Happy Pride!
Ganz Kopenhagen ist in Regenbogenfahne getaucht und tanzt mit Glitzer auf der Straße. Ich lege mich jetzt schon fest: das war die beste Party meines Erasmus-Aufenthalts!
Einer sagte: Hey, wenn man sich bei der Pride anmeldet, bekommt man ein kostenloses T-Shirt! Und weil wir Studierende sind und in einem teuren Land freuen wir uns über kostenlose Dinge, war die Sache klar - wir gehen da hin. Nebenbei ist es eine schöne Geste der Universität von Kopenhagen die Vielfalt zu feiern und mit einem Truck bei der Pride Parade vertreten zu sein.
Vor ein paar Jahren bin ich schon einmal zufällig in die Pride Week in Stockholm und Malmö geraten, aber nun in Kopenhagen alles von Beginn an mitzubekommen hat mir erst gezeigt, welchen Stellenwert das Festival hier hat. Wikipedia verrät, dass das erste Pride Fest seiner Art 1996 stattfand als Kopenhagen europäische Kulturhauptstadt war. Seither wurde das Festival mehrmals umbenannt und die Besucherzahlen stiegen auf 300.000 im Jahr 2017.
Wir konnten die ganze Woche über beobachten, wie die Bühne auf dem Rathausplatz aufgebaut wurde, wie Firmen Regenbogenfahnen an ihre Fassaden hängten, wie die Schaufensterscheiben von Netto und 7Eleven passend beklebt wurden und Limo, Jutebeutel und Sonnenbrillen im Regenbogenlook ins Sortiment kamen. Tagsüber wehten Regenbogenfahnen von den Bussen und Gebäuden, nachts leucheten die Fassaden der Einkaufszentren mehrfarbig. Das fühlt sich an wie ein Farbrausch und es wirkt unglaublich wichtig, man merkt gleichzeitig aber auch wie kommerzialisiert die Veranstaltungswoche ist: in diesem Jahr wurde die Pride von 78 Sponsoren unterstützt. Einige von ihnen ändern dafür kurzzeitig die Farben des Firmenlogos oder fügen markige Botschaften hinzu. Andererseits: vielleicht ist die Vielfalt von Lebens- und Liebensweisen so selbstverständlich geworden, dass keine Pride Parade gebraucht wird, um für politische Botschaften Aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern damit Geld verdient werden kann.
Montags startete die Pride mit Programm auf dem Rathausplatz. Am Freitagabend sahen wir uns eine Drag Night an, die Madonna und ihrem 60. Geburtstag am Vortag gewidmet war. Außer Olivia Jones habe ich bisher keine wirkliche Vorstellung von Drag Queens gehabt. Auf der Bühne bot sich eine große Vielfalt an Perücken, Make-up, Kleidern, High-Heels, Tanzeinlagen, Backgroundtänzerinnen und -tänzern und Showeffekten. Die Musik dazu kam vom Band - die meisten waren zu sehr damit beschäftigt, sich nach und nach ihrer Kleidungsstücke zu entledigen oder aufreizend zu tanzen. Mein Highlight waren die Gebärdendolmetscherinnen am Bühnenrand, die den Liedtext übersetzten und oft viel unterhaltsamer waren als die eigentliche Show.
Am Samstag schließlich war die große Parade durch die Stadt, der krönende Abschluss der Pride Week. Um 11.30 Uhr mussten wir am Rathaus Frederiksberg sein, von wo die Parade starten würde. Wir beeilten uns, um auch ja noch ein T-Shirt zu bekommen, außerdem Glitzer, Croissants und anschließend sogar noch Freibier. Bis die Parade startete standen wir noch eine ganze Weile herum, aber ich konnte mich einfach nicht satt sehen an den vielen kreativen Verkleidungen und Details, mit denen sich die Leute geschmückt hatten. Außerdem wurde schon Musik gespielt, also tanzten wir einfach so lange bis die ersten Trucks loszogen, an uns vorbei. Die Menschen jubelten uns von oben zu, tanzten ebenfalls, manchmal ging ein Konfettiregen nieder. Als unser Truck sich in Bewegung setzte, fielen wir vor lauter Studierenden mit KU T-Shirts zurück und konnten nichts davon sehen oder den DJ hören. Es fühlte sich besonders an, mit dem Uni T-Shirt mitzulaufen und von den Leuten angeschaut und umjubelt zu werden, aber auch etwas seltsam, da wir nicht wirklich zur Stimmung beitrugen. Daher fing ich an, den Kindern in der ersten Reihe High Fives zu geben, das freute sie sehr. Die Route führte quer durch die Stadt zum Rathaus Kopenhagen und wirklich überall war die Straße dicht gesäumt von Zuschauern mit Regenbogenfahnen, Menschen auf der Fensterbank oder auf dem Balkon.
Am Rathausplatz bogen die Trucks ab, da war die Parade sehr plötzlich vorbei. Nach und nach kamen weitere Trucks oder Gruppen mit Bannern, einheitlichen Verkleidungen oder geschmückten Lastenfahrrädern. Wir suchten uns ein Fahrrad mit Musik und tanzten, zogen weiter zur Bühne am Rathausplatz, wo erneut Drags und Sänger zu sehen und hören waren. Abends feierten wir in einer kleinen Seitenstraße. Wie die Menschen mit Tischen und Stühlen draußen saßen und gemeinsam aßen, wie sie mit ihren Bierbechern durchströmten, wie eng die Gasse war und der Disconebel die Köpfe und Straßenlaternen verschluckte - es erinnerte mich an Dorffeste in Spanien und das Myfest in Kreuzberg. Und es ist doch mit keinem davon zu vergleichen. Die Stimmung war gelöst, angeheitert, ausgelassen, alle feierten die Liebe, tanzten zu Partyklassikern, es gab spontane Umarmungen und über allem hing die Girlande mit Regenbogenfahnen.
Punkt Mitternacht wurde die Musik abgestellt und es löste sich recht schnell auf. Wir schleppten uns noch auf ein letztes Bier und eine Runde Kickern ins Studenterhuset, dann war auch die letzte Energie vertanzt.