Helsinki IV – am Ende scheint die Sonne in Stockholm
so...letzter Teil der Wochenendreise nach Helsinki
Am Tag, als wir Helsinki .verlassen, liegen die Straßen im Schatten großer Wolken. Vom schönen Wetter des gestrigen Tages ist nichts geblieben Die Porzellanfassaden der Häuser sind verschwunden, der Glanz russischer Architektur, die man hier überall findet, ersetzt durch Graugrau dicker Wolken.
Wir laufen durch die Stadt. Der Wind ist kalt. Wir suchen nach Sehenswürdigkeiten und sehen nur Kirchen und manchmal hübsche Häuser und manchmal Skulpturen in Parks und in von Hecken durchwachsenen Ecken. Eine besteht aus schwebenden alten Orgelpfeifen (das Sibelius-Denkmal), deren Oberfläche durchätzt und vernarbt in der Sonne zu glänzen vermag, im Nieselregen aber wie ein nie fertig gebautes Haus in noch ferner Zukunft wirkt. Wir entdecken den Krach, den es macht, wenn man kleine Steine hinein wirft, wie kleine Kinder es machen würden. Ansonsten nicht spektakulär.
Trotzdem hält laut schnaufend ein Touristenbus und spuckte mit Fotokameras bewaffnete alte Leute aus, die dann stumm davor stehen und Fotos machen und sonst nur dastanden und bestimmt nichts wussten. Eine Tafel mit Erläuterungen dieses Denkmals gibt es nicht. Manche der alten Touristen haben weiße Socken und neongrüngelbe Jogginghosen an und schauten aus wie aus der Zukunft verirrte Modezeitschriftenredakteure.
Zu Fuß weiter durch die Stadt, vorbei an einer hässlichen Kaserne, die so hässlich ist, dass ich glaube, ich sei wieder irgendwo in Wittenberge aber zwei Straßen weiter dann nette kleine Läden entdeckt, die Gitarren verkaufen für teuer Geld und ich hätte mir gerne eine mitgenommen, nur um dann manchmal Lieder zu singen, die mir durch den Kopf gehen, die ich nicht kenne und nicht aufschreiben und am nächsten Tag vergessen werde. Wie Träume, die man vergisst und nach dem Aufstehen wie ein Nachgeschmack im Kopf fühlt.
Halb fünf nachmittags sind wir auf der Fähre auf einem Deck mit grün lackierten Metallfussboden und lassen die Stadt langsam hinter uns. Möwen folgen uns bis auf die offene See. Zu Beginn der Reise gibt es Bunny Dance. Eine Bordpraktikantin muss im Hässchenkostüm kleine Kinder unterhalten und tanzt ganz komisch, es sieht fast aus wie die Gymnastik, die früher immer im Fernsehen lief und das finden wir so inspirierend, dass wir gleich mitmachen und wir finden das sogar lustig und die, die das nicht mögen, finden das bestimmt peinlich. Aber in dem Moment sind wir glücklich mit uns selbst.
Und bald schon zittert das Boot im peitschenden Wind und neigt sich hin und her wie ein betrunkener Matrose. Einem der Italiener aus unserer verrückten Truppe wird das zu viel und er verkrümelt sich in die Kajüte als um Mitternacht noch ein blaues Band Resttageslicht über dem Horizont über unser aller Seelen Wache hielt und im Bordpub spielt jemand Pubmusik und in der Karaokebar gibt es Lieder, die ich mal vor langer Zeit im Radio gehört habe, als ich im Stau stand auf dem Weg in den Sommerurlaub und ich weiß jetzt nicht, wie man sie singt und überall an Bord auch wieder der ganze Hokuspokus wie auf der Hinfahrt mit als VikingLine Kreuzfahrt verkleidete Leute, die in Stöckelschuhen hin und her eiern.
Übermüdet wache ich Montagmorgen auf, wieder in Stockholm, die grauen Wolken weg gepustet, der Himmel blau wie Porzellan und die Sonne kräftig und stolz am Himmel wie ein König und mit schwerem Reiserucksack laufe ich vom Hafen durch Södermalm bis in mein Büro und mache in einem der schönsten Parks der Stadt Halt, als die Luft wieder nach Flieder riecht und nicht nach Ostsee und im Büro mache ich mir einen schönen, einfachen, unkomplizierten Maschinenkaffee und stürze mich in die Arbeit.
Das Wochenende ist schön gewesen. Ich werde einige der Leute vermissen, die irgendwo in Schweden wohnen und im Sommer schon in ihre Heimat zurückreisen. Aber wir geben uns allen das Versprechen, dass wir uns besuchen werden. Irgendwann einmal. Wenn wir wieder verreisen.
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