Hochgefühl kommt vor dem Fall
"Was bezahlt ist, bleibt auch drin", so Lockenjules Vorsatz, als sie beim Feiern an den Tisch mit den Russischen Herren geladen wird... und mit dem russischen Vodka!
Vorgestern schrieb mein guter Hundertwasser-Kalender den 13. Februar. Das bedeutete für mich fünf Monate Moldawien. Zugegeben, am Tag selbst habe ich überhaupt nicht daran gedacht… und es trotzdem sehr intensiv gefeiert.
Wir waren abends beim Italiener, in gemütlicher Runde von sechs Freiwilligen. Allerdings wurden wir im Laufe der Zeit, wie das bei abendlichen Kneipenrunden nun mal so üblich ist, immer mehr.
Als uns der ständige Zuwachs dann zum Umziehen an einen größeren Tisch zwang, blieb uns einzig die Wahl des langen thekenähnlichen Tisches, der quer durch den Raum ging und Blickfang für all die anderen drum herum stehenden Tischgruppen war. Aber da wir wegen unserer Lautstärke – Alkohol hebt die Stimmung, man merke sich das für später im Text – eh schon auffielen, störte uns das ständige Beäuge von allen Seiten dann auch nicht mehr.
Nach einiger Zeit kam ich zusammen mit einem anderen Freiwilligen, der schon ordentlich einen im Tee hatte und die vornehmen Gäste lauthals mit deutschen Schlagern beglückte, ins Gespräch mit drei russischen Herren.
Man stelle sich ihren Tisch vor: Drei große, breite, etwas fette Russen um einen Tisch, der wie im Klischee-Bilderbuch mit Wodka, Tomatensaft, Wurst- und Käseplatte, Brot und Tomaten bestückt war. Kaum hatte ich diesen Anblick registriert, saß ich auch schon bei den Herren am Tisch, vor mir ein Glas Wodka, neben mir eine offenbar einsame russische Seele, die Süßholz raspelte.
Zum Glück konnte einer der drei Englisch, denn auch wenn ich mir größte Mühe gab, das russische Genuschel zu verstehen, kam nicht viel dabei heraus. Alf, der andere Freiwillige, versuchte es mit Rumänisch (was man als Moldawe ja auch kann) und hatte damit schon etwas mehr Erfolg.
Allerdings waren die Herren eher der russischen Sprache zugetan, sodass ich mit steigendem Alkoholpegel mein bestes geben musste, um den mittlerweile mehreren Freiwilligen (bis auf Alf natürlich nur Weiber) die Schmeicheleien zu übersetzen.
Die Runde wurde immer lauter und lustiger, der Kellner musste eine Wodkaflasche nach der anderen bringen, man schenkte mir immer wieder ein… und ich wurde immer betrunkener. Aber eine gestandene Deutsche lässt sich nichts anmerken, ich hielt mich gerade, die Russen begannen sich über meine Trinkfestigkeit und meinen gesunden Appetit zu wundern. Naja, wenn es schon mal Wurst und Käse gratis gibt, da sag ich doch nicht nein.
Man erklärte mir schließlich, ich sei gar nicht deutsch, sondern Russin, das höre man ja schon am Namen, sehe man schon am Gesicht und merke man schon am Trinken. Deswegen wurde ich auch direkt in den urrussischen Namen Natascha umgetauft. Schönen Dank auch.
Nach ca. 10 mal anstoßen auf die Völkerfreundschaft rückte mir der angetrunkene Osteuropäer neben mir dann so nahe, dass ich Rosi den möglichst schnellen Aufbruch bedeutete. Wir mussten noch einmal zum Abschluss trinken, uns noch zehnmal 'Julitschka, Rosalina, bleibt doch noch!' anhören und verschwanden dann schnellstmöglich. Das heißt, ich schritt mit hocherhobenem Haupt gerade und stolz aus der Kneipe, aber sobald die Tür hinter uns zu war… wankte ich direkt an Rosis Schulter.
Der Heimweg war ein Genuss, wie mir Rosi am nächsten Morgen erzählte (ich kann mich nur noch bruchstückartig daran erinnern…). Ich schlurfte eher im Zickzack als geradeaus zu laufen, schräg an Rosi lehnend, erzählte ihr ungefähr zwanzigmal "Wawas besahlt is, bllllllleibt auch drin!" und "Dassss wolllllt ich sch-sch-schon immer mmmmal machen, so ffffffffffffffeiern wwwwwwwwwwie die Russn das mmmmmachen."
Zweitgelalltes stimmt übrigens tatsächlich. Mein erstes Vorhaben zerschlug sich allerdings wenig später, als in meinem Zimmer sämtliche Einrichtungsgegenstände Polka tanzten und mein Bett zu einem fliegenden Teppich mutierte.
Rosi, die bekanntlich hart im Nehmen ist, stand meinem Fall in die Tiefen der Wodka-Nachwirkungen bei. Nun ja, zumindest habe ich mit meinem ersten Absturz etwas für die europäische Völkerfreundschaft getan. Was bin ich doch für eine pflichtbewusste Freiwillige.