Hauptstadtfeeling III - Meine Eindrücke von Warschau
Und habt ihr die Geschichte gelesen?;) Eine kleine Stadtführung durch Warschau
Ich habe bislang noch keinen Polen getroffen, der Warschau mag. Alle waren mal dort, aber viele verbinden mit der Stadt im zentralistisch aufgebauten Polen nur viel Bürokratie. Außerdem seien die Menschen dort arrogant und überhaupt ganz anders.
Meine Begeisterung für die Stadt halte ich im Zuge einer gelungenen Integration also besser geheim, zumindest vor meinen polnischen Mitmenschen;) Die vielen alten Paläste und Klöster an sich sind schon beeindruckend, aber wenn man sich überlegt, dass all das originalgetreu wieder aufgebaut wurde, sieht es noch viel schöner aus.
Nach einer super leckeren chinesischen Suppe im du-za mi-ha (sprich: du [garagen g] ga mich [ ch wie in ach] a, was unglaublich chinesisch klingt, aber auf Polnisch große Schüssel heißt), sind wir zu dem Symbol Warschaus schlechthin gegangen: dem Kulturpalast. Mit 237 Metern war es einmal das zweithöchste Gebäude Europas. Allerdings es wurde zwischen 1952 und 1955 zur Zeit des Kommunismus errichtet und ist dementsprechend unbeliebt. Und dann steht er auch noch in Waaaarschau… Aber die Warschauer Stadtverwaltung scheint sich alle Mühe zu geben, denn nachts wird der Palast in rot, blau, grün, gelb, lila angestrahlt. Fraglich bleibt, ob ihn das wirklich schöner macht:D
Generell war die Stadt sehr bunt ausgeleuchtet mit zahlreicher Weihnachtsdekoration. Mich hat es gewundert, dass es Mitte Januar überhaupt noch weihnachtlich dekoriert war. Ein paar Poleninnen haben mir erklärt, dass die Adventszeit zwar nicht so stark gefeiert wird wie in Deutschland, dafür aber die Deko bis Ende Januar bestehen bleibt. Glück für mich. Von einem übergroßen Geschenk, einer Christbaumkugel, einem sprechender Teddybär, ein Schornstein mit Kamin uns Sesseln und einer riesigen Waggons ziehenden Lok mit einem Smiley war wirklich alles dabei. Doch damit nicht genug. Wie schon beim Kulturpalast, spart Warschau auch bei den anderen Sehenswürdigkeiten keine Stromkosten. Entlang des 10 km lange Königsweg finden sich so ziemlich alle wichtigen ältere Gebäude Warschaus. Ich bin natürlich nicht den ganzen Weg gelaufen. Wir haben in der Nowy Swiat angefangen, am Rondo (Kreisel) de Gaulle den eine riesige künstliche Palme ziert. Obwohl es eigentlich eine der Hauptstraßen Warschaus ist, erschien es mir leer und irgendwie kalt. Feiern tun hier auch nur die reichen Touristen. Weiter ging es auf der Krakowskie Przedmieście (Krakauer Vorstadt) vorbei an der St. Anna Kirche, einem Planetensystem in dessen Mitte ein Denkmal von Nikolaus Kopernikus steht, der übrigens im Polnischen Toruń geboren wurde. Weiter ging es an der Vasallinenkirche, in der aus Warschau stammende Schüler Fryderyk (er emigrierte nach Frankreich, der Frédéric) Chopin seine ersten Stücke präsentierte. In dieser Kirche wirkte auch einer der wichtigsten Bischöfe für den Hirtenbrief 1965, der mit dem Satz „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ zur deutsch-polnischen Aussöhnung beitrug. Allerdings war es aus deutscher Sicht vor allem in Anbetracht der vielen Vertriebenen noch zu früh für diesen Schritt. Die längste Repräsentationsstraße der Welt (!) verläuft weiter am Präsidentenpalast, der wirklich lila angestrahlt wird. Die Königsweg endet bzw. beginnt passenderweise beim Königsschloss in der Altstadt. Es war in rot und mit sich bewegenden weißen Blumen dekoriert. Und neben der Sigismund-Säule stand der größte (und so gerade sicher künstlicher) Tannenbaum. Ohnehin konnte man unter all den Lichtern in Süßigkeitenform keine Tanne erkennen. Bis dahin dachte ich der Baum in Wroclaw sei schon … naja … übertrieben.
