Hängen Träume an einem Land?
Mein Beitrag zu "Mein besonderer Mensch- Unsere Geschichte" widme ich nicht nur einem Menschen, sondern meinen Mitschülern in der Sprachschule.
Hängen Träume an einem Land oder können wir sie weiter in unserem Leben tragen? Die Frage stellte ich mir als wir in unserem Sprachunterricht über die Zukunft der Kursteilnehmer in Dänemark sprachen. Einige hatten sich schon eine farbenfrohe Zukunft ausgemalt. Einer möchte gerne in Dänemark bei einer Bank arbeiten, weil er Informatik in Großbritannien studiert hatte. Meine Mitfreiwillige möchte sogar gerne in Dänemark studieren. Jeder hatte eine konkrete Idee, man könnte sogar sagen ein Traum, wie sein Leben in Dänemark aussehen könnte.
Aber als unsere Lehrerin einen Kursteilnehmer aus Syrien fragte, war seine Antwot, dass er jede Arbeit annehmen würde. Es war eine Antwort, aber keine an der ein Traum oder ein konkreter Weg hing. Unsere Lehrerin hakte nach, ob er denn keinen Traumberuf in Syrien hatte
Seine Antwort war ja, aber seine Träume sind in Syrien geblieben. Zum einen existiert der Job, den er machen wollte nicht und jetzt ringt er um Akzeptanz in einem neuen Leben.
Es sind diese Begegnung, die unserem Freiwilligendienst einen anderen Anstrich geben. Wir bekommen einen neuen Einblick von dem, was uns in Nachrichten gezeigt wird. Auch wenn es einen leicht bitteren Beigeschmack hinterlässt.
Als EVSler besuchen wir die Sprachschule, die von allen Neuankömmlingen besucht werden muss, wenn man länger in Dänemark bleiben möchte. Ein großer Teil unserer Mitteilnehmer stammt aus Syrien. Ihre alltäglichen Erzählungen gaben uns einen tieferen und direkteren Einblick in das, was die Medien "Flüchtlingskrise" nennen. Wir hörten von den Schwierigkeiten in Syrien, aber sahen auch die Schwierigkeiten der Integration.
In meinem ersten Sprachkurs war ein Junge, der genauso alt war wie ich (20), dessen Eltern ihm ein Flugticket in die Hand gaben und ihn ohne Erklärung alleine nach Europa fliegen ließen. In Kolding lernte ich eine syrische Studentin, deren Zeugnisse ihrer Erzählung nach zerrissen wurden, denn eine Frau studiert in der Vorstellung von Islamisten nicht. Es sind kleine Fetzen, die ein uns ein kleines Bild von der Gegenwart Syriens geben.
Meist wird uns aber von Verwandten erzählt, die bald nach Dänemark nachziehen oder in anderen Ländern Europas Asyl bekommen haben. Oder man erzählt uns auch von Zielen, die einige haben. Zum Beispiel habe ich einen jungen Friseur getroffen, der gerne in Dänemark irgendwann einen Friseurladen eröffnen möchte. Aber die wirtschaftliche Karriere in Dänemark beginnt meist erst bei den Supermarktketten im Rahmen eines Praktikums.
Alltägliche Probleme wie ein Besuch beim Arzt, waren auch Thema in unserem Sprachkurs. Da ein dänischer Arzt kaum arabisch spricht und Fachbegriffe über Krankheiten kaum zum ersten Wortschatz im Dänischen gehören, kann ein Arztbesuch sich schon als schwierig gestalten. Aber auch Telefongespräche sind schwierig. Denn wenn ein Mensch vor dir steht, kannst du noch seine Körpersprache lesen. Am Telefonhörer bist du jedoch nur auf die gesprochene Sprache angewiesen.
Nach den Terrorangriffe in Paris im November, haben sich die Syrer durch eine kleine Demonstration von dem islamistischen Terror abgegrenzt. Sie bastelten Schilder mit Schriftzügen wie „IS er ikke Islam“ (IS ist nicht Islam). Ob man sich aufgrund seines Glaubens immer von terroristischen Angriffen abgrenzen muss ist eine Frage, die sich auch in meinem Kopf bildete als ich die Schilder las. Schließlich grenzte ich mich als Christin nie so aktiv von meinem Glauben ab, wenn ein Terrorist behauptet für die christlichen Werte zu kämpfen. Bei Christen geht man davon aus, dass sie terroristische Gewalt nicht akzeptieren. Als Muslime in einem fremden Land (auch im eigenen Heimatland), musst du dich jedoch abgrenzen und als Flüchtling anscheinend erst recht. Auch wenn nur einer der Terroristen von Paris als Flüchtling nach Europa kam.
Nur positive Erfahrung gab es auch nicht. Manchmal können Kulturen sich auch aneinander aufreiben. Was man am Beispiel der Erfahrungen meiner Mitfreiwilligen zu sehen ist. In der Sprachschule hatten wir einen Mitteilnehmer, der vorher kein Wort mit ihr sprach und sie nur beobachtete. Schlagartig wurde sie über facebook mit einer Welle von Liebesbekundungen überrollt. Die Liebesbekundungen wurden auch fortgesetzt, nachdem sie nicht erwidert wurden. Aber das Problem löste sich schnell, unter anderem weil eine dänische Freundin ihm erklärte, dass es nicht gut angenommen wird, wenn man eine Frau mit Liebesbekundungen überschüttet. Aber auch ein anderer Syrer versuchte zu schlichten und sprach auch von kulturellen Unterschied. Denn eines muss auch dazu gesagt werden, dass der Großteil der Syrer, die hier leben, sehr respektvoll gegenüber allen Menschen sind.
Ich will meinen Artikel nicht nur einem Menschen widmen, sondern vielen Gesichtern einer Geschichte. Vielleicht ist es auch abgedroschen über die Menschen der Flüchtlingskrise zu schreiben, aber wenn ich in sozialen Netzwerken lese wie über Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten geschrieben wird, muss man auch andere Blickwinkel bekommen. Ich weiß auch, dass es negative Folgen gibt. Aber es kann keiner behaupten, dass Homophobie, Sexismus und Gewalt in der Gesellschaft vor der Flüchtlingskrise noch nicht existent waren. Ich bin kein Journalist und kann nicht den Wahrheitsgehalt jeder Aussage nachweisen. Ich kann nur nacherzählen und beschreiben, was ich sehe und muss wohl einfach glauben.