bei den Bürden, die diesem Kind aufgebunden sind, so ein Durchhaltevermögen und Optimismus zu zeigen – das hat mich wirklich inspiriert.
Vielen Dank für eure Zeit.
Aus Datenschutzgründen zeige ich kein Foto von Sam hier – das Bild zeigt eine andere Person, die zudem, im Gegensatz zu Sam, einen manuelle Rollstuhl fahren kann. Ich bitte um euer Verständnis.
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