Hambi bleibt - Protest für einen Wald
Selten hat sich so ein internationaler Protest formatiert angesichts einer Waldrodung. Der Hambacher Forst wurde zu einem Symbol des Widerstandes, zur letzen Festung im Kampf gegen das Kapital. Hier eine kleine Zusammenfassung der Ereignisse und ihrer Konsequenzen.
Vor einigen Jahren war ich selber im Hambacher Forst: Auf dem alljährlichen Klimacamp und besuchte Demos und Veranstaltungen im Protest gegen den Klimawandel. Obwohl damals die Atmosphäre noch relativ entspannt war, eskalierte eine Demonstration sehr schnell, Aktivisten und Aktivistinnen blockierten die Gleise der Kohlebahn und wurden gewaltsam geräumt. Es war schockierend zu sehen, welche Interessen hier eher vom Staat geschützt werden: Nämlich die der Großkonzerne, und nicht die der direkt betroffenen Anwohner oder umweltinteressierten Menschen.
Die Geschichte des Streits zwischen RWE, dem großen Energieversorger der Region und den Beschützer*innen des Hambacher Forsts, beginnt allerdings bereits 1977. Damals erwarb die Rheinbraun-AG, die später in den RWE-Konzern überging, das Waldgebiet. Heute ist bereits ein Großteil des 12.000 Jahre alten Waldes für den Braunkohle-Abbau gewichen: Von den ursprünglichen 5.500 Hektar Fläche existieren nur noch 200. Mit weiteren Plänen für Rodungen verschärfte sich der Konflikt mit Braunkohle-Gegner: Diese wollten nicht, dass der alte Wald noch weiter weichen musste, um die unökologische Braunkohle zu fördern, Umweltzerstörung im doppelten Sinne.
Vor sechs Jahren besetzten erstmals Aktivist*innen Teile des Waldes: Sie erschufen Baumhäuser und lebten darin, um weitere Fällungen unmöglich zu machen. Immer wieder wurden sie von der Polizei geräumt, aber der Widerstand blieb: Ein Bauer, der mit der Protestbewegung sympathisierte stellte ihnen ein Grundstück, welches am Wald grenzt, zur Verfügung, auf welchem sie ihre Basis aufbauen konnte, ohne dass sie jemals geräumt werden dürfte. 2016 befand das Oberlandesgericht Münster die Besetzung für illegal und die Rodungspläne für legal, womit sich der RWE-Konzern die Lizenz sicherte, bis 2040 im Tagebau Hambach Kohle fördern zu dürfen.
Die Gegner blieben jedoch resistent: Sie gründeten mehrer Initiativen, banden regional mehr Leute ein, bauten aber auch international eine breite Solidaritätsfront auf: Der Hambacher Forst wurde damit zum Symbol im Kampf gegen die Kohle. Angesicht des geplanten Beginns der Rodung im Oktober 2018 verschärften sich die Konflikte, was schließlich in der Veranlassung einer völligen Räumung der Baumhäuser mündete. Die Räumung der Baumhäuser und insbesondere das Vorgehen der Polizei wurde stark diskutiert und kritisiert. Wie viel Gewalt darf ein Polizist/ eine Polizistin ausüben? Wie viel Gegengewalt ist gerechtfertigt? Diese Fragen polarisierten die Beobachter, bis hin zu Grundsatzdebatten des zivilen Ungehorsams und Widerstandes in Demokratien. Der Tod eines Bloggers, welcher bei einer Räumungsarbeit von einer Hängebrücke stürzte und seinen Verletzungen erlag, warf tragische Schatten über den Hambi-Protest - Wer ist für so etwas verantwortlich zu machen?
Als die Räumungsarbeiten schon beinahe abgeschlossen sind und die Lage aussichtslos scheint, wenden zwei Gerichtsurteile noch einmal das Blatt: Einem Eilantrag des Umweltverbandes BUND wurde stattgegeben, welches einen vorläufigen Rodungsstopp erwirkte. Auch eine kurzfristige Genehmigung einer verbotenen Demonstration setze ein Zeichen für die Umweltbewegung - Der Kampf für den Erhalt der Bäume ist noch lange nicht abgeschlossen! Da die Verhandlungen und die Gerichtsverfahren über Rodungen vermutlich noch bis 2020 andauern werden, gibt es zunächst eine Ruhepause für die Aktivist*innen - Und viel Zeit zum Planen und Organisieren!
Vieles aus der Protestgeschichte um den Hambacher Forst lässt sich kritisch diskutieren, vor allem die Gewaltbereitschaft und den Extremismus vieler Waldbesatzer*innen, gerade da letztlich der legale Kampf viel effektiver war. Und trotzdem ist diese Leidenschaft, mit der diese Menschen den Wald seit Jahren verteidigen, zu bewundern: Wenn wir mit dieser Kraft und Überzeugung auch an anderen Fronten kämpfen, kann die europäische Umweltbewegung noch vieles erreichen!
Quellen
https://www.bund-nrw.de/themen/mensch-umwelt/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlentagebaue/hambach/chronologie-hambach/
https://hambacherforst.org/hintergruende/der-wald/die-besetzungen/chronologie/
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/hambacher-forst-raeumung-aktivisten-rwe-polizei/seite-2