Haare, frisch und saftig
Im Kindergarten El Moral auf Teneriffa hat man es als Freiwilliger nicht immer leicht. Meine Erlebnisse mit einem "etwas speziellen" Mädchen namens Alaya.
Haare, frisch und saftig
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Im Kindergarten El Moral gibt es nicht nur brave Kinder. Es gibt süße Kinder; es gibt Kinder, die sich mit Spielzeug bewerfen; Kinder, die anderen Küsschen geben und welche die den ganzen Tag rumplerren. Kinder die mit Seife spielen und in die Hose kacken. Kinder, die nichts sagen – oder nichts sagen können, wie Daniel Díaz: ihn trage ich z.B. herum und helfe ihm beim Essen, da er schwerbehindert ist.
Es gibt Kinder, die Bauklötze stapeln und Bauklötze staunen, wenn das (ziemlich chlorhaltige) Wasser beim Händewaschen über ihre Finger läuft.
Und es gibt ein Kind, dass mit Vorliebe anderen Haare ausrupft: Alaya, die - wie mir Atis (maestra) sagte - körperlich und geistig etwas zurückgeblieben ist. Heute hat sie damit schon morgens angefangen, als ich sie zum Kreis aus Bänken führte, in dem wir jeden morgen die Kinder begrüßen. Im Vorbeigehen "erntete" sie bei Mai ein paar Haare, die sie sich anschließend in den Mund steckte. Während wir den saludo de la mañana "zelebrierten" kaute sie abwechselnd auf den Haaren und ihrem Ärmel oder steckte die Finger in den Mund. Wenn ich sie davon abzuhalten versuchte, steckte sie den Finger sofort wieder in den Mund. Haare sammeln sie tut öfters auf ihren Streifzügen durch die Räume meiner und Atis' und meiner Gruppe. Wenn ich gerade die nächste "Gemeinschafts-Aktivität" (wie Aufräumen, Hände waschen, Essen, Zähneputzen) auf meiner "Tagesordnung" abhaken will, muss ich Alaya zuert aufspüren und zum Rest der versammelten Truppe bringen und ggf. ein aufgebrachtes oder gar weinendes Kind beruhigen, dass einer von Alayas Haar-Atacken zum Opfer gefallen ist.
Auf Toilette gehen kann Alaya schon ganz alleine, wobei auch das nicht immer ohne Komplikationen abläuft. Wie viele Kinder will auch sie z.B. immer erst die Spülung auslösen und sich dann hinsetzen. Soweit so harmlos, wenn ihr nicht gerade einfällt, die Klos mit der Klobürste zu bearbeiten oder gleich mit der Hand oder dem ganzen Fuß...
Sie kann aber auch ganz lieb und liebenswürdig sein, etwa wenn sie Daniel Caraión (einem ADHS-Kind, mit dem es auch nicht immer so leicht ist), zu dem sie anscheinend eine (einseitige) amuröse Beziehung pflegt, ein Abschieds-Küsschen gibt.
Alaya beansprucht also einen erheblichen Teil meiner Aufmerksamkeit und erleichtert den Kindergarten-Alltag nicht gerade. Da ich meistens damit beschäftigt bin aufzuräumen, zu spülen, das Frühstück vorzubereiten und ein Auge auf die Kinder zu haben, wenn Atis gerade im Raum ist, fällt es mir schwer, immer aufzupassen, dass Alaya nicht gerade die Sachen vom Jahreszeiten-Tisch rumwirft. Atis hat mir empfohlen, falls Alaya allzu anweisungsresistent sein sollte, sie auf eine Bank zu setzen (was meistens nicht hilft, da sie aufsteht sobald ich wegsehe) oder zu legen, damit sie sich beruhigt. Sie sagte mir auch, dass es früher noch viel anstrengender gewesen sei mit Alaya ("...horrible!") und dass die derzeitige allgemeine Unruhe der Kinder mit den vielen Erwachsenen (Eltern von neuen Kindern, die ab und zu dabei sind und ich) und neuen Kindern zusammenhängt. Ich hoffe, dass sich das noch ein bisschen beruhigt. Was Alaya betrifft, habe ich jedoch noch keine wirklich effektive Methode gefunden, sie dazu zu bringen, was ich will. Mit sanftem Auf-sie-einreden klappt es jedenfalls nicht.