Die Altstadt selbst ist viel gemütlicher als die Nowy Swiat. Auf dem Rynek (Marktplatz) gab es kleine Eisbahn und die bekannte Syrena-Säule herum. Und es gab sogar noch einen Weihnachtsmarkt. Eingegrenzt wird dieser alte Teil von einer Stadtmauer, in der sich ein Denkmal eines kleinen 10-jährigen Jungen befindet, der für all die kämpfenden Kinder während des Warschauer Aufstandes steht. Ein weiteres Denkmal stellt kampfbereite Menschen dar, die die Last schwerer Steine auf ihrem Rücken tragen. Auch wenn es nur Denkmäler sind, fühlt sich die Geschichte dadurch ganz anders an. Noch mehr zum Nachdenken angeregt hat mich allerdings der Besuch im ehemaligen Warschauer Ghetto. Auch hier gibt es neben dem Denkmal vor dem Willy Brandt niederkniete weitere Gedenktafeln und zwei Stellen an denen die alte Ghettomauer erhalten geblieben ist. Auf einem Foto vereint sind die Mauer, das normale Wohnhaus, das drumherum gebaute, der sowjetische Kulturpalast und moderen Bürogebäude. Einfach irre. Überhaupt fand ich den Umgang der Stadt mit ihrer Geschichte beeindruckend. Denn natürlich soll man nicht wie in einem Museum leben, aber das Vergessen soll auch verhindert werden. Das Ghetto ist heute ein ganz normales Viertel, nur manchmal verstecken sich noch die alten Häuser zwischen den neuen.
Außerdem waren wir noch am Grab des unbekannten Soldaten (ich dachte immer, das gäbe es nur in Paris) und am Marie-Skłodowska-Curie Museum, die erste Frau, die zwei Nobelpreise in zwei verschiedenen Kategorien erhielt, und eine Polin! Überhaupt habe ich in Warschau dank meiner polnischen Mitbewohnerin viel polnische Kultur mitbekommen. Neben einem klassisch polnischen Frühstück mit schlichtem Brötchen, Kräuterfrischkäse, Tomate und Würstchen, habe ich ganz typisch in einem Hochhaus mit 174(!) Briefkästen gewohnt. Von außen hätte ich nie erwartet, wie schön diese Wohnungen sein können. Ganz in der Nähe des Hauses stand ein kleiner Schrein mit Maria und dem Jesusbaby im Arm. Davor waren sogar Kerzen wie an Allerheiligen aufgestellt. Und ich habe die einzige U-Bahnlinie Polens genommen. Wirklich, es gibt nur diese eine:D Mich hat es sehr überrascht, dass die Bus- und Straßenbahnschilder genauso aussahen wie in Wroclaw. Wenn ich in Deutschland in einer andere Stadt ist ja sogar das anders.
Abgeschlossen haben wir unseren Besuch im klassizistischen Łazienki-Park. Hier befindet sich ein bekanntes Chopin-Denkmal und insgesamt ist der Park wunderschön beruhigend. Es gibt Eichhörnchen, Pfauen und ein Theater am Wasser. Auf die übliche Gofry, die man im Park gekauft haben sollte mussten wir aus Zeitgründen verzichten. Auch so bin ich typisch (?) polnisch 2 min vor Abfahrt beim Polskibus gewesen, in dem ich sofort eingeschlafen bin … Pałac kulturowe … Chopin … Krakowskie Przedmieście … Ghetto … Marie Curie … Syrena … Zamek królewski …
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