Halbzeit!
Ein paar Gedanken zur Mitte meiner geplanten Zeit in Nordirland...
Good morning everyone!
Gestern ist mir aufgefallen, dass ich jetzt schon vier Monate hier in Nordirland bin und damit genau die Hälfte meiner geplanten acht Monate hier bin. Also wenn das keinen Blogpost wert ist, dann weiß ich auch nicht... Ganz ähnlich wie damals als ich vor einiger Zeit versucht habe ein Zwei-Monats-Update zu geben fällt es mir auch jetzt schwer, diese Zeitspanne zu bewerten. Auf der einen Seite scheinen die Tage und Wochen nur so dahin zu fliegen, aber auf der anderen Seite habe ich in diesen vier Monaten wahrscheinlich mehr erlebt und mehr neue Eindrücke gesammelt als in irgendwelchen anderen vier Monaten davor.
Viele Leute haben mich in letzter Zeit gefragt ob die "Arbeit" noch Spaß macht oder ob es langsam langweilig oder anstrengend wird, aber da muss ich sagen, dass ich mich wirklich eigentlich an jedem Tag gerne auf den Weg zu den Residents mache, den Geist voll mit Plänen für den Tag und Visionen für zukünftige Aktionen. Klar sind manche Tage anstrengend und erfordern ein hohes Maß an Geduld, und gerade wenn man selber vielleicht nicht in Höchstform ist, sich für die Residents aber voller Energie und Elan gibt verbraucht man leicht viel "emotionale Energie", aber die freien Stunden unter der Woche und freien Tage reichen mir zum Glück vollkommen zur Regeneration aus. Ich habe jetzt auch quasi vier Monate ohne Urlaub durchgearbeitet, was ich während meiner Schulzeit glaube ich als sehr anstrengend empfunden hätte, aber hier habe ich jetzt eigentlich nicht wirklich das Bedürfnis nach Ferientagen - was sollte ich mit diesen im Moment auch anfangen?!
Der Lockdown wurde hier letzte Woche auf jeden Fall bis Anfang April verlängert und solange solche strengen Einschränkungen herrschen sind größere Ausflüge und Reisen natürlich unmöglich. Ich hoffe wirklich ganz fest, dass sich die Situation noch vor meiner Abreise wieder so weit entspannt, dasss ich ein bisschen mehr von Land und Leuten aufschnappen kann, denn einfach wieder nach Hause zu fahren ohne die wichtigsten Wanderrouten belaufen, die bekanntesten historischen Stätten mit eigenen Augen gesehen und die unterschiedlichsten der zahlreichen irischen Dialekte gehört zu haben, kann ich mir nur schwer vorstellen. In der Zweischenzeit sitzen wir Freiwilligen aber natürlich nicht rum und blasen Trübsal, sondern verbringen unsere freien Stunden mit schönen Spaziergängen innerhalb des erlaubten zehn Meilen Radius, Kostüm- und Geburtstagsparties, Tanzen, Musizieren, Kochen, Lagerfeuern und tausend anderen Dingen. Es passier regelmäßig, dass man die halbe Nacht in der Küche sitzt und einfach nur redet und auch ein erstes Bad im Meer direkt vor der Haustüre habe ich inzwischen genommen (war eiskalt und auch schon stockdunkel, aber trotzdem mega nice ;)).Wir leben jetzt schon so lange in einem Haus zusammen, bekommen selbstverständlich auch die Hochs und Tiefs der anderen mit und teilen so viele lustige Erfahrungen, dass wir als Gruppe schon wirklich gut zusammengewachsen sind. Jetzt begreife ich erst wie komisch es für die "letzte Generation" von Freiwilligen gewesen sein muss als so viele Leute kurz vor ihrer eigenen Abreise im Winter ankamen und ihre "eigene" Gruppe sich immer mehr zerstreute. Für mich wird es jedenfalls ein komisches Gefühl sein wenn so ab Juni nach und nach die meisten derzeitigen Freiwilligen wieder abreisen...
Ein anderer Nebeneffekt davon, dass ich jetzt ja schon so lange hier bin ist dass einem unausweichlich immer mehr "Mängel im System" auffallen, so gut das Grundprinzip der Camphill Bewegung auch ist. Ich bin sehr froh zu sehen, dass es doch auch eine Menge aufgeweckter Leute hier gibt, die gelernt haben gewisse Dinge mit gesundem Menschenverstand zu hinterfragen und auf die Probe zu stellen und wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, gibt es eigentlich immer irgendeine Kleinigkeit, die man mit der eigenen Position verändern kann. Zusammen mit einer andren Freiwilligen und einer der sehr kompetenten Sektretärinnen treffe ich mich beispielsweise seit ein paar Wochen regelmäßig um Ideen auszutauschen, wie wir das Leben in der Community nachhaltiger und umweltbewusste gestalten können. Unser Plan ist es ein Netztwerk an Interessierten zusammenzufügen und eine Platform für verschiedenste Initiativen in diesem Kontext zu etablieren. Ich bin definitiv gespannt wie viel wir damit bewirken können und ob wir neben viel "food for thought" nicht auch den ein oder anderen Steins ins Rollen bringen können...
Auch das Verhältnis zu den Resident wird natürlich mit der Zeit immer intensiver. Man merkt nicht nur, wie das Vertrauen in uns Freiwillige von Seiten der Residents immer mehr wächst und wir zunehmend einen größeren Teil in ihrem Leben einnehmen (es ist schon irgendwie rührend wenn manche Residents ständig von gemeinsamen Aktivitäten zu träumen scheinen oder sich der Junge der eigentlich ständig in seiner eigenen Welt ist plötzlich deinen Namen merkt), sondern uns wird auch immer mehr die Vielschichtigkeit und Einzigartigkeit jeder einzelnen Persönlichkeit bewusst. Immer häufiger kommt es vor, dass man kleine Lernerfolge und Schritte zur Selbsttsändigkeit bei ihren feststellt und das spornt natürlich zu weiteren Anstrengungen an.
Zu einer anderen Sache wollte ich noch ein kurzes Update geben: nämlich dem Problem mit meinem noch nicht unterschriebenen ESK Vertrag. Um es kurz zu machen - es hat sich seit Herbst im Prinzip nicht viel geändert. Die zuständigen Behörden haben es im ganzen Brexitchaos immer noch nicht geschafft, unser Projekt vollständig zu unterzeichnen und so bin ich (und bestimmt noch zehn andere Freiwillige hier) immer noch kein richtiger ESC volunteer, sondern "halt einfach so hier". Mich beeinträchtigt das im Alltag zwar im Prinzip überhaupt nicht, aber beispielsweise für unsere Arbeitsstelle wäre die finanzielle Unterstützung vielleicht schon nicht ungern gesehen. Ich bin ja mal gespannt ob aus der ganzen Sache noch was wird - inzwischen witzeln wir schon ein bisschen, dass es ja eigentlich auch nicht schlecht ist wenn der ESK Vertrag während dieses Frewilligendienstes gar nicht mehr unterschrieben wird und wir dann die Chance für die Teilnahme an einem weiteren ESK Projekt in Zukunft haben... ;).
Ich werd euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten und verbleibe für heute mit einem " Have a lovely day, everyone!"
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